Egal, wie
auch immer, im Stau auf der Autobahn nach Hamburg (an diesem Tag mehrere
Stunden Vollsperrung wegen eines schweren Verkehrsunfalls) wird mir deutlich,
dass das angepeilte Ziel Uitdam in diesen 5 Tagen (in der Nähe des
"berühmten" Volendams) nicht zu schaffen ist. Wahrscheinlich kommen wir
irgendwo bis nach den Niederlanden, den Rest muss ich später
machen.
Jedenfalls, irgendwann irgendwo auf der A2 Richtung Hamburg ist gegen
Nachmittag die Straße wieder frei. Eigentlich wollte ich am frühen
Abend da sein, das Gepäck mit den Lebensmitteln einladen, mich mit dem
Schiff vertraut machen und vor allem mit Michael über die Strecke reden.
So sass ich zwei Stunden auf der Straße, links und rechts von Autos
eingekeilt, nichts ging mehr, kein Vor und kein Zurück. Meine
Leidensgenossen mit ihren Navis sind auch nicht besser dran, es gibt kein
Entkommen.
Gegen 19 Uhr komme ich in Hamburg an, fahre zum Hamburger Yachthafen und
finde auch per mobil-Kontakt schnell Michael mit dem Boot. Er hat am
Donnerstag und Freitag alles klargemacht, die Fahrt von Curslack an der
unteren Elbe nach Hamburg musste er mit gelegtem Mast alleine
bewerkstelligen, beim Mast-Setzen hat Jan, der Segelmacher geholfen. So ist
das Boot nun fertig, muss noch beladen und betankt werden und dann
könnte es los gehen.
Der Hamburger Yachthafen Gemein-schaft Wedel hat ca. 2000
Liegeplätze. Das Serviceangebot ist reichhaltig und reicht von
der Ent-sorgung übers Tanken und Ein-kaufsmöglichkeiten bis zum
Kranen.
"Bis zur
Stadt Wedel sind es etwa 30 Fuß-minuten. Nach Hamburg braucht die
S-Bahn rund 40 Minuten. Der Hafen liegt recht reizvoll an der Elbe. Aber
auch das Hinterland kann sich sehen lassen und lädt
zu |
 |
Abb. 1: Yachthafen Wedel bei
Hamburg |
Ausflügen ein. Dazu kommt das Panorama mit Blick auf den
regen Schiffsverkehr auf der Elbe", schreibt das Hafenblatt.
Aber erst mal ist Essen angesagt, der Sporthafen hat ein ganz
passables Restaurant und wir stillen unseren Hunger, bevor wir in der
Dunkelheit mit dem Karren den Inhalt des Kofferraums meines Wagens auf das
Schiff bringen.
Michael,
der bisherige Eigner und für die Überfahrt Mitverantwortliche,
belegt die Eigner-Kabine, ich liege in einer Hundekoje auf der
Steuerbordseite. Nach mehrmaligem Hin und Her mit dem Karren ist es
geschafft: das Schiff ist voll, der Kofferraum leer. Müde vom Tragen
und von der langen, anstrengenden und heißen Fahrt schlafe ich ein,
unruhig, was uns den nächsten Tag erwarten wird. |
 |
Abb. 2:
de Widzi am Steg
in Wedel von achtern |
Früh stehen wir auf und ich bekomme zum
ersten Mal Gelegenheit, das Schiff ganz im Wasser zu sehen. Mit dem neuen
Schriftzug de Widzi sieht es toll aus, und ich bin froh, es gekauft zu
haben. Insgesamt macht das ganze Rigg, die Sprayhood, die Persenning und das
laufende Gut einen zuverlässigen Eindruck.
Innen haben wir schon vor der Überfahrt neue
Polster geordert, so dass das Interieur jetzt etwas heller und
freundlicher geworden ist.Michael packt noch die
Maststütze zusammen, die bei gelegtem Mast verwendet wird. Sie wird
uns in den kommenden Monaten und Jahren ein ständiger treuer
Begleiter sein. Dann eine kurze Fahrt zur Tankstelle und alles
befüllt, was mit Diesel zu befüllen ist: der fest eingebaute
Tank mit 30 l und zwei Ersatzkanister mit je 10 L. Das sollte erstmal
reichen, zumindest bis Cuxhaven, dem ersten Stopp unserer langen
Reise. |
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Abb. 3: de Widzi am Steg in Wedel von der
Seite |
Dann geht
es vom Hafen raus auf die Elbe, und das erwartet uns: grauer, dicker,
kalter Nebel. Die Sicht reicht, den Hafen zu überblicken, auf dem
Strom selbst ist die Suppe noch dicker. Schemenhaft gleiten Frachter am
anderen Ufer die Elbe rauf und runter, man erahnt mehr die Umrisse als
dass man sie sieht. Wenn die Frachtschiffe nicht meistens beleuchtet
wären, wäre es noch gespenstischer. |
 |
Abb. 4: Abfahrt
von Wedel in Nebel |
Die Strecke Hamburg-Cuxhaven
(22.05.2010)
 |
Abb. 5: Strecke Hamburg-Wedel bis
Cuxhaven |
Es ist ein ganz schön langes Stück, die Elbe unter
Richtung Cuxhaven. Der Strom wird immer breiter, stellenweise sieht man
infolge des Nebels das andere Ufer nicht mehr. Nachdem wir die Randbezirke
Hamburgs verlassen haben, wird die Landschaft immer ländlicher. Um Ebbe
und Flut haben wir uns nicht gekümmert, der Motor läuft
zuverlässig und Segeln kommt nicht in Frage: der Wind steht gegen an.
Zwischendurch kommt so etwas raus wie Sonne, gleich wird es wärmer an
Bord.
Gegen Nachmittag taucht Cuxhaven auf, wir fahren am
Amerikahafen vorbei Richtung "Alte Liebe" und haben schon bald den Cuxhaven
Yachthafen vor uns. Nachdem wir die Einfahrt passiert haben, bekommen wir
noch in der 2. Reihe ein Plätzchen, nicht zu weit weg von den Toiletten,
was in unserem Alter schon mal wichtig werden kann.
Über eine Stegbrücke gelangt man zum Hafengebäude, wo man
bezahlt.
Wir mieten
eine Box für eine Nacht und legen den Strom. Danach gehen wir in die
Stadt zum Essen, kochen hat keiner Lust nach der langen Kälte
brauchen wir schnell etwas Warmes für innen und außen und
finden es in einem Restaurant ganz in der Nähe der "Alten Liebe".
Nach Speis und Trank geht es zurück aufs Schiff, morgen müssen
wir früh los, das ganze Riesenstück von Cuxhaven nach Norderney
wartet auf uns. Bei der Einfahrt verzichten wir auf das Tanken, wir
hatten keine Lust, bis zur Anmeldung zu laufen. |
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Abb. 6: Yachthafen Cuxhaven |
Es ist wieder Nebel und
dunkel, als wir am Sonntag, den 23. Mai, aufstehen. Diesmal müssen wir
uns nach den Gezeiten richten, aber die Gezeiten nicht nach uns. Nach einem
guten Frühstück (trotz meines angebrochenen Zahnes) fahren wir
unter Motor raus auf die Elbe. Der Kartenplotter wird uns den Weg
zeigen.
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Abb. 7: Strecke Cuxhaven-Norderney |
Natürlich haben wir auch Papierkarten an Bord, wie sich
das gehört: den neuesten Kartensatz vom BSH: 3015 Ostfriesische Inseln.
Da das meine erste große Reise ist, bei der ich Verantwortung trage und
nicht einfach nur „mit segle", habe ich wenig Erfahrung. So fehlt ein
eingezeichneter Kurs, was Michael gar nicht gefällt: "Schlecht
vorbereitet" lautet sein knappes Urteil! Und ich dachte, mit der Berechnung
der Entfernungen und der Zeit, die wir brauchen, hätte ich schon eine
Menge Vorbereitung geleistet. Puste Kuchen! ...
Nichtsdestotrotz orientieren wir uns in erster Linie am Plotter, erst
nachher kommt heraus, dass die Software von 2009 stammt und bisher nicht
aktualisiert wurde. Aber dazu später.
Das Wetter klart leider nicht auf. So etwas wie eine hellere Stelle am
grauen Über-uns deutet die Sonne an, manchmal schafft sie es, sich
durchzusetzen, aber die meiste Zeit ist dicke Suppe. Ohne Plotter hätten
wir nichts „gesehen". Auch die Tonnen tauchen gerade dann auf, als wir
schon schier drauf knallen. Und dem fehlenden Update sei Dank: Manche Tonnen
sind nicht da, wo sie hingehören, andere schon, die gehören aber da
nicht hin - jedenfalls laut Plotter! Zum Glück haben wir ja noch die
Papierkarten. Wir überlegen, ob wir abbrechen oder weiterfahren. Ich bin
für Weiterfahren, weil ich allein den Weg bis Holland nicht schaffe und
wenn das Boot erst mal in Holland ist, die Entfernung nach Uitdam auf jeden
Fall geringer und mit jemandem anders zu machen ist. Michael ist
unentschieden: einerseits sieht er Gründe für weitermachen,
andererseits für Abbruch. Die Hoffnung stirbt zuletzt, und deswegen
fahren wir weiter.
Die Zeit gibt uns recht. Gegen Mittag kommt Wind auf, der
Nebel lichtet sich etwas, wir setzen Segel, um Sprit zu sparen. Viel ist es
nicht, was wir da auf einem Hart-am-Wind-Kurs vorwärtskommen, aber
immerhin. Die Zeit streicht vorbei, es wird allmählich dunkel, und kein
Land in Sicht. Der Regen hat zugenommen, es wird ungemütlich. Wenn das
Schiff vorne in die See einbricht, klatscht das Wasser gegen die Sprayhood.
Wir machen den Niedergang zu und sind froh, einigermaßen warm (vorerst!)
angezogen zu sein - leider ohne Gummistiefel. Die sind unter Deck, im
Schrank. Derweil werden meine Füße immer nässer und von innen
immer kälter, der Zahn tut weh und stellenweise wird mir leicht
übel. Aber das gibt’s doch nicht, mir wird doch nie
übel! Der Regen nimmt zu, von oben kommt Süßwasser, von vorne
Salzwasser. Wer sich nicht rechtzeitig weg geduckt hat, bekommt eins in die
„Fresse", rein wassermäßig gesehen. Ansonsten ist die
Stimmung prima! Während einiger kurzer Abschnitte, in denen es weniger
schaukelt, macht Michael eine Suppe und kramt Schokolade, Kekse, Bananen und
Riegel hervor. Die Zeit vergeht, wir sind von Wasser umgeben, es wird immer
dunkler und auf einmal ist es Nacht. In der Ferne tuten die dicken
Pötte, wir wissen sicher, dass wir diesseits der Verkehrsstraßen
sind, wenigstens das stimmt. Der Regen lässt mal wieder nach, dafür
auch der Wind, und wir holen das Groß rein. Motor an, Gott sei Dank,
zuverlässig springt er an und wir tuckern durch die Dunkelheit.
Doch leider meint es das Schicksal nicht besonders gut mit
uns: auf einmal rumpelt es, und noch einmal und wo mindestens 6 Meter Wasser
unterm Kiel sein müssten, ist auf einmal eine Sandbank, eine kleine
Welle, und dann noch eine Sandbank.
Der Nebel hat wieder zugenommen, wir
wissen nicht genau, wo wir sind, irgendwo vor Norderney. Auf der
Backbordseite sieht man im Nebel eine riesige Leuchterkette, ich stelle
mir einen Riesentanker vor. Aber das kann ja nicht sein, die
Verkehrsstraße liegt steuerbord, das Lichterungetüm auf der
Backbordseite. Außerdem bewegt sich nichts. Nach einiger Zeit wird
mit klar, dass das die Lichterkette der Hotelburgen von Norderney ist,
vom Nebel umhüllt, wie ein riesiges stillstehendes
Geisterschiff. |
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Abb. 8: So sah Norderney von See aus, nur noch
ein bisschen unheimlicher |
Aufatmend kann ich mich jetzt mehr um meine Übelkeit kümmern:
infolge des kaputten Zahns hatte ich wohl mein Frühstück zu wenig
gekaut. Es kommt da raus, wo es rein gekommen war, und ich lasse es zu.
Danach geht es mir besser, zumal wir jetzt keinen Regen mehr haben und
Michael - umsichtig wie er ist - einen Anker geworfen hat und die
Nebelleuchte eingeschaltet ist (oder war’s das Topplicht?) .
Michael legt sich hin, ich kann sowie so nicht schlafen, und genieße
die Nacht und die Ruhe. Hellblau-türkisgrün leuchtende Quallen
tauchen im Wasser auf und gleiten am Schiff vorbei, nach ein paar Metern sind
sie nicht mehr zu sehen. Wie ein Strom, lautloses Gleiten, ankommen und
verschwinden. Es ist geheimnisvoll. Und dennoch fühle ich mich sicher,
das Schiff unsere rettende Insel. Es ist absolut ruhig, das Meer schaukelt
leise vor sich hin, irgendwo in der Ferne tuten mal ein paar dicke
Pötte. Wir sind hier sicher vor Anker, wissen nur nicht genau, wo wird
sind, jedenfalls in der Nähe von Norderney.
Gegen fünf Uhr morgens wird es hell, die
gespenstische Lichterkette am Horizont erweist sich als Kette der
beleuchteten Hotels und Bettenburgen an der Nordküste von Norderney und
nicht weit von uns steht backbords die Fahrwassertonne im Strom: die D8, die
eigentlich blinken sollte und die auf dem Tonnenstrich durch die
Nordergründe liegt. Aber nichts blinkt, während der Nacht war es
zappenduster! Wir stehen also mitten im Fahrwasser des Dovetiefs: Schwein
gehabt, dass keiner des Nachts auf uns drauf geknallt ist. Großes
Aufatmen!
Schnell springt der Motor an und wir tuckern im betonnten Fahrwasser nach
Norderney: 24 Stunden waren wir jetzt unterwegs. Wir finden bald eine
grün gekennzeichnete Box und machen fest. Nur noch schlafen, vorher was
essen, aber um sechs Uhr früh ist es schwer, auf Norderny Brötchen
zu finden, wenn man sich nicht auskennt. So machen wir
Bordfrühstück und Michael macht sich auf in die Stadt, er stromert
so ein bisschen ums Hafengelände herum.
Nach ein paar Stunden Schlaf finde ich ihn im Hafencafe, vor sich ein
2. Frühstück. Danach verbringen wir einen ruhigen Tag (24. Mai)
an Bord, für gestern und heute haben wir genug geleistet. Es gibt ja
noch so viel zu klären, was das Schiff betrifft: die elektrische
Anlage, die Schaltung der Batterien, der verschiedenen Lampen und
Leuchten, Die Motor-Wartung, Seeventile, die Schalttafel, Lenzpumpen usw.
usf. Dann natürlich das laufende Gut, wie der Motor zu starten ist,
den Wechsel der Zink-Anoden jedes Jahr und vieles andere mehr. So ein
Segelboot ist ja ein Kosmos für sich, bis man alles kennt,
können Monate und Jahre vergehen. |
|
Abb. 9: Yachthafen
Norderney |
Am
Dienstag, den 25. Mai machen wir uns früh auf den Weg. Bis nach
Lauwersmeer/Lauwersoog müssen wir es heute schaffen, einen
Zwischenstopp in Borkum haben wir nicht eingerechnet. Morgen, am Mi, muss
es ja auch bereits wieder nach Hause gehen, d.h. wir haben dann noch die
Fahrt nach Hamburg vor uns.
 |
Abb. 10: Die vorerst letzte Etappe
von Norderney nach Lauwersoog |
Doch erst steht mal das Seegatt von Norderney vor
uns. Da wir keine Rücksicht auf die Gezeiten genommen haben,
überrascht es uns irgendwie nicht, dass da, wo Strömung und Wind
zusammen kommen, die See sehr unruhig ist. Aber nach ungefähr einer
viertel bis halben Stunde haben wir auch dieses kritische Stück
geschafft und sind endlich auf der „freien" Nordsee. Da wir unter
Zeitdruck stehen, lassen wir die Maschine laufen, der Wind kommt
raumschots, mit der Zeit immer achterlicher. Das ist günstig für
uns, aber auch leicht gruselig: die hohen Nordseewellen kommen von hinten,
überholen uns, wir steigen wie in einem Fahrstuhl und fallen, dann die
nächste Welle, die uns wieder hebt, usw. Wer am Ruder sitzt, muss
höllisch aufpassen, dass das Schiff richtig zu den Wellen liegt. Ich
komme mir vor wie auf einer Kirmes-Schiffschaukel: hoch, dann runter, jetzt
die Welle von hinten - wieder hoch und dann runter. Es ist atemberaubend,
anstrengend und irgendwie ein tolles Gefühl. Das Schiff vermittelt
Sicherheit, zudem scheint die Sonne und es ist nicht mehr so kalt. Nach wie
vor gibt es ungewollte Duschen, wenn mal ein Brecher von vorne gegen den
Bug klatscht, aber insgesamt ein schöneres Fahren als am zweiten Tag
nach Norderney. Endlos zieht sich die Insel Juist dahin. Und das ist erst
der Anfang. Strand-Strand und nochmals Strand. Kein Mensch darauf, die
Sonne scheint, der Wind pfeift und zehrt einen aus. Nach Juist eine kurze
Pause, kann kommt Borkum in Sicht, nicht so lang gezogen. Bald ist auch
Borkum vorbau und nach dem Rottumerplaat erscheint Schiermonnikoog, noch
länger als Juist. Es dauert eine gefühlte Ewigkeit, bis wir
endlich die beiden Tonnen PL3 und PL4 erkennen, die über das Plaatgat
in das Fahrwasser von Schiermonnikoog führen.
In der Höhe von PL 9/Pl 10 erwartet uns eine Überraschung: ein
Schnellboot der holländischen Küstenwache kommt auf uns zu. Das
Mutterschiff war schon einige Zeit vorher in Sicht gewesen, aber es war
nicht zu erkennen, was die vor hatten. Es hatte uns nur
„begleitet”, als wir noch im Ooster Buitengrond waren. Nach
kurzes Fahrt ist das Schnellboot mit drei Mann Besatzung längsseits.
Ausgesprochen höflich fragen sie uns, ob sie an Bord dürften. Wir
geben die Zustimmung, haben wir doch nichts an Bord, was irgendwelcher
Formalitäten oder Formulare bedürfte. Sie lassen sich unsere
Pässe zeigen, wobei sich herausstellt, dass nur ich einen
Personalausweis dabei habe. Michael hat alles in Wedel liegengelassen, er
hat kein einziges Dokument bei sich, was ihn identifizieren könnte -
außer der Namensangabe auf seine Segeljacke. Aber auch damit geben
sich die holländischen Küstenwachtler zufrieden, sie werfen
keinen Blick ins Boot-Innere, keine Kontrolle von irgendwelchen
Führerscheinen oder Funklizenzen. Nach einem kurzen telefonischen
Datenaustausch mit dem Mutterschiff entschuldigen sich die Holländer,
sie geben auch keine Erklärung, um was es sich gehandelt haben
könnte. Mit meinen mageren niederländischen Sprachkenntnissen
bekomme ich mit, dass sie jemanden suchen, der so aussehen könnte wie
ich - na prima, Supereinstand in den Niederlanden. Aber ich bin zum
Glück nicht der Gesuchte, Drogen haben wir auch keine an Bord, nicht
mal Alkohol und ausgesprochen freundlich verlassen uns die Beamten
wieder.
Auch wenn es wie eine Begegnung mit einem anderen Stern war - wer hat schon
mal Kontakt zu niederländischen Grenzschätzern - die betonte
Höflichkeit und der respektvolle Umgang mit uns Deutschen war schon
bemerkenswert. Wir reisten ja von außen ein, wir hätten alles
mögliche mitbringen und einschleusen können und die
Niederländer wissen wohl, dass gar nicht alle Segelyachten zu
kontrollieren sind. Wahrscheinlich kommen die meisten "ausländischen"
Segelboote über die westfriesischen Inseln, also über Den Oever
und Kornwerderzand ins Land, und nur weniger über die Fahrt zum
Lauwersmeer. Andererseits: wer von Osten, aus deutscher Richtung kommt,
steuert Lauwersmeer an, das doch wesentlich entspannter zum Ijsselmeer
führt. Naja, wie auch immer: wir hatten unser See-Abenteuer und das
bei schönstem Wetter und mildem Wind. Und weil das so gut gelaufen
war, schließlich reichte die Identifizierung über einen Namen in
der Segeljacke, steuerten wir unverdrossen die Robbengatsluis in Lauwersoog
an. Und da passierte, was irgendwann ja mal passieren musste: mitten in der
Schleuse ging der Motor aus. Ein unfreundlicher Holländer empörte
sich, dass er mit seinem dicken Kahn nicht an uns vorbeikam, es gibt also
auch solche Holländer. Andere halfen uns, an einer Barke festzumachen,
wo wir nachtanken konnten, denn das war alles: der Diesel war alle und da
wir keine Tankuhr hatten, und vor lauter Aufregung um die
holländischen Grenzer das Nachtanken vergessen hatten, passierte es
eben jetzt.
Oostmahorn bietet auf den
ersten Blick vor allem eins: Ruhe, Ruhe und nochmals Ruhe. Am Steg gibt es
Strom und Wasser, eine Tankstelle und ein Kran sind auch da. Ein kleines
Café, in dem es auch das eine oder andere zu Essen gibt, stillt
kurzfristigen Hunger. Hier befindet sich auch der Hafenkontor. Die Duschen
und sanitären Anlagen werden laut website überholt, damals - 2010
- luden sie nicht gerade zum Verweilen ein. Auf dem Deich gibt es ein
großes Restaurant, teuer, schlechter Service, nicht empfehlenswert.
Und in der Nähe, über den Deich erreichbar, gibt es Touristendorf
Esonstad, eine künstliche Stadt mit Wasser, Brücken,
Kahnanlegesteg, Restaurants, Kneipen, Geschäften, so eine Mischung aus
Disney-Land und Alt-Holland. Die Wohnungen werden vermietet, das ganze ist
mit einem Spielplatz und wohl zahlreichen Recreatie-Möglichkeiten
versehen. "Landal Esonstad liegt in einer wasserreichen Landschaft mit
Deichen und Warften am Lauwersmeer. Hier fühlt man sich
zurückversetzt in die Ära der großen Seefahrergeschichte
Hollands", schreibt die website
Gegen fünf Uhr Nachmittags machen wir
fest, räumen unsere Taschen ein und das Schiff auf und Inge wird per
Handy hier her geleitet. Nach kurzer Zeit findet sie uns, noch ein letzter
Blick zurück und wir verlassen Oostmahorn und damit den ersten Teil
der Reise von der Nordsee ins
Ijsselmeer.
Bildquellen:
Abb. 1: www.Portmaps.com
Abb. 2: eigenes Foto
Abb. 3: eigenes Foto
Abb. 4: eigenes Foto
Abb. 5: www.Portmaps.com
Abb. 6: www.Portmaps.com
Abb. 7: www.Portmaps.com
Abb. 8: Norderney bei Nacht, von nordseewolf.de
Abb. 9: Hafenluftbild, vom Hafenmeister Norderneyy
Abb. 10: www.Portmaps.com
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Mit Bernhard von Oostmahorn nach
Uitdam
Von Freitag., 16. Juli bis Dienstag, den 27.
Juli
Freitag, den 16. Juli: Ankunft von Bernhard
in Duisburg und Fahrt nach Oostmahorn
Es ist der 2. Ferientag der Großen Ferien 2010
in NRW. Und wir wollen „de Widzi” nach Uitdam bringen, unserem
Noch-Heimathafen in den Niederlanden am Marker Meer. Für diesen Tag, nach
zweieinhalb Stunden Autofahrt von Moers aus, - es scheint die Sonne und es ist
einigermaßen warm - bleibt uns nur noch der Einkauf, wobei ich aus der
zeitlichen Entfernung gar nicht mehr weiß, wo wir in Oostmahorn eingekauft
haben. Aber es gab da einen Laden im Dorf Anjum in der Nähe
Der nächste Tag, es ist 10.20 Uhr, wir legen ab. Ein erhebendes
Gefühl, wenn die Leinen los sind, das Schiff ganz langsam
rückwärts aus der Box heraus fährt, eine Kurve nach links oder
rechts beschreibt, je nachdem wie der Wind steht und dann kraftvoll das Ruder
herumgelegt wird, der Gashebel ein Stück nach vorne geschoben und das Boot
Fahrt aufnimmt, aus der Boxengasse heraus in das offene Hafenwasser und dann
Richtung Hafenmole, hinaus auf den Kanal, die Zufahrtsstraße oder auch
gleich das offene Meer.
Wir versuchen es einige Minuten mit der Genua, aber mehr als 20 Minuten
lässt sie sich nicht halten, entweder war der Wind zu schwach oder aus der
falschen Richtung. Immerhin kann man von Oostmahorn im Gewässer des
Nationalparks Lauwersmeer eine Weile segeln, bis man in den Senneroog gelangt,
der sich dann zum Dokkumer Djip verjüngt. Mit stehendem Mast fahren wir
unter Motor auf der Staandemastroute Richtung Dokkum und queren gegen Mittag
erst mal die Woudabrug bei Ee, vor der wir bis 13 Uhr warten müssen. Unser
Ziel ist erst mal Dokkum, hier machen wir vor der Woudpoortbrug fest. Für
8,50 € bekommen wir einen Liegeplatz für die Nacht, für
Gebäck und Kuchen geben wir noch ein paar Euros aus.
Am Sonntag, den 18. Juli starten wir von Dokkum aus nach
Leeuwarden. Früh um 9 Uhr legen wir ab, das heißt, dann um sieben Uhr
morgens spätestens aufstehen, das tagtägliche Procedere von Waschen
in den Toilettenräumen, Frühstücken, aufräumen, abwaschen,
Klamotten anziehen, Rettungswesten herausholen, Regenzeugs oder
Schlechtwetterkleidung usw. usf. Das alles sind Routinen, mit der Zeit denkt
man nicht mehr darüber nach, man macht es einfach. Etwas nach viertel nach
zwölf sind wir an der Norderbrug angelangt, auch hier müssen wir
wieder warten bis 13 Uhr, weil die Brückenwärter Mittagsruhe
haben.
In Leeuwarden sind es mindestens fünf Brücken, die wir unterfahren
müssen, teilweise warten sie schon im geöffneten Zustand auf uns,
teilweise müssen wir auch für ein paar Minuten Halt machen, um dem
Brückenwärter die Gelegenheit zum Öffnen zu geben. Aber alles
geht sehr zügig vor sich. Auf unserer Fahrt durch die Kanäle sehen
wir zahlreiche Wohnboote, auf denen vor allem junge Leute wohnen.
Am Montag, den 19. Juli ist unser Ziel das Sneeker Meer.
Wieder sind wir früh aufgestanden, kurz vor 10 Uhr werden die Leinen
losgemacht und es geht erst mal an die Tankstelle. Knapp eineinhalb Stunden
später sind wir schon in Grou, wo wir eine längere Pause machen. Am
Ende des Tages erreichen wir den Pavillon am Sneeker Meer, in dem wir uns eine
leckere Abendmahlzeit gönnen. Es ist nicht billig hier, aber das war es
uns wert. In Grou (Grow) können wir in einem Supermarket einkaufen, um
unsere Proviantvorräte wieder aufzufüllen. Die Liegegebühr
hält sich in Grenzen.
Am nächsten Tag, dem 20. Juli geht es weiter nach Lemmer.
Wieder legen wir früh ab, und erreichen gegen Mittag die Schleuse in
Lemmer. Nach 13 Uhr sind wir durchgeschleust, jetzt liegt das Ijsselmeer vor
uns. Gegen halb zwei erreichen wir den Yachthafen Friese Hook, für heute
war es genug.
Abends gibt es Tappas in einer Bar und Wein. Hier sind die Liegegebühren
schon höher, Lemmer ist ja auch ein wichtiger Yachthafen.
Am Mittwoch, den 21. Juli geht es weiter Richtung Hindeloopen.
Wie gestern wird kurz nach neun Uhr abgelegt und mit beiden Segeln sind wir
fast fünf Stunden am Wind, um am Nachmittag Hindeloopen zu erreichen, das
niederländische „Köln am Ijsselmeer”, so genannt wegen
der vielen deutschen Jachten, die vielfach nach Schwarzgeld aussehen. Hier
zahlen wir schon über 20 Euro Liegegeld, und auch der Supermarkt ist nicht
gerade billig, aber immerhin gibt es einen.
Am Donnerstag, den 22. Juli, fahren wir von Hindeloopen
über das Ijsselmeer nach Andijk, quasi an das gegenüberliegende Ufer.
Bevor wir loslegen können, müssen wir noch tanken. Die Tankstelle ist
mir noch gut in Erinnerung, hatte ich doch mal für den Außenborder
der Sprinta 70, der „Hobbit”, Diesel getankt statt Benzin, was dem
Motor gar nicht gut tat. Umständliche und aufwendige Reinigung waren die
Folge, es kostete uns mindestens einen Tag Zeit, bis der Motor wieder in
Ordnung war. Dass mir dann beim zweiten mal Tanken nochmal das Gleiche
passierte, darf man gar nicht laut sagen, aber so ist es nun mal. Es ist
passiert, das was nicht passieren durfte. Der Mensch ist eben vor keinem Fehler
durch sich selbst gefeit.
Auf jeden Fall geht diesmal alles gut, viertel vor zehn können wir die
Tankstelle am Hafenbüro verlassen und wenige Minuten darauf die Genua
hochziehen. Über fünf Stunden sind wir mit beiden Segeln unterwegs,
bis wir um vier Uhr in Andijk anlegen, dem schönen Hafen, der später
für wenige Jahre unser Domizil im Ijsselmeer wird.
Andijk war noch nie billig, aber es ist ein schöner, geschützter
Hafen in der Bucht von Medemblik. Auch zum Einkaufen in den Supermarkt ist es
nicht weit. Und der Hafen bietet eine gute Infrastruktur, einen Segelladen,
Service- und Reparaturbetriebe, und man kann sein Schiff über den Winter
hier lagern. Über die Straße hinweg gibt es ein gemütliches
Restaurant, aber all diese Punkte haben wir erst später herausbekommen.
Und die Toiletten: einfach edel. Okay, die WCs sind etwas klaustrophobisch
klein, aber man braucht sie ja auch nur einmal am Tag.
Am Freitag, den 23. Juli geht es über das Ijsselmeer nach
Urk, der kleinen und in Teilen auch romantischen Stadt. Aber mit Segeln ist
heute nichts drin, der Motor muss es bringen, und so legen wir nach etwas mehr
als vier Stunden im neuen und renovierten Hafen (mit EU-Geldern!) an. Essen
gehen und Supermarkt sind nicht ganz billig, aber für heute war es genug,
da muss nicht auch noch Kochen drin sein.
Wir machen heute die erste Erfahrung mit der Ijsselmeerfliege und ihrer
explosionsartigen Vermehrung. Kein Wind, das Wasser ist seit Tagen warm und
aufgeheizt, und sehr sehr grün, was auf eine hohe Nährstoffbelastung
hinweist. Bereits ab Andijk setzt sich das Schiff mit Fliegen immer mehr zu,
bis alles, das Deck, die Persenning, der Boden, überall wo Stoff ist, mit
Fliegen bedeckt. Erst in Urk ist genug Wind, um sie wegzuwehen, der Rest muss
mit dem Wasserschlauch beseitigt werden.
Die Selbststeueranlage wurde heute eingesetzt, aber sie setzt immer wieder aus.
Offensichtlich müssen die Anschlüsse neu verdrahtet werden.
Am Samstag, den 24. Juli: Heute wollen wir nach Lelystad. Die
Stadt mit der den Seglern wohlbekannten Schleuse liegt auf der Ostseite des
Ijsselmeeres und ist einer der beiden Übergänge ins Markermeer. Der
andere Übergang ist Enkhuizen, auch eine sehr schöne alte
Stadt.
Von Urk nach Lelystadt, in die Flevo-Marina sind es gerade mal zwei Stunden
Fahrt. Wir segeln Raumschotskurs mit der Genua alleine und machen 7,6 Knoten.
Bernhard ist begeistert ob des schnellen Schiffes.
Und weil der gestrige Segeltag so schön war, versuchen wir es heute noch
einmal auf dem Weg nach Hoorn, das wir am Sonntag, den 25.
Juli ansteuern. Hoorn ist ebenfalls eine alte, schöne Stadt, die
man gesehen haben muss. Schließlich stammt der Name der berühmtesten
„Ecke” der Welt, des Kap Hoorn, von dieser Stadt ab. Aber mehr als
zwei Stunden Segeln sind nicht drin, dann schläft der Wind ein, die
Besatzung übrigens auch. Wir kommen in der schönen alten Anlage des
Segelclubs unter, im Schatten hoher Bäume und in Gehminutennähe zur
Altstadt.
Am Montag, den 26. Juli geht auf dieser Küstenseite nach
Süden, nach Edam. Keine drei Stunden, der größte Teil unter
Segeln. Vom Edamer Hafen muss man ein ganzes Stück in die Stadt laufen,
aber das tut uns gut. Wir besichtigen die sehenswerte Altstadt, den
Käsemarkt, die ausgestellten Holzschuhe, die heue kein Niederländer
mehr anzieht.
Jetzt noch ein paar Seemeilen südwärts, am Dienstag, den 27.
Juli, dann sind wir in Uitdam, dem Ziel unserer Reise, unserem Sommer-
und Winterliegeplatz seit 2005. Drei Stunden brauchen wir, bis wir Uitdam
erreichen, zum Teil unter Segeln, zum Teil unter Motor.
Am Mittwoch, den 28. Juli, muss Bernhard zurück. Also
sind wir in ca. zweieinhalb Stunden wieder in Moers, um, ihn rechtzeitig zur
Bahn zu bringen. Ein Auto steht jetzt in Oostmahorn, mal sehen, wann wir es
wieder abholen können.
Wenn ich nachdenke und zähle, dann bin ich diese Strecke schön
öfters gefahren.
1994, die Überführung einer Yacht von Kiel nach den
Niederlanden, über die „Dänische Südsee”, dann
Nord-Ostsee-Kanal, Brunsbüttel, Helgoland, Oostmahorn, dann die
Staandemastroute nach Lelystadt.
2010, die hier beschriebene Überführung von
„de Widzi I” von Hamburg über Cuxhaven und Norderney nach
Oostmahorn, in der zweiten Tour von dort bis nach Uitdam, auch über
Lelystad.
2012, die Rückreise von Andijk über Oostmahorn,
Delfzijl, die Kanäle in Norddeutschland nach Otterndorf an der Elbe, dann
Hamburg und wieder Kanäle bis Lübeck.
Zweimal Staandemastroute von der Nordsee ins Markermeer, einmal
umgekehrt.
Und doch ist mir 2010 das Meiste von den vielen Eindrücken wie neu
gewesen. Hätte ich damals einen Reisebericht von 1994 gehabt, wäre
die Tour sicher anders verlaufen. Zumindest, was die Erinnerung betrifft.
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Die Sommerreise mit
Barbara
Vom Mittwoch , den 04. August bis 16. August
Mittwoch, den 4. August
Als wir am späten Nachmittag in Uitdam ankommen, bläst ein
kräftiger Wind im kleinen Hafen am Markermeer. Uitdam, wo ist das denn,
fragen viele, wenn sie wissen wollen, wo wir mit unserem Schiff liegen, im
Sommer, und auch im Winter. Südlich von Monnickendam und dem
berühmten Volendam, ist dann unsere Antwort, weil eine von den beiden
Städten den meisten doch bekannt ist. Ansonsten ist Uitdam eher unter
Campern bekannt, weil ein großer Campingplatz der Hauptarbeitgeber des
kleinen Ortes ist, der nur wenige Häuser umfasst, ein paar Bauernhöfe
ringsherum, aber sonst nicht viel Tourismus. Und auch für den großen
Campingplatz gibt es nur ein Lokal, eine Tanzbar, einen SPAR-Laden, und das
alles recht teuer. Aber das ist wieder eine andere Geschichte. Vor allem, was
wir zusammen mit der „Hobbit” in Uitdam erlebt haben, von 2005 bis
2009, das ist eine ganz andere Geschichte. Aber die wird nicht hier
erzählt.
Für diesen Tag sind im Logbuch nur einige Wettermeldungen verzeichnet:
„Wettervorhersage vom 04.08. Um 17 Uhr: 12-Stunden-Voraussage. Ijsselmeer
SW-W, um 4 Bft, nw-drehend, Schauer- und Gewitterböen.” Die
5-Tage-Vorhersage ist nicht lesbar. Ja, so ist sie, die kleine Wetterinfobox
WIB1 von Mörer, die die Wetterdaten des Deutschen Wetterdienstes so
aufbereitet, dass man das Kästchen, an den PC anschließen kann und
auf dem Bildschirm die Wetterdaten für die Nord- und Ostsee,
Sturmwarnungen, nautische Nachrichten usw. erscheinen. Nur: wenn das
„Kästchen” keinen sauberen Empfang hatte, dann sind die Daten
verstümmelt, dann kommen nur kryptische Meldungen mit allem, was die
ASCII-Tabelle zu bieten hat, aber für unsereins nicht mehr
verständlich. Man muss eben auf dem Schiff einen Platz suchen, auf dem das
„Kästchen” einen klaren Empfang hat, daran erkennbar, dass das
Blinken ganz intensiv und dauerhaft ist. Und meistens klappt das ja auch ganz
gut.
Donnerstag, 5. August: Wir bleiben wohl heute
„zuhause”, sprich im Hafen. Ein Blick aus dem Eingang zeigt, wie es
heute aussieht: Regen, Regen und nochmals Regen. Aber die Hoffnung wächst:
der Druck klettert konsequent von 1008 hPa um 04.00 Uhr morgens auf über
1015 hPa abends um 20 Uhr an. Das Thermometer bewegt sich zwischen 23,9 ̊C
und abends 21,2 ̊C, also gar nicht mal so wenig. Obwohl: es ist ja
eigentlich August, da erwartet man tagsüber brüllende Hitze. Von der
ist hier nichts zu spüren.
Freitag, den 6. August: Wir nehmen unser Herz in die Hand und
starten morgens um 10.30 Uhr zu unserem 1. Törn nach Lelystad. Aber erst
einmal heißt es tanken, an der kleinen Tankstelle im Uitdamer Hafen.
Fünf Minuten dauert es, dann sind wir fertig. Und dann raus aus der ebenso
kleinen Hafeneinfahrt in Uitdam. Hier ist alles klein, auch die einzelnen
Becken, teilweise jedenfalls. Und deswegen findet man große Schiffe auch
nur im Außenbecken, direkt nach der Einfahrt. Jetzt werden die Segel
gesetzt, nach den zwei Einfahrtstonnen auf jeder Seite. Wir haben
Südwest-Wind, Stärke 2-3, fast zu wenig zum Segeln, aber für den
Anfang erst mal ganz gut. Um 11.16 Uhr kommen wir am „Elefant von
Marken” vorbei, dem charakteristischen Leuchtturm, der als beliebte
Landmarke dient.
Kurz nach eins ziehen wir die Segel wieder ein, um im Schleusengewässer
auf der anderen Seite des Markermeeres mit dem Motor fahren zu können.
Segeln ist hier sowieso verboten, die Maschine muss es machen. Um halb drei
erreichen wir das Schleusen-Vorbecken, jetzt heißt es warten und Geduld
zeigen. Aber die Niederländer haben ihre zwei Schleusen am Deich zwischen
dem Ijssel- und dem Markermeer gut im Griff, wir warten nicht lange. Hier ist
alles großzügig ausgebaut, die Holländer sind sich der
wirtschaftlichen Bedeutung des Segeltourismus bewusst.
Viertel nach drei verlassen wir die Schleuse am Nordeingang, um von dort aus
die Flevo-Marina anzusteuern. Am Meldesteiger angelegt, holen wir uns einen
freien Platz im Hafenbüro und um sechzehn Uhr liegen wir am Steg13, Platz
A09. Unsere 1. Tour mit dem neuen Schiff, wir sind ganz stolz auf uns.
Später kommt Regen auf, der Rest des Tages verläuft in Ruhe,
Sonntag, den 8. August, treibt es uns nach Lemmer, der
östlichsten Stadt des Ijsselmeeres. Da die Strecke nicht all zu groß
ist, fahren wir erst spät los, um die Mittagszeit. Eine Viertelstunde
danach sind die Tücher schon oben. Da man auf „de Widzi” alles
von der Plicht aus steuern und bewegen kann, was für das Segeln relevant
ist, muss keiner raus, um Segel zu setzen oder später eventuell zu reffen.
Ein echtes Ein-Hand-Schiff! Kurz vor zwei Uhr liegt Urk steuerbord querab und
um halb fünf erreichen wir den Meldesteiger von Lemmer. Wenige Minuten
später haben wir einen Platz in einer Box des Jachthavens Marina Lemmer.
Angefangen mit Windstärke 2 Bft und später auf 4 sich steigernd,
zuerst aus Südwest, später Nord-Nordwest-drehend war das ein
schöner Segeltag. Auf raumem Kurs segelt sich das Schiff am besten. Andere
Richtungen werden wir noch „erfahren” müssen. Der
Seewetterbericht sagt Schauerböen voraus und anfangs vereinzelt Gewitter.
Wir sind trotzdem gefahren, ob wir nass geworden sind, kann ich jetzt heute,
während ich die Reportage schreibe, nicht mehr beantworten.
Montag und Dienstag machen wir Ruhetage in Lemmer. Die quirlige Stadt mit dem
schönen Altstadtkern und dem Kanal quer durch die Stadt ist so für
sich schon sehr faszinierend. Entsprechend voll mit Touris ist es deswegen
nachmittags bis in die Abendstunden schwierig, einen Platz in einem der
zahlreichen Lokale am Kanal Zijlroede zu bekommen, der quer durch die Stadt
geht. Wer sich unbedingt zeigen will, der fährt durch diese
Wasserstraße zum Prinses Margrietkanaal, aber es geht auch einfacher durch
die Prinses Margrietsluis. Diesen Weg lernen wir erst 2012 kennen, bei der
Überführung in die Ostsee.
Dienstag, den 10. August führt uns der Wind aus der
Lemmerbucht heraus nach Stavoren, also mehr weniger ziemlich genau nach Westen
und dann etwas nördlich. Bei Windstärke 3-4 und einem Seegang von 2-3
können wir zuerst allein mit der Genau, später auch dem Groß,
über drei Stunden segeln. Am Ende der Tolur müssen wir auch mal den
Motor anmachen, es war wohl etwas „durchwachsen”, was Maschine und
Segel zusammen leisten mussten. Viertel vor vier sind wir am Meldesteiger und
fünfundzwanzig Minuten später haben wir eine Box.
Stavoren: ein Hafen mit Erinnerung. Als wir - wann genau war das? - mit der
Hobbit in Stavoren waren, auf dem Binnenwasserkanal Richtung Johann Frisosluis,
brach in eben dieser Schleuse der Mitnahmestift der Außenborderschraube.
Die hinter uns liegenden Schiffe versuchten, um uns herum zu fahren, was auch
den meisten gelang, während wir uns an der Schleusenmauer festhielten,
ohne Antrieb. Ein netter Deutscher mit Ehefrau, beide schon etwas älter
und erfahrener, nahmen uns ins Schlepptau ihres Motorsegler und brachten uns
durch die Schleuse in die Marina Stavoren (Buitenhaven). Dort konnten wir erst
mal den Motor reparieren, was bei der Menge Erfahrung, die wir durch zahlreiche
Ausfälle schon gesammel hatten, schnell geschah.
Ansonsten liegt die Marina außerhalb des alten Städtchens, das ein
seinem Kern ebenso entzückend und beschaulich, wenn auch nicht so
groß wie Lemmer ist.
Auszug aus Manfred Fenzl: Das Ijsselmeer, S. 54:
”Stavoren war vom 9. bis zum 14. Jahrhundert eine blühende
Hafenstadt. Sturmfluten und die zunehmende Versandung des Hafens beendeten den
Wohlstand der Stadt. Die Legende vom ‘Het Vrouwtje van Stavoren’
erzählt dazu: Eine reiche Witwe gab einem Kapitän den Auftrag:
‘Bring mir das Kostbarste, was es auf dieser Erde gibt!’ Nach
langer Zeit kam der Kapitän zurück und brachte ein Schiff, voll
beladen mit Getreide. Die Witwe geriet in Wut und ließ das Getreide vor
dem Hafen über Bord werfen. Das Getreide spülte den Hafen dicht, und
von diesem Zeitpunkt an ging es mit der Stadt bergab. Das ‘Vrouwtje van
Stavoren’ steht immer noch am Hafen - als Denkmal.”
Dienstags und Mittwochs erfährt Barbara erste Unterrichtungen in der
Handhabung des Motors: Starten, Leerlauf, Vorwärts- und
Rückwärtsfahren und die Maschine ausmachen.
Donnerstag, der 12. August, ist wohl ein weiterer Ruhetag in
Stavoren. Der Verklicker ist defekt, der Radarreflektor an einer Stelle
abgerissen. Die Werft hat keine Zeit, das zu richten. Deswegen sind wir doch
überhaupt nach Stavoren gefahren! Die Werft: „Nächste
Woche.” Dabei habe ich schon den teuersten Verklicker aus Edelstahl
gekauft.
Wir sind frustriert, für die Werft ist das doch keine große Sache.
Und beschließen, am nächsten Tag, Freitag, den 13. August, nach
Hindeloopen zu segeln. Dort gibt es ebenfalls eine Reparaturwerft.
Kurz vor elf Uhr sind wir schon auf dem Wasser, nach wenigen Minuten sind die
Segel ob. Kurz vor 12 Uhr wird die Genua „krisselig”, was darauf
hindeutet, dass sie sich aus der Halterung an der Mastspitze gelöst hat
und nach unten rutscht. Da hier jedoch schon Segel steht, kann die Genau nicht
durchrutschen, aber oben ist sie eben auch nicht mehr gespannt. Wir rufen in
Hindeloopen an und vereinbaren einen Reparaturtermin am Kran, wobei dann auch
gleich der Radarreflektor neu angebunden werden kann. Auch der Verklicker wird
gerichtet, einschließlich großzügigem Trinkgeld kostet die
Angelegenheit ca. 130 Euro. Wir hoffen, dass jetzt Ruhe ist und der Urlaub
nicht durch ständige Reparaturen belästigt wird.
Für Freitag, Samstag und Sonntag hat das Logbuch keine Einträge. Wir
haben wohl die Zeit in Hindeloopen verbracht, dem „Köln vom
Ijsselmeer”, weil da so viel Schwarzgeld untergebracht ist. Und man sieht
schon edle und noble Yachten, wir laufen da eher unter
„Nicht-das-Hingucken-wert”! Aber in Hindeloopen gibt es auch ein
nettes Restaurant, weiter hinten, an der Kirche, ein nettes, aber teures Lokal
im Hafen, und eben die kleine Stadt mit der Lügenbank am Hafen.
Montag, am 16. August, geht es zurück nach Uitdam.
Barbara zieht es zurück an den heimischen Schreibtisch, wahrscheinlich
muss sie noch etliche Berichte schreiben und braucht dafür ihr Zeit und
ihre Ruhe. Es wird ein Motortag, von Hindeloopen nach Uitdam. Der Wind mit 1-2
Bft lässt einigermaßen schnelles Segeln nicht zu. Um viertel nach
zwei sind wir vor Enkhuizens Compagniehaven, dann um viertel vor drei an der
Schleuse. Es geht hier flott zu, die Schleuse funktioniert wie die in Lelystad.
Zwischendurch hat der Motor mal Aussetzer, wie es scheint in der Schleuse.
Jedenfalls steht es so im Logbuch. Wir werden abgeschleppt. Da die Sonne
scheint, ist alles nicht so schlimm. Wie wenn es auch immer an die
Hobbit-Zeiten erinnert. Kurz vor halb sieben kommen wir in Uitdam an, da wir
einen festen Liegeplatz haben, spielt das keine Rolle, dass es schon spät
ist. Gute siebeneinhalb Stunden waren wir jetzt mit der Maschine
unterwegs.
Ob wir noch am Montag oder erst am Dienstag zurück gefahren sind,
weiß ich nicht mehr.
Jedenfalls geht es für mich gleich weiter mit Rolf, dem Krefelder, den ich
am Mittwochmorgen abhole, um nach Uitdam zu fahren,
Wie es scheint, existieren von diesem Urlaub keine Bilder, was eigentlich nicht
sein kann. |
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