Inzwischen hat sich der Keller
als Lagerraum so ziemlich entleert, dafür ist das Wohnzimmer mit
gefühlt tausend Sachen zugestopftt. Aber wir können immerhin noch
bis zur Tür laufen! Die gestrichenen Holzteile - Bänke,
Cockpittisch, die Klappen für den Eingang, die zwei Teile des neuen
Bodengrätings - sind ebenfalls fertig und liegen in den letzten
Trockenzügen. Auch mein Zimmer leert sich allmählich. Zunehmend
mehr wird mir klar, um wie viel Ausrüstungsgegenstände ich mich
jetzt selbst kümmern muss, angefangen von den Hand- und
Küchentüchern, den Waschlappen, den einzelnen notwendigen
Hilfsmittel für die Küche wie Abdeckfolie, Kaffeefilter usw. usf.
Das hatte bisher alles meine liebe Frau gemacht, in "traditioneller"
Arbeitsteilung: der Mann ist für das Außen zuständig, die
Frau für das Innere. Trotz aller Listen habe ich irgendwie den
Überblick verloren, wo was in welcher Tasche ist, aber beim Auspacken,
da wird alles sortiert! Und was hier nicht mehr zu finden ist, muss ja
irgendwo in einer Tasche sein.
Das Wetter scheint am Dienstag,
dem Krantag, mitzumachen, jedenfalls ist nur geringer Wind, kein Regen und
es ist nicht besonders kalt. Ende Mai ist ja an der Küste noch kein
Hochsommer. Und da ich innen und außen alles einräumen und
segelfertig machen muss, ist die Hauptsache, dass es nicht regnet. Das
drückt auf die Stimmung.
Die vergangene Woche war neben
dem vielen Planen und Packen auch eine Woche der Abschiede, hier zum
letzten Mal zum Training, da zum letzten Mal, meistens mit einer Menge
Gelächter, einigen Witzen und flapsigen Bemerkungen. Die meisten
meiner Bekannten aus den Sportterminen haben erst mal gestaunt, dass ich
die Fahrt alleine mache: "Kannst du denn das überhaupt alleine?" Ja,
das ist eine gute Frage, kann ich das überhaupt alleine? Der Gedanke,
dass es doch eine Menge Einhandsegler gibt, die sogar viel weitere und
gefährlichere Fahrten übernehmen, die allein über den
Atlantik oder den Pazifik segeln, ins Nordpolarmeer, die das schaffen, hat
mir Mut gemacht. Und schließlich segle ich nicht erst seit einer
Woche, mit diesem Schiff jetzt im sechsten Jahr. Und die Jacht hat sich
meiner Erfahrung nach bewährt. Die "Klippen", die schwierigen Stellen,
das Ab- und Anlegen, darüber habe ich mich schlau gemacht, man findet
im Internet ja (fast) alles. Z.B. die Videos von Duncan Wells, die zeigen,
wie man das macht. Erste Regel: Immer alles ganz schön langsam! Zweite
Regel: Alles gut vorbereiten, von den Gedanken bis zu den Leinen, die da
liegen müssen. Dritte Regel: Volle Konzentration! Aber das ist jetzt
auch schon wieder einige Wochen her.
Die größte
Herausforderung wird aber nicht das Seglerische sein, sondern der
Umgang mit mir selbst. Was fange ich in den nächsten drei bis vier
Monaten mit mir an? Ich habe zwar eine Menge Ablenkung dabei, Arbeit
genannt, und an Bord muss ja auch immer eine ganze Liste von Aufgaben
erledigt werden, Wetter, Tagebuch, die Einträge in diese website,
Fotos machen, usw. usf. Aber wie ist das, wenn man diese lange Zeit mit
seiner Partnerin "nur" alle zwei bis drei Tage telefonieren kann, und das
auch nur für Minuten? Wenn man niemanden so richtig zum Reden hat?
Wenn es einem mal so richtig dreckig geht, der Wetter-Depri umgeht? Wenn es
keine Symbiose mehr an Bord gibt, sondern das "nackte" Alleinsein?
Fällt mir die Decke auf den Kopf? Wir werden sehen, ich bin ja nicht
wirklich allein, auch alle, die diese Seite lesen, sind bei mir. Und
telefonieren in Küstennähe ist ja auch kein Problem. Zur Not
gibt's auch Bahn und Buss, auch in Dänemark.
Jetzt sind es noch etwas
über 30 Stunden bis zur Abfahrt, ich muss mich sputen.
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Donnerstag, den
26.05.2016
Es ist kaum zu glauben, dass
jetzt schon der 3. Tag meiner Reise stattfindet. Aber alles erst mal der
Reihe nach.
Dienstag morgen, gegen
viertel vor sechs, verlasse ich unser Haus, das Auto mal wieder ziemlich
voll gepackt. Die Fahrt nach Heiligenhafen dauert etwas mehr als fünf
Stunden, gegen 11 Uhr bin ich auf dem Parkplatz von Boat & Living. Auf
der Autobahn nichts Aufregendes, ein kleiner Stau irgendwo, habe ich schon
vergessen. Es war einigermaßen voll. In Heiligenhafen-Ortmühle
nieselt es leicht, der Himmel ist grau, grau, es ist neblig, diesig,
Windstärke ca. 4 Bft.
Bis viertel vor zwei Uhr habe
ich jetzt Zeit, den Mast fertig zu machen, d.h. die Salinge (Querstangen
vom Mast, die den Wanten Stabilität geben) anzuschrauben, die Antenne
und die Windfahne anzubringen und all die Seile und Wanten freizumachen,
die nachher beim Aufstellen des Mastes auf dem Mastfuß benötigt
werden. Gegen zwölf kommt das Boot auf dem Hubwagen, d.h. der Bock
liegt auf dem Hubwagen, das Kranen geht ohne Probleme vor sich. Das
eingespielte Team von Boat & Living hat die Sache im Griff. An Bord
sieht es aus wie bei Hempels unterm Sofa, eigentlich noch schlimmer:
über den Winter sollte ja alles austrocknen können. Also waren
alle Schapps (Fächer in den Seitenwänden) geöffnet, die
Polster und Abdeckplatten quer gestellt, und der Inhalt ergoss sich
über die ebenfalls geöffneten Schapps am Boden. Und das im
Vorschiff und in der Kajüte. Aber die Werkzeugkästen waren an
ihrem Platz unter der Treppe, die Antenne und Windanzeiger lagen auf dem
Tisch, so wie et sein muss.
Am meisten Chaos boten
eigentlich die Küchenutensilien, aber das ist ein ganz besonderes
Kapitel, Richtung Ganz Dünnes Eis!! Jedenfalls dauerte es dann nach
dem Maststellen nicht mehr lange, bis so einigermaßen ein
Überblick in der Kajüte hergestellt war. Nach dem Maststellen
wurde dann noch der Motor gewartet, Öl- und Kraftstofffilter, und
Ölwechsel. Ich muss mich ja auf den Motor 100%-ig verlassen
können. Typisch war wieder mal, dass ich nicht mehr wusste, wie die
zwei Bordbatterien angeschlossen werden sollten: Plus-Pol links oder
rechts? Ich wusste nur, dass es in einem meiner "de Widzi"-Bordbücher
stand, aber in welchem? Und natürlich habe ich trotz Suchen nichts
gefunden. Dabei stand es im Bordbuch von 2013. Alles sauber und ordentlich
notiert, Plus-Pol rechts, also eigentlich "ganz einfach".
An Bord dann wieder
aufräumen und einräumen. Nicht zu vergessen der Kampf mit den
Überzügen der Schaumstoffmatratzen: die zwei kleineren
Hälften gingen ja noch, das große vordere Dreieck machte aber
Probleme: vor allem wenn der Reißverschluss keinen Hebel mehr hat und
ich mit der Zange ziehen muss. Aber das waren noch die kleineren Probleme.
Schwieriger war dann am nächsten Tag die dicken Fallen (Seile, die von
der Mastspitze nach unten fallen [keine Ahnung, ob die Erklärung
stimmt?!?] durch die engen Öffnungen der Fallenstopper zu kriegen.
Kein Schmiermittel und auch kein Pril halfen. Mit einem Trick habe ich mir
dann doch geholfen: das Ende mit einer festen, dünnen Schnur
(Drachenfliegerschnur) ca. einen Zentimeter fest umwickeln, die Schnur dann
an einem flexiblen Schlauch festmachen, den Schlauch durch die Öffnung
des Fallenstoppes zu ziehen und jetzt mit der Schnur das dicke Tau durch
die Öffnung. Hat mich zwar etwas Haut am Finger gekostet und einige
Druckstellen am Armgelenk beim Versuch, mit einem Schraubenzieher zu
drücken, aber egal. Mit einer Dose Chilli con carne habe ich mir dann
ein erstes warmes Abendessen zubereitet.
Der nächste Tag,
Mittwoch, fängt früh an, d.h. so gegen acht Uhr Aufstehen,
erstmal Katzenwäsche, Frühstück machen, dann richtig waschen
und wieder aufräumen, den Baum anbringen, das Großsegel, die
Fallen durch die Fallenstopper führen, die Reffleinen (dieses Jahr
kein Problem!), das Vorsegel, die Leine zum Einziehen des Vorsegels und und
und. Es geht Schlag auf Schlag, gegen Nachmittag eine Tasse warmen Tee und
zwei Stücke Mohnkuchen, dazwischen mal eine Banane. Gegen Nachmittag
kommt immer mehr die Sonne durch, dann sieht das Ganze doch schon wieder
viel freundlicher aus. Beim Aufklaren der Leinen fällt mir auf, dass
unter den Mast die Fall für den Gennaker (großes, bauchiges Segel
für schwachen Wind) eingeklemmt wurde, weder das Team von Boat &
Living noch ich habe es bemerkt. Also muss jetzt das Achterstag (Drahtseil
von der Mastspitze zum Heck) sowie die Wanten an der Backbord- (oder
Steuerbord)-Seite gelöst werden. Dabei hatte ich die doch gerade eben
mit dem Meterstab genau eingestellt. Hilft alles nicht, das Tau löst
sich nicht, also die Wanten locker gemacht, die Wantenspanner bis zum
Anschlag gelöst, und das Tau lässt sich freimachen. Jetzt wieder die Backbordwanten neu
einstellen (zwei Drahtseile) und das
Achterstag.
Gegen Abend bin ich für heute fertig, mir tun
die Knochen weh und ich frage mich, wie eingerostet ich wohl
wäre, wenn ich keinen Sport treiben würde. Dazwischen immer
wieder zum Auto, was holen, was zurückbringen usw. usf. Eine
Menge Kleinigkeiten, mehr als nur einen schwimmenden Wohnwagen
einzurichten, es ist ja mein Zuhause für
wenigstens drei
Monate.
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Abb. 3: de Widzi in Heiligenhafen |
Donnerstag, das
Anfangsprogramm wie gehabt, dann letzte Besprechung mit der Chefin und der
Sekretärin von Boat&Living. Gegen viertel vor elf verlasse ich den
Hafen, beim Ablegen hilft mir noch ein Segler, und dann bin ich ganz allein
auf der Hafenzufahrt zur Marina Heiligenhafen. Zwanzig Minuten später
im Hafen, suche den Steg vom letzten Jahr, da war es schön
windgeschützt. Finde den Steg 8, fahre in die Gasse zwischen Steg 8
und 7 hinein und suche einen freien Liegeplatz. Nr. 23 hat ein grünes
Täfelchen. So, jetzt das erste Anlegen in einer Box, gegen den Wind,
klappt auch ganz gut, bin aber zu schnell und aufgeregt, vergesse die
Heckleine auf der Luvseite (die Seite, die dem Wind zugeneigt ist), dann
verklemmt sich eine Achterleine des Nachbarschiffes unter meinem Anker,
schnell wieder flottmachen, und ich ziehe mich an der Reling des neben dran
liegenden Schiffes nach vorne.
Erst mal eine Vorleine festgemacht, dann nach
hinten schieben. Vorleine ist zu kurz, also wieder ranziehen an den
Steg, mehr Leine geben, festmachen, aufs Boot und wieder nach hinten
ziehen. Erst die eine, dann die andere Heckleine, jetzt wieder nach
vorne, an den Steg ziehen, jetzt ist die Achterleine zu kurz, also
wieder nach hinten, mehr losgemacht, wieder nach vorne, an den Steg
rangeholt, und endlich kann ich
beide |
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Abb. 4: Kajüte nach dem ersten
Aufräumen |
Leinen festmachen, dann
die Achterleinen stramm ziehen und ebenfalls festmachen. Also ein
Anlegemanöver, nicht aus dem Bilderbuch, ich muss noch viel lernen, um
alleine klarzukommen. Trotz aller Videos von Duncan Wells, trotz allen
Vordenkens, es geht eben doch nichts über Wissen aus praktischen
Erfahrungen.
Der Rest des Tages:
Hafengebühr und WLAN bezahlen, Auto holen, einkaufen, zwischendurch
dann wieder eine Tasse Tee und Kuchen, den mit dem Mohn, und Mails
empfangen, vorher Virenschutzprogramm aktualisieren, telefonieren mit der
Liebsten zuhause. Dann den Bericht schreiben, allmählich zur Ruhe
kommen, eingewoben in die Musik von Dream Theater (für die ich ohne
jede Skrupel Werbung mache). Danach ein einfaches Abendessen, draußen
regnet es inzwischen. Die Sonnenplane gespannt, ja jetzt eigentlich
Regenplane. Jetzt ist es schon wieder nach neun Uhr, alles geschafft, alles
hingekriegt, aber es ist schon ein komisches Gefühl, so alleine auf
dem Boot zu sein. Meine bessere Hälfte fehlt mir einfach, ihr Lachen,
ihr freundliches Gesicht, die gute Laune, die sie verbreitet, ihre
Berührungen, der Klang ihrer Stimme, einfach alles. Aber ich habe es
ja so gewollt, jetzt brauche ich auch nicht zu klagen. Ich bin ja nicht aus
der Welt.
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Dienstag, den 1. Juni
Inzwischen ist schon wieder ein
Wochenende vergangen, das interessant und aufregend war: Besuch bei meiner
Schwester in Berlin und Besuch der Familie meiner Tochter, mit den beiden
Enkeln, inzwischen vier Jahre alt, das Mädchen, und ein Jahr, der
Junge. Aufregend, die Kleinen, so viel Leben, so viel Energie!!! Ich
bemerke mein Alter und werde nachdenklich. Aber das soll jetzt nicht
vertieft werden, schließlich geht es hier ja um eine
Segelreise.
Heute habe ich eine besondere
Premiere geschafft: Ab- und Anlagen ganz alleine, ohne jede Hilfe von
außen. Und ohne Zusammenstoß mit anderen Schiffen, bei
mittelstarkem Wind immerhin 4 Bft im Hafen.
Und so geht es (ich könnte
auch sagen, bis hierher reicht mein Erfahrungshorizont): erst mal das
Stromkabel lösen (war der einfachste Teil), dann von der achterlichen
Winsch ein langes Tau um die vordere Klampe auf der Luvseite, von dort
über den Poller und außen zurück an die Winsch, also eine
Spring. Jetzt wird zuerst die Vor(der)-leine auf der Leeseite, der dem Wind
abgeneigten Seite, gelöst, dann die Vorleine auf der Luvseite, der dem
Wind zugeneigten Seite. Das Schiff wird jetzt von der Spring auf der
Luvseite gehalten. Motor an und mit Standgas und Ziehen an den Achterleinen
zu den Pollern. Ich ziehe mich zur Luvseite, das Schiff treibt dann auf die
Leeseite. Der Wind kommt achterlich von backbord. Die Achterleine leeseitig
lösen, die Yacht zur Luvseite ziehen und die zweite Achterleine
lösen. Jetzt bin ich zwischen den beiden Pollern und kann mit
Rückwärtsgang und langsamen Loslassen der Spring mich aus der Box
ziehen. Das war der einfachere Teil.
Zwischendrin, im Kanal zwischen
den beiden Stegen, muss ich die Leinen umdrehen, damit die Augen (Schlaufen
am Ende der Leine) mit den Ruckdämpfern bei den Pollern festgemacht
werden können. Zwischendurch achte ich drauf, vom Wind nicht zu sehr
abgetrieben zu werden und langsam geradeaus zu fahren. Nachdem die Leinen
klar sind, fahre ich mit Standgas zum Steg 9, meinem neuen Liegeplatz, zur
Box 3. Der Wind hat inzwischen wieder etwas aufgefrischt, aber jetzt gibt
es kein Zurück mehr. Kurz nach der Box drehe ich nach links, damit ich
wenigstens etwas gegen den Wind fahre. Er wird mich sowieso nach rechts
drücken, also komme ich schräg nach links in die Box rein. Da ich
die Kurve einen Bruchteil Sekunde zu spät genommen habe, stoße
ich an den rechten Poller, aber das ist egal. Dadurch wird das Schiff
langsamer, ich habe Zeit, die luvseitige Achterleine um die Halterung am
Poller zu legen. Mit dem Enterhaken ziehe ich mich jetzt nach vorne an der
Leine, die die Boxen voneinander abtrennt. Vorne ganz jetzt in aller Ruhe
festmachen, mit viel Leine, weil ich ja nochmals zurück muss zum
leeseitigen Poller. Auch der bekommt eine Leine, mit der Vorleine ziehe ich
mich an den Steg und mache fest. Die leeseitige Vorleine kommt danach. Mein
zweites alleiniges Ablege- und Anlegemanöver, diesmal schon besser als
das erste. Ich bin zufrieden mit mir, es kann noch besser werden, aber
für's erste war das schon ganz gut.
Ansonsten vergehen die Tage mit
Einrichten, dem Bett vorne in der Eignerkabine einen neuen Lattenrost
bauen, damit die Feuchtigkeit besser aus dem Schaumstoff diffundieren kann,
aufräumen, den Funk abhören, viel Gerenne zum Hafenmeister (der
wollte sich um einen neuen Platz kümmern, die heutige Hafenmeisterin
wusste aber nichts [ohne Kommunikation ist eben alles nicht!!!], zwischen
durch mal neue Lebensmittel kaufen usw. Da während der Wochen von
Montag bis Freitag in der Hohwachter Bucht Schießübungen der
Bundeswehr und -marine stattfinden, kann ich sowieso erst an einem
Wochenende weiter. Und so werden noch einige Tage vergehen, bis die Reise
tatsächlich losgeht.
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Dienstag, den 7. Juni
Endlich sind wir, d.h. jetzt
meine liebe Frau und ich, wieder in Heiligenhafen. Montags sind wir
über Bremen - kurzer Abstecher bei Barbaras Sohn - nach Heiligenhafen
gefahren - eine im großen und ganzen nicht besonders anstrengende
Fahrt. Ganz anders als die am Donnerstag die Woche zuvor: weil ich noch
Kleidung und meine Gitarre samt Noten zuhause lassen musste, das Auto war
voll und sollte letztendlich ja wieder zurück, drei Monate stehen
lassen hatte uns schon einmal eine Batterie gekostet und Barbara braucht es
ja zuhause, musste ich also Donnerstags zurück. Ab Münster im
Dauerregen, und das heißt wegen des zerwirbelten Wassers auf der
Fahrbahn im Blindflug. Erstaunlich, was sich vor allem Fahrer PS-starker
Limousinen und SUVs zutrauen: mit Null-Sicht bei Tempo 130 km/h oder noch
mehr durch den "Nebel" rasen, dabei noch mehr "Nebel" hinter sich lassend.
Vor Duisburg kam ich dann endlich in den Stau: 14 km, weil zwei
Sattelzüge, ein Kleinlaster und ein PKW ineinander gefahren waren. Der
PKW wurde inmitten der Unfall-Fahrzeuge eingeklemmt, schreibt die WAZ vom
Samstag. Zum Glück gab es keinen Toten! Über die A42
auszuweichen, war auch keine gute Lösung, denn die war auch voll.
Kurzer Rede langer Sinn: mit ca. einer Stunde Verspätung kam ich nach
Hause, im Kopf die Gischt von der Fahrbahn und die Raserei meiner
"Mitspieler" im Feierabendverkehr.
Die nächsten Tage waren
dann wieder von Aufräumen und Gartenarbeit geprägt: weil die
starken Regenfälle am Niederrhein zwei Äste heruntergedrückt
hatten, mussten die gekappt und klein geschnitten werden, auch das Efeu am
Haus wartete auf die Heckenschere, und am Ende blieb mal wieder ein Sack
Efeu und ein großer Ballen Geäst und Laub übrig. Von den
anderen Aufräumarbeiten nicht zu reden. Und eigentlich wollten wir
Sonntag wieder nach Norden, aber dann brach Barbara eine Krone ab, so sie
also am Montag morgen erstmal zum Zahnarzt musste. Lauter kleine Hemmnisse,
aber ab halb zehn konnte es losgehen, zuerst - wie gesagt - nach Bremen,
dann Heiligenhafen.
Jetzt haben wir den ersten
Ausruhtag mit viel Rummikup-Spielen hinter uns, morgen muss wieder
eingekauft und die letzten Vorbereitungen für die erste Überfahrt
gemacht werden werden, Samstag oder spätestens Sonntag geht es dann
alleine nach Wendtorf, egal ob es regnet oder nicht, Wind bläst oder
Windstille herrscht. Ab Montag wird wieder geschossen, das würde dann
wieder eine Woche im Hafen bedeuten. Barbara wird dann Samstags
zurückfahren, dann kann sie beginnen, die Fahrt nach Norden, als
Einhandsegler, genügend Zeit und Raum um mich herum, all das zu
bearbeiten, was ich mir vorgenommen habe. Aber nicht nur Arbeit, auch die
Schönheit der Landschaft und der Küste, der See, soll zur Geltung
kommen, dann endlich wird sich die Fotostrecke mit Bildern
füllen.
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Samstag, den 11. Juni:
Wendtorf
Das Wetter kann für die
lange Überfahrt nicht besser sein: strahlender Himmel, am Horizont
über der Ostsee einige Wolken, kühle 14 °C, und etwas Wind.
Die Nacht war kurz, Aufstehen hart, aber es musste sein: heute, der
große Tag der Abreise. Schnell waren auch Barbaras letzte Sachen
gepackt, der Koffer schon gestern ins Auto gebracht, auf dem Weg zu unserem
Abschiedessen im "ANNO 1800". Ein empfehlenswertes Haus, klein,
schnuckelig, gemütlich, die Preise der Qualität und
Quantität angemessen. Unser letztes gemeinsames Abendessen für
längere Zeit, da sollte es schon was Feines sein!
Mittags auf dem Steg im Hafen
noch ein Erlebnis der besonderen Art: Leser trifft Blogger. Ich war gerade
dabei, die Leinen für das Vorsegel anzuschlagen, sprach mich ein
jüngerer Herr an, ja, er sei gerade an "de Widzi" vorgekommen, die
Seite im Internet würde er immer verfolgen, was es so Neues gäbe,
ob ich jetzt wohl losfahre. Daraufhin ein kurzes Frage- und Antwortspiel,
nein, morgen sei die Abfahrt, es gehe nach Wendttorf. Tja, so findet man
auf einmal seine Leser in einem Hafen wieder. Wird wahrscheinlich jetzt
öfters passieren, wenn die Seite mehr gelesen wird.
Doch zurück zur Abfahrt: Um
acht Uhr war dann alles klar, Barbara half mir dann noch beim Leinen
losmachen, dann an der Spring langsam zurück, d.h. ich zog an den
beiden Achterleinen, diese dann einigermaßen parat legen, die lange
Spring - ca. 25 Meter - einholen, Rückwärtsgang, dann langsam aus
dem Becken heraus. Barbara am Steg mitlaufend, letztes Winken am Kopf des
Steges und ich Richtung Ausgang des Hafenbeckens, an dem die lange Rinne
anfängt, die aus Heiligenhafen hinausführt. Es ist windig,
für den Kopf sehr kalt, ich habe die Mütze mit dem Sonnenschirm
und noch eine Wollmütze obenauf, in meinen Mantel eingehüllt
stehe ich am Steuer.
Kurz vor neun Uhr dann die Tonne
Heiligenhafen Nord. Dann der Test: Motor auf Standgas, Großsegel
hochziehen, es hakte hier, es hakte dort. Die "Lösung", mit dem
Gummiseil das Ruder auf Kurs zu halten, funktionierte nicht wirklich,
meistens blieb das Segel am Lazy Jack hängen, das sind seitlich und
parallel zum Segel gespannte Leinen, die das Segel auffangen, wenn es
wieder runter genommen wird. Aber irgendwann ist das Groß endlich
oben, jetzt noch das Vorsegel. Das Ergebnis war jedoch enttäuschend:
ca. 2,5 bis 2,8 Knoten Fahrt. Selbst bei 3 Knoten hätte ich dann ca.
10 Stunden bis Wendtorf gebraucht, entschieden zu lange. Ungefähr eine
Viertelstunde halte ich das aus, so dahin zu schleichen, dann kommen die
Tücher wieder runter. Auch das klappt nicht anstandslos: beim Vorsegel
ist der Leinenvorlauf in der Trommel zu gering, so dass es sich nicht ganz
einholen lässt. Die Sorg- oder Rückholleine für das
Großsegel klemmt wieder bei der Lampe fest, da muss eine andere
Lösung her. Angeleint muss ich aufs Deck, um das Segel runter zu
ziehen. Da aber kein großer Seegang war, vielleicht 1-2, die
Wellenhöhe noch nicht einmal ein halber Meter, war das nicht wirklich
gefährlich.
Nach mehreren Tonnen und einige
Seemeilen später - auf der linken Seite das Land, nur wenige
Einzelheiten sind sichtbar, rechts die große weite Ostsee - gegen
vierzehn Uhr wird die Einfahrt in den Hafen Wendtorf sichtbar. Ich
orientiere mich an Seglern, die raus oder rein fahren. Vor der Einfahrt
kommt mir noch eine Regatta entgegen, aber ich bin schneller als sie. Auch
ein Großschiff kreuzt meinen Weg, genügend weit weg, um nicht
durchgeschüttelt zu werden von den achterlichen Wellen. Im Hafen ist
es dann entschieden windstiller, das Wasser ruhig, ich kann in Ruhe mir
einen Platz aussuchen: Steg 1 -5 sind für Gäste, der Rest wohl
Liegeplatzbesitzer. An Steg 5 finde ich ein grünes Schild, wohl so in
der Mitte des Steges. Die Plätze weiter vorn sind alle vergeben.
Langsam drehe ich gegen den Wind, fahre in die Box, "de Widzi" passt gerade
noch durch, dann schnell die leeseitige Achterleine und anschließend
die luvseitige. Der freundliche Nachbar von der "MANATU" hilft mir mit dem
Bootshaken, die Fender sind alle drin, er bekommt die Leinen zugeworfen und
macht fest.
Nachdem das Boot vertäut
ist, großes Aufräumen: Leinen ordentlich aufschießen, Segel
eintüten, den Leinenvorlauf für das Vorsegel neu einstellen,
Sonnenplane aufspannen, Tisch im Cockpit anbringen und dann zum
Hafenmeister. Es sind hier kurze Wege, unten im Gebäude ist der
Bezahlautomat, in mehreren Sprachen, mit interaktiver Tastatur und
natürlich Kartenzahlung. Es klappt alles ganz easy, hier braucht man
ein Chipkarte für die Toilette und zum Duschen, mit Guthaben und
Pfand, was man nicht verbraucht, bekommt man später wieder
zurück. Sogar kostenloses WLAN gibt es hier, wenn auch nicht das
allerschnellste.
Ja, jetzt bin ich in Wendtorf,
einer großen Marina, ein paar kleinere Ferien-hochhäuser nicht
all zu weit entfernt, teilweise noch im Bau, viel Hafen, viel Schiff,
ansonsten wenig los. Eine kleinen Eisbude gibt es hier, das war es schon.
Ein Hafen zum An- und Ablegen, aber kein Ferienort mit Hafen. Aber ich bin
ja sowieso auf der Durchreise, also keine Ansprüche. Sechs Stunden hat
die Fahrt gedauert, für 33 Seemeilen, also im im Schnitt 5,5
Knoten.
Nach einem kleinen
Schläfchen sitze ich hier, tippe und warte darauf, dass später
das Gäste-WLAN-Netz etwas freier wird, um den Bericht ins Netz zu
stellen, und denke nach, was heute eigentlich passiert ist. Schon
gewöhnungsbedürftig, so alleine zu fahren, keiner da, der einem
die "Bütterchen" reicht, mit Bonbons versorgt, darauf achtet, dass ich
genug trinke, der einen unterhält, am Einschlafen hindert, die Karte
studiert, nach Tonnen Ausschau hält, das Logbuch führt und und
und. Ich vermisse meine Copilotin, meine Navigatorin, den Maat und nicht
zuletzt, wenn auch am wenigsten, meinen Smutje. Tja, erst wenn etwas weg
ist, wird einem bewusst, wie wertvoll es/sie war/ist.
Vielleicht gewöhne ich mich ein bisschen daran.
Der Sonntag fängt
erst um 10 Uhr an, zwölf Stunden habe ich ohne Unterbrechung
geschlafen. Nach einem genügsamen Frühstück geht es zu den
Waschräumen, die recht ordentlich sind, die Toiletten etwas eng, aber
alles sehr sauber und gepflegt. Beim anschließenden Verlängern um
zwei Nächte - hier muss man bis 12 Uhr bezahlt haben oder den Platz
verlassen haben - funktionieren beide Karten am Bezahlautomat nicht. Also
mit Bargeld, jetzt habe ich dreizehn 2-€-Stücke in der
Geldbörse.
Der weitere Morgen und Tag
vergeht mit kleinen Reparaturen, da eine Schapp-Klappe, dort ein
Verlängerungskabel für den Betrieb des Cooler während der
Fahrt mit Motor. Die Wasserflaschen werden in den hinteren Bodenschapp
eingeräumt, da ist noch genug Platz. Und das Schiff hat etwas mehr
Gegengewicht zum Cooler auf der linken Schiffsseite. Die automatische
Steuerung findet sich auch nach einigem Suchen, für die Pinne habe ich
jetzt selbst eine Konstruktion "erfunden", mal sehen, was sie taugt. Und am
Nachmittag komme ich endlich - nach Jahren - dazu, meine Schlafanzugjacke
zu nähen.
Abends dann die erste einfache
selbst gekochte Mahlzeit, immer nur Butterbrote ist langweilig: Nudeln mit
Pestosauce, einfach, aber immerhin selbst gekocht. Feinheiten wie Salat
kommen beim nächsten Mal. Aber es hat geschmeckt und ich bin satt
geworden. Dank der Vorratsbeschaffung meiner lieben Frau, die das ganze
Mahl sicher viel frugaler zubereitet hätte. Bin eben nicht so der
Koch, "gekocht" habe ich in einem früheren Leben genug.

Dazwischen habe
ich viel Zeit nachzudenken, den Wolken zu zu schauen, der Musik von Dream
Theater zu lauschen, ein Mittagsschläfchen zu machen, emails abzurufen
und dies und das. Und am Bericht zu schreiben.
Morgen werde ich
noch hier bleiben , das Wetter ist nicht so prickelnd. Der Himmel mit
Wolken bedeckt, heute morgen hat es leicht getröpfelt, sonst war es
trocken. Keine Sonne, die Temperaturen so um die 18 °C. Auch die
nächsten Tage werden so sein, dazwischen immer wieder Regen, wenn auch
nicht so schwerer. Irgendein trockenes Zeitfenster muss ich dann erwischen
für die zweieinhalb Stunden bis Damp, dem nächsten Hafen. Dann
kommt Maasholm, Gelting Mole und dann endlich Dänemark. Aber von
Sommer ist noch weit und breit nichts zu sehen, der gestrigeTag war wohl
eine Ausnahme, hoffentlich nicht war das nicht
alles.
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Mittwoch, den 15. Juni:
Damp
Die Überfahrt nach Damp
nördlich der Eckernförder Bucht gestaltet sich problemlos.
Eingehüllt in Schlechtwetterkleidung - schließlich kann es ja
regnen - starte ich viertel vor neun Uhr. Das Ablegen klappt gut mit der
Spring auf der Steuerbordseite, der Wind hatte gedreht. Im Hafen ist das
Wasser nur leicht gekräuselt, es herrscht ungefähr
Windstärke 2 Bft aus Ost.
Gegen halb zehn bin ich schon an
der Tonne Kleverberg Ost. Die Ostsee zeigt sich von ihrer ruhigen,
gnädigen Seite: Seegang zwischen null und eins, nur die Dünung
zeigt den Atem des Meeres. Segeln lohnt sich nicht, die wenigen Schiffe
fahren alle mit Motor. Zudem muss ich auch schnell aus dem
Verkehrstrennungsgebiet der Kieler Förde, aber es sind keine dicken
Pötte sichtbar. Der Himmel ist grau, am Horizont verschwimmt die See
mit dem Nebel der diesigen Luft. Die Sicht beträgt höchstens zwei
Seemeilen, wie ein Schatten begleitet mich das Land der Kieler Bucht auf
der Backbordseite.
Kurz nach zehn Uhr - ich bin
zwischen am Stollergrund - wird es immer diesiger. Hätte ich keinen
Plotter, die Fahrt würde im Nebel stattfinden. So geleitet mich der
Leitstrahl des vorher eingegebenen Kurses auf dem Weg nach Norden. Nach
Westen löst sich die Ostsee im Nebel auf, ein Horizont ist nicht mehr
erkennbar. Doch nach ungefähr einer halben Stunde wird es heller, die
Sonne bricht durch, der Nebel lichtet sich, am Horizont werden erste
Einzelheiten sichtbar.
Gegen halb zwölf habe ich
eine Begegnung der besonderen Art: Ein Schweinswal taucht vor meinem Bug
kurz auf, um Luft zu holen, und schon ist er wieder weg. Ich suche das
Wasser ab, ob er nochmals aus den Fluten herauskommt, und er macht mir den
Gefallen: noch zweimal kann ich ihn beim Luft holen beobachten, zu schnell
für ein Foto, und trotzdem unvergesslich. Einen Schwarm konnte ich
nicht beobachten, vielleicht hat er sich auch verirrt.
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Danach taucht
schon die Betonburgen-Kulisse von Damp immer deutlicher werdend am Horizont
auf, ein guter Orientierungspunkt, wie er überall beschrieben wird.
Die Einfahrt wird sichtbar, gut gekennzeichnet durch die zwei
Molenköpfe. Ich orientiere mich an den ein- und ausfahrenden Booten.
Im Hafen selbst - nach einer schlauchförmigen Einfahrt - ist es
ganz ruhig.
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Abb. 5: Bettenburg in
Damp
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Ich fahre gleich ins Hauptbecken,
ist es doch wesentlich besser gegen Schwell geschützt als der
nördlich gelegene Vorhafen. Schon am zweiten Steg finde ich ein
grünes Schild, die Dalben stehen aber zu eng, ich komme nicht durch.
Etwas weiter am Stegende ist der Abstand breit genug. Langsam fahre ich in
der Box ein, Zeit genug, eine Heckleine festzumachen. Da die Box recht klein
ist, werde ich die zweite Achterleine nachher machen. Am Steg nimmt ein
freundlicher junger Mann vom Boot schräg gegenüber die Vorleine
entgegen, die drei Mann von "NiXmitX", die direkt gegenüber auf ihrem
Boot sitzen, schauen nicht mal her, ob hier jemand Hilfe gebrauchen
könnte. Kurz vor zwölf Uhr mache ich den Motor aus, drei
Stunden Überfahrt für 14 Seemeilen, etwas mehr als berechnet. Eine
gemütliche Fahrt, wenn auch zwischendurch im Nebel etwas
gespenstisch! |
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Das ist Damp, vom Hafen aus
gesehen: kein besonders schöner Anblick, aber windgeschützt, und
alles Einkaufsnotwendige in wenigen Gehminuten erreichbar. Einfach
praktisch, aber auch teuer: 18 € für eine Nacht. Da war Wendtorf
mit seinem Baustellen-Ambiente preiswerter. Aber was soll's, das ist eben
der Preis, den man zahlen muss. Wie heißt es doch so schön auf
dem Schild in der Kajüte: "Segeln ist die
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Abb. 6: Damp - die 2.
Hotelburg mit Ladenzeile
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teuerste Art, unbequem zu reisen!"
Wohl wahr!
Nach einer kurzen Ruhepause
geht es zum Einkaufen, frisches Obst, etwas Gemüse, Postkarten mit
Briefmarken, eine Sendung an meine liebe Frau mit ihrem vergessenen
Fotoaufladegerät - das war es schon. Eine Tasse Kaffee und ein
Apfelkuchen ist die Belohnung. Danach sitze ich am Bericht und den Fotos
dazu. Morgen geht es weiter nach Maasholm, das wir schon ganz gut
kennen.
Gerade prasselt ein
Gewitterregen von oben herab, gut, dass ich jetzt nicht auf dem Wasser bin.
Zwei mutige Kerle in einem offenen Kajütboot, so groß wie ein
Schwertzugvogel, sitzen jetzt hoffentlich in der trockenen Kneipe. Das wird
für die beiden eine nasse Nacht!
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Donnerstag, den 16. Juni:
Maasholm
Eigentlich wollte ich schon um
acht Uhr los gefahren sein, aber ein Blick aus dem Niedergang in den Hafen
belehrte mich eines besseren: Nebel rundum, die gegenüberliegenden
Hochhäuser nur in den ersten Stockwerken erkennbar. Wie muss es dann
erst draußen auf See aussehen? Also noch mal in die Koje, den Wecker
auf neun Uhr gestellt und Augen zu.
Drei Stunden später sieht
die Welt schon freundlicher aus: die Sonne scheint, stellenweise blauer
Himmel, einige Schönwetterwolken. Jetzt aber schnell, sagt meine
innere Stimme, die mich immer zur Eile antreibt. Bewusst versuche ich
dagegen zu setzten, langsam zu machen, ohne zu trödeln,
entschleunigen. So dauert es bis kurz vor halb elf, dann ist alles
vertäut, verstaut, aufgeräumt ist. Sogar noch ein Brot
einzukaufen war drin.
Draußen zeigt sich die See
von ihrer freundlichen Seite, wenig Wind und Seegang. Zum ersten Mal
benutze ich den Pinnenpiloten, die automatische Selbststeuerung: Kurs
eingestellt und das Gerät hält nach Norden. Nur mit der
achterlichen Welle hat es so seine Schwierigkeiten, die Kurslinie
ähnelt der Fahrt eines etwas angetrunkenen Seglers. Mal ein bisschen
weit nach steuerbord, dann wieder zum Ausgleich nach backbord, jetzt
Wiederholung. Aber bei achterlichem Wind und Welle schlingert das Boot so
wie so.
Knapp zwei Stunden später
bin ich im Hafen von Maasholm, den wir 2012 mehrmals besucht hatten. Vorbei
am Hafen von Olpenitz, einer großen Freizeitanlage mit mehr als
tausend Liegeplätzen - soweit geplant. Aber man sieht keinen
Mastenwald, die Häuser ähneln mehr noch Baustellen, auch wenn
einige fertig sind. Ein Segler kommt aus dem Hafen, das war es dann auch
schon. Nach Jan Werner sollte die Anlage 2015 fertig sein, man darf
gespannt sein, wann sie in Betrieb genommen wird.
Ab Schleimünde geht es
immer schön den Tonnen nach, kein Schnippeln und Abkürzen, rechts
lauert eine große Untiefe. Im Hafen finde ich am zweiten Steg einen
Platz, das Anlegemanöver klappt ohne Probleme, ich brauche keine
Hilfe. Aber es ist auch kein Wind im Hafen, in so fern kein
Kunststück. Kaum habe ich alle Leinen aufgeräumt, fängt es
schon an zu tröpfeln. Ich schaffe es gerade noch, die Regen- und
Sonnenplane festzumachen, da donnert es schon von oben herab. Mal wieder
Glück gehabt, ich hatte nämlich auf dem Wasser keine
Regenkleidung an. Sie lag zwar bereit unter Deck, aber in der Sonne
wäre mir das zu warm gewesen.
Da der Hafenmeister geschlossen
hat, mache ich nach einem kurzen Snack erstmal ein Päuschen, dann
kommt Bezahlen und alles andere. Als auch das erledigt ist, die Preise
für eine Übernachtung halten sich bei maßvollen 13 €,
schreibe ich meinen Bericht. Ja, heute war nicht viel los, aber wieder ein
Stück weiter, neun Seemeilen in knapp zwei Stunden. Jetzt kommt als
nächstes Gelting Mole und dann Dänemark.
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Am Abend gibt es die schon fast
traditionelle "Fish and Chips"-Mahlzeit am Stand im Hafen. Lange muss man
nicht warten, dann ist das Essen zubereitet. Schön heiß und
fettig, natürlich mit Mayonaisse und Remouladensauce. Am Anfang
schmeckt es meistens ganz lecker, das Ende zwinge ich mir fast rein nach
dem Motto "Zu schade zum Wegschmeißen." Jedenfalls der Platz vor der
Bude ist voll, für Umsatz
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Abb.
7: Maasholm im Abendlicht |
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sorgen auch
einige Schüler aus den im Hafen festgemachten Traditionsseglern aus
den Niederlanden und Kappeln. Erinnerungen werden wach an die einstigen
Fahrten im Ijssel- und Markermeer, zwei- oder dreimal war in solchen
Aufgaben unterwegs. Doch das war in einem früheren Leben, es ist lange
her!
Vom Freitag gibt es
nichts Aufregendes zu berichten, hin und wieder gibt es Schauer, der Wind
pendelt zwischen 4 und Bft aus West, meistens scheint die Sonne, es wird
wärmer. Ich arbeite an meinem Buch und habe viel Zeit zum Nachdenken
und Gitarrespielen.
Samstagsmorgen die erste
Überraschung der etwas unangenehmeren Art: Ein ziemlich großer
Sicherungsring liegt unschuldig auf dem Vorderdeck, direkt neben dem Mast.
Wo kommt der her? Eine Überprüfung der umliegenden Ringe ergibt:
es fehlt keiner! Also erst mal einstecken, und das Gehirn arbeiten lassen.
Nach dem üblichen Procedere muss ich meinen Liegeplatz um zwei Tage
verlängern. Dann ist Treibstoff von der Bunkerstation zu holen, auch
frisches Obst und Gemüse gehört mal wieder auf den Speiseplan.
Als dies alles erledigt ist, steht ein kleines Päuschen auf dem Plan.
Da, in den letzten Zügen meines Mittagsschläfchens kommt die
Lösung an die Oberfläche meines Bewusstseins: Der Ring konnte nur
von oben kommen, aus der Halterung der Rollfock am Mast. Als nächstes
wird sich dann der Bolzen herausarbeiten, die Rollfock hängt am
Genuafall und schlackert hin und her, ist also nicht mehr bedienbar. Also,
nichts wie ab zum Hafenmeister. Er sichert mir zu, dass ich am Montagmorgen
an den Mastenkran kann, zehn bis elf Meter über dem Wasser. Der Mast
ist zwölf Meter hoch, über Wasserlinie. Ich bin gespannt, wie das
ausgeht. Schlimmstenfalls muss der Mast gelegt werden, aber vielleicht geht
es einfacher. Wie sagt doch Murphy: "Was schief gehen kann, geht schief."
Und: wenn mehrere Sachen in die Hose gehen, passiert auch
das!
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Montag, den 20. Juni: Gelting
Mole
Der Montagmorgen fängt
erst mal an wie aus dem Bilderbuch geschnitten: blauer Himmel, selbst im
Hafen ziemlich Wind, kaum Wolken, etwas Wärme. Man könnte meinen,
wenn es so weiter geht, wird das ein guter Tag. Aber wir werden
sehen!
Um neun Uhr bin ich mit dem
Hafenmeister am Kranturm verabredet. Den vor dem Steg liegenden Baumstamm
hat er freundlicherweise bereits weggeräumt. Als ich aus der Box raus
fahre, drückt mich der starke seitliche Wind so gegen die Pfosten,
dass ich kaum rauskomme. Das Schiff will nicht mit dem Heck in den Wind
gehen, trotz Rückwärtsfahrt. Heftiges, nervöses Rangieren
auf der Stelle ist die Folge, ich komme kaum frei. Aber das ist erst der
Anfang.
Die Anfahrt auf den Steg, der
ebenfalls im Wind liegt, geschieht im Leerlauf, so stark bläst es von
hinten. Als ich vor dem Steg die Kurve nach backbord fahre, knallt der
Steven auf den Holzsteg. Schlimme Erinnerungen fluten mein Gedächtnis,
aber es ist nicht passiert, außer dass der Anker sich mit seinen
Zargen ins Holz "eingegraben" hat. Zum Glück ist die am Steven
befestigte Bugstange, die die Trittplattform trägt, nicht eingeknickt
worden. Endlich bin ich seitlich am Steg, immerhin war ich so schlau, fast
alle Fender auf der Steuerbordseite auszubringen. Und die habe ich dann
auch mehrfach gebraucht.
Als das Boot fest liegt und der
freundliche und verständnisvolle Hafenmeister die Trittleiter zum
Kranturm aufgeschlossen hat, steige ich die Leiter hoch, senkrecht,
bewaffnet mit Werkzeug, Splintringen und Bolzen, und einer Leine, ist die
Mastspitze selbst doch gut fast zwei Meter von der obigen Plattform
entfernt. Aber schon auf der Höhe der Aufhängung der Rollfock
sehe ich, dass nix fehlt: alle Splintringe und Bolzen sind da, wo sie sein
sollen. Es ist nichts kaputt. Das wirft weiterhin die Frage auf, woher der
Splintring kam.
Beruhigt klettere ich wieder
nach unten und gebe dem Hafenmeister Bescheid, dass der den Turm wieder
abschließen kann. Und dann überlege ich, wie ich jetzt gegen den
Wind vom Steg wegkomme, also der Wind steht genau seitwärts auf dem
Boot. Vor mir habe ich ca. drei Meter Spielraum, dann beginnt dort der
Zugang zum Steg. Wie ich es auch anstelle, gegen den Winddruck komme ich
nicht an. Ich ziehe mich in die hinter mir liegende Box zurück, und
unternehme von dort aus mehrfache Anläufe. Inzwischen habe ich auch
schon Zuschauer, die Hafenkino pur erleben, nur bin ich diesmal der
Schauspieler und nicht der Zuschauer. Endlich, in einer kleinen
Böenpause komme ich knapp um die Kurve, keine dreißig Zentimeter
am Steg vorbei. Die Ausfahrt liegt vor mir, ich kann endlich auf die
Schlei.
Eine halbe Stunde später
bin ich in Schleimünde, der Mündung der Schlei in die Ostsee. Vor
mir die gleichnamige Tonne, die ich noch ansteuere, dann geht der Kurs
erstmal streng nach Norden. Jetzt kann ich das Vorsegel aufmachen, mit
Karacho rauscht es aus, der Winddruck von fünf Bft, in Böen
sechs, sorgt für Tempo auf dem Boot. Mit achterlichem Wind
schießt die Yacht nur so durch die Wellen, wenn auch ziemlich
schaukelig, weil die schnelleren Wellen immer wieder das Schiff
unterrollen. Zum Glück scheint die Sonne, es bläst nicht gerade
warm um die Ohren, die blaue Kappe fällt immer wieder runter, manchmal
löst sich auch das Bändsel, mit dem sie an der Jacke festgebunden
ist. Inzwischen habe ich längst festes Segelzeug angezogen, nur die
Gummistiefel nicht. Und das war gut so, auf die Dauer wird es richtig
kalt.
Nach einer Stunde geht der Kurs
weiter nordwestlich, auf den Leuchtturm Kalkgrund zu, der das Ende einer
langen Untiefe kennzeichnet, die sich vom Land in die See nach Norden
hinzieht. Das Vorsegel wechselt den Bug, jetzt fährt das Schiff
ausgeglichener, stetiger, mit satten sieben Knoten, in Böen acht. Wenn
von hinten die Wellen heranrauschen, um unter dem Schiff durchzutauchen,
gibt es jedes mal einen kurzen Stopp und dann einen Sprung nach vorne. So
geht das fast zwei Stunden, der Wind behält seine Kraft, die Wellen
ebenso. Die See hat sich ziemlich aufgebaut, die letzten Tage war immer
Westwind und jetzt aus Süden, da braut sich was zusammen.
Bei der Tonne Flensburger
Förde geht es in einem Bogen gen Westen, jetzt ist es aus mit der
Segelei, der Wind kommt immer mehr von vorne, so dass Am-Wind-Kurs gesegelt
werden müsste. Die Wellen knallen jedoch immer vorlicher gegen das
Boot, es geht auf und ab, von unten höre ich, wie Zeugs durcheinander
fliegt, der Kühlschrank macht sich locker und kippt nach vorne. Zum
Glück ist nichts kaputt, nur in der Kajüte wird es nass, es
wäre doch besser gewesen, das Seeventil der Spüle zu
schließen.
Die nächsten eineinhalb
Stunden sind dann kein Zuckerschlecken mehr: der Wind bleibt, nimmt sogar
eher noch zu, wird kälter, die Wolken werden immer dichter, der
Wellengang nimmt zu. Jetzt fahre ich mit Motor gegen Wind und Welle, diese
schräg zu schneiden vermeidet wenigstens das heftige Auf- und
Niederknallen des Buges und des Rumpfes. Immer wieder bekomme ich von vorne
eine salzige kalte Dusche in Gesicht. Zwischendurch entlastet mich die
Selbststeuerungsanlage, so dass ich wenigstens mal ein Bütterchen
essen kann. Endlich ist Gelting Mole sichtbar, der Mastenwald vor dunklem
Waldesgrunde. Aber wo sind die Tonnen? Rechtzeitig in letzter Sekunde sehe
ich noch die rote Tonne, die die Einfahrt kennzeichnet, dann auch das
grüne Gegenstück und die restlichen Tonnen der Einfahrt selbst.
Aber mit dem Tonnenstrich habe ich so meine Schwierigkeiten, ich
übersehe, dass der ganze Weg einen Bogen macht und ehe ich mich
versehe, stecke ich im Schlick. Zum Glück weich, kein hartes Stoppen
wie auf einer Sandbank. Mit langsamem Rückwärtsgang komme ich
wieder frei und in die Fahrbahn.
Endlich bin ich an den
Molenköpfen vorbei, und will eigentlich zum Steg fünf fahren,
weil dieser am nächsten dem Hafengebäude liegt (wegen der
Qualität des WLANs vor allem). Da geht auf einmal der Motor aus. Was
ist jetzt? Neustart, er springt ohne Probleme an, aber wenn ich den Gang
einlege, wird er sofort abgewürgt. Inzwischen sind schon einige
Anlieger auf mich aufmerksam geworden, wie ich da an einem Pfosten
festmache, und die Maschine immer wieder ausgeht. Ein aufmerksamer
Beobachter der Lage ruft mir zu, dass die Vorleine sich wohl um die
Schraube gewickelt habe, jedenfalls führt sie stramm am Rumpf vorbei
nach hinten unten und verschwindet im Wasser. Ich gehe nach vorne, an der
Leine ist nicht zu ziehen, sie sitzt in der Schraube. Mit Hilfe der
freundlichen Anlieger komme ich in eine freie Box, jetzt erstmal
festmachen, aufräumen, Pause machen, dann Hafenmeister und alles
Andere.
Kurz nach drei Uhr ist der
Hafenmeister auch schon in seinem Büro, nach Bezahlung des Liegegeldes
geht er mit mir zu zwei jungen Männern, von denen der jüngere ein
Taucher ist. "Taucher oder Kran, das erstere kostet 50 Euro, das letztere
90 Euro", so seine Darstellung der Alternativen. Da fällt die Wahl
wohl nicht schwer! Der junge Mann, er redet mich ganz
selbstverständlich mit "Du" an, fährt dann nach Hause, holt seine
Ausrüstung, und nach einer Stunde ist er schon wieder da. Mit voller
Montur, Taucherbrille, wasserdichtem Anzug, Sauerstoffflasche, Bleigewicht
und einem Messer bewaffnet, taucht er ins Hafenbecken ein, unter den
Saildrive und macht die Leine los. "Hat sich schön drum rum gewickelt,
mit einigen Knoten drin", so seine Feststellung. Am Antrieb ist wohl nichts
kaputt gegangen, auch die Leine blieb erhalten.
So bin ich jetzt eine Erfahrung
reicher und fünfzig Euro ärmer, aber es hätte auch viel
schlimmer ausgehen können. Wäre mir das drei Stunden vorher in
der Geltinger Bucht passiert, ich hätte wohl einen anderen Hafen
anlaufen müssen, denn Gelting selbst wäre nur mit endlosem
anstrengendem Kreuzen erreichbar gewesen, und dann ab fünf Uhr im
Regen! Nicht wirklich lekker!
So, das wär's fürs
erste, weitere Erfahrungen kommen morgen. Erstmal eine lange Nacht
durchschlafen und das Erlebte verdauen, ich darf gar nicht daran denken,
was alles hätte passieren können.
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Nach 11 Stunden
ununter-brochenen Schlafes beginnt der Tag mit Sonnenschein, einem lauen
Lüftchen, einem gemütlichen Frühstück und allem
anderen, was zu so einem Morgen gehört. Nach dem Frühstück
räume ich erstmal die übrig gebliebenen Leinen auf, vorne gibt es
jetzt nur noch die kurzen Vorleinen, die langen kommen nach hinten. Noch
mal will ich das nicht erleben: Leinen in der Schraube.
Ich hatte mal wieder
unverschämtes Glück.
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Abb. 8: Yachthafen
Gelting |
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Dann mache ich das Fahrrad klar, und radle nach Gelting,
da soll es einen großen Discounter geben, den mit den vier Buchstaben
auf gelbem Hintergrund. Die Fahrt über einen extra Radweg dauert so
zwanzig Minuten, links und rechts Felder, Raps, Weizen, Gerste. Es riecht
nach Landwirtschaft, und frischem Heu. Auf der Straße nebenan fahren
dicke Traktoren mit noch dickeren Reifen und großen Anhängern mit
flottem Tempo, von den alten Landmaschinen ist hier nichts zu sehen. Die
gibt es dann im Bauernmuseum.
Am Orteingang sitzt der genannte Discounter, schnell
sind die letzten Vorräte für Dänemark eingekauft. Da ich
keinen Essensplan habe, entspricht die Auswahl eher dem Üblichen:
H-Milch, Tomaten, Bananen, verschiedene Käsesorten, Schwarzwälder
Schinken und ein frisches Brot. Voll bepackt radle ich
zurück.
Den weitere Nachmittag braucht das ausführliche
Studium der Wetterlage, der Kurs nach Sønderburg führt über
die ganze Flensburger Bucht, da will ich schon wissen, was gespielt wird.
Und wie lange kann ich dort bleiben? Was will ich mir
anschauen?
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Da der Abend so schön ist,
das Licht der Sonne noch so hell, einigermaßen warm, windstill, gibt
es einen kleinen Ausflug nach Gelting Wackerballig, einem urigen Hafen, der
über einen 200 Meter langen Holzsteg mit dem Festland verbunden ist.
Im Hafen eine Kneipe/Cafe' und jede Menge freie Plätze. Alles
sehr
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Abb. 9: Landbrücke zum
Yachthafen Gelting Wackerballig |
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ruhig, wären da nicht einige
Gäste auf der Sonnenterasse, die es sich schmecken lassen. Zurück
mit dem Rad auf einem steinigen Feldweg, gegen die untergehende Sonne, die
mich immer noch grell blendet, in den Geltinger Hafen, in dem ich der
langsam untergehenden Sonne zuschaue.
Am nächsten Morgen sieht
das Wetter wieder ganz anders aus: trüber, grauer Himmel mit
Regenwolken, aus denen es auch später leicht heruntertröpfelt.
Gut, dass ich die Abreise um mindestens noch einen Tag verschoben habe,
kein Reisewetter für mich. Der Blick in die Flensburger Bucht zeigt
eine diesige See, das gegenüberliegende Ufer nur verschwommen
erahnbar. So werde ich den Tag an Bord verbringen, mit Schreiben,
natürlich aufräumen und diesem und jenem. Auch wenn später
die Regenwolken sich verzogen haben und die Sonne scheint, das soll ein
ruhiger Tag werden.
Nachmittags gibt es wieder die
kleine Radtour nach Gelting, es fehlt noch dies und das, z.B. meine
Wasservorräte aufzufüllen. Ein Fahrradschloss ist leider nirgends
aufzutreiben, es gibt nur wenig Geschäfte in Gelting. Nach intensivem
Gitarrespielen und -üben entscheide ich mich, am Abend das
Hafenrestaurant "Sonne & Meer" aufzusuchen. Zumindest die Speisekarte
sah schon ganz gut aus. Ich bestelle Risotto mit Pfifferlingen und
Hähnchen "Kikok". Was mir dann allerdings auf einem ziemlich
großen Teller in sehr übersichtlicher Weise präsentiert
wird, schmeckt zwar einigermaßen, etwas salz- und gewürzlos, die
Handvoll Pfifferlingstückchen verstecken sich im Reis, einige kleine
Tomatenkügelchen dazu, das Fleisch hätte etwas würziger sein
können, aber vor allem: Mein Magen bleibt leer! Als ich dem Kellner
auf seine entsprechende Frage antworte, es sei "sehr übersichtlich"
gewesen, fragt er nach, ob es hätte mehr sein können. Ja, es
hätte deutlich mehr sein können, für den Preis allemal. So
gehe ich mit dem Gefühl zum Boot, dass nachher noch auf jeden Fall ein
Butterbrot oder sonst was drin sein muss. Mann will ja nicht hungrig zu
Bett gehen. Naja, vielleicht ist die Sonne, ein laues Lüftchen und die
Wärme eine kleine Entschädigung dafür. Auf jeden Fall,
sollte ich nochmals nach Gelting Mole kommen, dann nicht dieses Restaurant.
Wahrscheinlich werde ich dann so wie so Gelting-Wackerballig anfahren, das
liegt ja gleich um die Ecke.
Und morgen soll es losgehen,
nach Sønderborg, dann beginnt der Dänemark-Teil.
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Donnerstag, den 23. Juni: Sønderborg
Die
Überfahrt nach Sønderborg war leicht, nichts Aufregendes, kein
starker Wind, keine Welle. Kurz vor neun Uhr wird die Maschine gestartet,
im etwas windigen Hafen von Gelting macht es aber keine Probleme, aus der
Box zu kommen. Der freundliche ältere Herr von nebenan ist behilflich,
er führt die Vorleine, so dass ich meine Spring gar nicht richtig
benutzen muss. Draußen ist es diesig, die Sicht vielleicht zwei bis
drei Seemeilen. Es scheint ein wenig die Sonne, sie hat aber nicht die
Kraft, die Wolkendecke zu durchbrechen. Immerhin, es regnet nicht, ist auch
nicht zu kalt, so dass ich im Hemd in der Plicht sitze und aus dem Hafen
steuere. Diesmal ohne Bodenkontakt, immer streng den Tonnen
nach!
Draußen ist
der Wind so schwach, dass ich eine gute Stunde mit dem Motor fahre, dann
frischt es auf, die Welle wird größer, jetzt Seegang 2, einen
halben Meter hohe Wellen. Der Wind kommt günstig von der
Steuerbordseite, mir reicht das Vorsegel, ist es zudem ja auch
größer als das Groß. Mit vier Knoten im Schnitt gleite ich
langsam durch die Fluten, rings um mich kein Segler weit und breit, ich bin
allein in der Flensburger Bucht, in die die Geltinger Bucht
mündet.
Mit Hilfe der
Selbststeuerung genieße ich beschauliches Segeln, begleitet von den
Klängen von Metallica. Ihre Musik passt zwar jetzt gerade nicht so zum
Wetter, aber das Display des Abspielgeräts ist bei diesem Licht nicht
zu lesen, so dass ich nichts anderes auswählen kann. Der Kurs geht
immer schön 340 °, schnurgerade aus.
Kurz nach elf
Uhr erreiche ich die Marina von Sønderborg, ein Däne und ein
Deutscher hilft mir beim Festmachen. Dänische Hafenordnung: es gibt
nur eine Dalbe für die Heckleine, oder anders gesagt: zwei Boote in
eine Box. Etwas gewöhnungs-bedürftig. Mit einer Spring hinten und
auf der Steuerbordseite kann ich verhindern, dass der Anker vorne auf den
Steg knallt.
Danach kommt der
Bezahlautomat am Hafenkontor, weil er nicht funktioniert, springt der
Hafenmeister ein. Ich löhne erstmal für drei Übernachtungen,
will ich doch in der Stadt einiges anschauen, Schloss, Museum und anderes
in den Reiseführern lohnenswertes. Dann wird man
weitersehen.
WLAN
funktioniert ganz gut, ich kann meine Post abholen, und das Internet
für die Wetterdaten benutzen. Inwiefern das Hochladen von Dateien
funktioniert, wird sich noch zeigen, auch, ob ich eine dänische
SIM-Karte brauche für meinen Internet-Stick.
Jedenfalls, bis
jetzt alles gut; auch der Motor hat die ganze Zeit wacker mitgemacht,
anscheinend sind von der Schrauben-Umwicklung keine Schäden
zurück geblieben.
Der Nachmittag
vergeht in aller Ruhe und Gemütlichkeit, bei Regen zwischendurch, aber
auch Sonnenschein. Einige Segler haben so ihre Schwierigkeiten, mit den
weiten Abständen zwischen den Dalben zurechtzukommen, bei dem gerade
herrschenden Wind aus Ost. Die meisten nehmen nicht als erstes die
Luv-seitige Dalbe, sondern die Lee-seitige. Dadurch wird es schwierig, an
die Luv-seitige überhaupt ran zu kommen. Manch ein Schiff macht in der
Box, was es will, d.h. was der Wind will. Und die beiden deutschen Crews
denken dann auch folgerichtig, dass sie beide Dalben belegen könnten.
Was ein Irrtum ist, sieht doch eine Box zwei Schiff vor. Aber noch ist der
Andrang an Gästen sehr gering, der Fehler fällt also gar nicht
weiter auf. Auch beim Ablegen heute morgen - der Wind hat inzwischen
gedreht und kommt aus Süden - wird eine große Yacht mit fünf
Mann Besatzung so in der Box gedreht, dass sie nur parallel zum Steg
herauskommt. Zum Glück ist weder eine Dalbe noch ein Schiff im
Weg.
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Am
Freitag-Nachmittag fahre ich in die Stadt, einige Einkäufe und
Photos stehen auf dem Zettel. Der Weg führt durch einen Park, leider
ist die direkte Strandpromenade eine einzige Baustelle. Am Stadthafen
angekommen, führt mich der Plan, den ich im Hafenbüro bekommen
habe, in die Innenstadt mit den Geschäften. Es gibt mehr oder weniger
zwei bis drei Straßen, die mit Klamottengeschäften,
Telefonläden und Cafe's bzw. Restaurants gut
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Abb. 10: Alte Häuserzeile in
Sønderborg |
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bestückt sind. Viele alte Häuser sind
nicht zu sehen, in der Schlacht vom April 1864 wurde gut ein Drittel der
Stadt damals zerstört, den Rest erledigten die Dänen 1920 selbst,
als die Christians X. Bro gebaut wurde.
So komme ich auch schnell zu
meiner dänischen SIM-Karte. Die Unterhaltung läuft auf englisch,
mal sehen, was mir da angedreht wurde. Der Verkäufer ist immerhin so
freundlich, mir alles einzurichten und die Karte zu aktivieren. Das
nächste Geschäft ist eine Apotheke, in der ich gleich zu Beginn
auf eine neue Art des Einkaufens aufmerksam gemacht werde: Jeder Kunde
zieht einen Bon mit einer Nummer, auf mindestens sechs Bildschirmen
über den Kassen werden die Kunden dann dahin dirigiert, wo eine
Verkäuferin gerade frei ist. Später, in einer Bäckerei,
werde ich auf die gleiche Art zu einer Bedienung geleitet. Nur im
Fahrradshop - es braucht mal wieder ein neues Schloss - werde ich direkt
auf deutsch bedient.
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Danach
fahre ich zum Hafen, am Schloss ist gerade eine Creativ-Kunst-Woche "Wood
Sculpture 5. international symposium Sønderberg" am Laufen. An
Holzarbeiten werken verschiedene Künstler, z.T. mit Maschinen, die wie
Drehbänke aussehen, oder elektrisch betriebenen Schleifmaschinen. In
einem Zelt werden aber auch gebrannte Stücke gezeigt. Daneben im
Schloss war wohl heute ein Festtag, jedenfalls ist die ganze Stadt voll mit
jungen Leuten, die mit einer besonderen Mütze oder Kappe und einer Art
Uniform ihre Teilnahme am Fest ausdrücken.
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Abb. 11: Wood Sculpture 5. international symposium
Sønderberg |
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Überhaupt,
vor dem Rathaus, der ganze Platz ist eine einzige Gastronomiemeile. Heute
ist auch noch "Historischer Markt", eingebettet in die Ereignisse von 1864,
als die Preussen die Stadt zu Schutt und Asche schossen. "Am 22. und 23.
Juni wird der 'Kampf um Als' als die entscheidende Schlacht des Krieges von
1864 wieder aufgeführt. Es gibt einen Umzug durch die Stadt
Sønderborg, ein Soldatenlager in Kær Vestermark und die
Aufführung des Übersetzens (mit Booten) nach Als bei
Arnkilsøre mitten in der Nacht", heißt es auf der website der
Stadt Sønderborg http://www.visitsonderborg.de/de/sonderborg/vom-danewerk-nach-dybboel
.
Zeit genug, um ein kleines
Kapitel Geschichte einzuschieben:
Deutsch-Dänische
Geschichte in Kurzform
Frühes Mittelalter: deutsche und
dänische Herrscher einigen sich auf die Eider als Grenze ihrer
Machtbereiche: im Norden bleibt das Herzogtum Schleswig dänisches
Lehen, im Süden ist Holstein weiterhin deutsch, ab 1474 ebenfalls
Herzogtum. Im 13. Jahrhundert werden durch eheliche Verbindungen zwischen
den Herzögen beide Gebiete vereint.
1460 stirbt der letzte
Schauenburger kinderlos, die Ritterschaft wählt Christian I. zum
Nachfolger. Er muss schwören, dass beide Gebiete auf ewig ungeteilt
zusammenbleiben.
Mai 1840: Christian VIII.
verordnet, dass Dänisch Amtssprache in allen dänischsprachigen
Teilen Schleswigs wird: Beginn eines Sprachenkampfes. Deutsch gilt als
Sprache der Oberschicht, die "ungebildeten" Landbewohner vor allem sprechen
dänisch.
Aufkommender
bürgerlicher Chauvinismus und Nationalismus: Soll die
dänische Verfassung auch in den Herzogtümern Schleswig und
Holstein gelten und sie damit zu einem Teil Dänemarks machen? Die
Deutschgesinnten wollen dagegen eine gemeinsame Verfassung für beide
Herzogtümer und den Anschluss an den Deutschen Bund.
22. März
1848: Einverleibung Schleswigs in das Königreich Dänemark
durch Frederik VII.
Erster Schleswigscher
Krieg (oder Deutsch-Dänischer Krieg) 1848-50: Aufstand der
Deutschnationalen; der Krieg endet am 25. Juli in einer der blutigsten
Schlachten Nordeuropas auf der Idstedter Heide, westlich von
Schleswig: 10 000 Tote und Verwundete bleiben zurück. Ein sinnloser
Sieg für die Dänen: Frederik VII. bleibt Regent in den
Herzogtümern, die Monarchie in Dänemark wird
konstitutionell.
1863: Christian IX.
unterschreibt auf Druck der Regierung ein Gesetz, das die dänische
Verfassung auf Schleswig ausdehnt. Preußens Kanzler Bismarck setzt ein
24-Stunden-Ultimatum zur Rücknahme.
18. April 1864: In der
Schlacht an den Schanzen von Dybbøl, gegenüber von
Sønderborg, erleben die Dänen eine katastrophale Niederlage. Die
Preussen besitzen die besseren Waffen, von Krupp entwickelte
Hinterladergeschütze und fast die vierfache Überlegenheit. Die
Dänen sind mit ihren veralteten Vorderladern und ihren 9000 Mann
absolut unterlegen. Dänemark muss Schleswig bis zur Kongeå
(Fließgewässer in Jütland, verläuft nördlich von
Ribe an der Westküste und teilt das Land bis kurz vor Kolding) an
Preussen abtreten, zusammen mit 175 000 dänisch-gesinnten Menschen.
Die Dänen verlieren fast ein Drittel ihres Staatsgebietes. In
der Folge verlässt ein Drittel aller Dänen das Herzogtum, viele
in Richtung Amerika.
(Quellen:
Reise-Handbuch Dänemark, Ostfildern, 2014;
Jan Werner: Ostseeküste - Travemünde bis Flensburg,
Bielefeld 2011 und 2013; die Darstellung hier beschränkt sich auf das
Notwendigste und lässt z.B. die Rolle anderer Staaten ganz außen
vor.)
Mit
Museum war heute leider nichts: den ganzen Tag Regen, Regen, Regen. Mal als
Platzregen - im Hintergrund irgendwelche Gewitter - mal als feiner
Schnürlregen. Dann wenige Minuten Pause, in denen es nicht trommelt,
auf das Kajütdach, auf die Regenplane. Ich mache sogar die Sitze
trocken, aber alles umsonst. Nach einigen Minuten setzt er wieder ein, es
ist um Katzen kriegen, kein Wetter um nach draußen zu gehen. So bleibt
nur lesen, forschen, der deutsch-dänischen Geschichte nachspüren,
die zwei Kriege 1848-50/51 und den von 1864 in einen größeren
historischen Kontext zu stellen. Es ging ja letztlich um den Übergang
von Nationalstaaten zu größeren Gebilden. Und da war ja
Deutschland ziemlich im Hintertreffen. Erst die Märzrevolution 1848
brachte den Prozess in Gang, wobei man das eigentlich so nicht sagen kann,
weil solche Entwicklungen selten einen konkreten Anfang haben, sondern sich
ein Prozess aus dem vorhergehenden entwickelt. 1848 wird eben eher als
Markierung genommen, um irgendwo einen Anfang zu setzen. Und dann geht es
noch um die Bindungen zwischen Preussen und Österreich, das auch
kräftig mitgespielt hat. Diese "Ehe" ist ja dann im Deutschen Krieg
zerbrochen. Auch die Engländer und Russen spielen mit, die Franzosen
so wie so. Letztendlich ist das ganze ziemlich komplex, unterm Strich kommt
heraus, dass Dänemark ein Drittel seines Staatsgebietes verliert, nach
dem Verlust von Norwegen und anderen Landesteilen zu anderen Zeiten. Das
muss die Dänen sehr getroffen haben. Und deswegen ist es nicht weiter
verwunderlich, wenn gerade hier auf diesem historischen Boden der
Ereignisse immer wieder gedacht wird.
Morgen
will ich nach Dyvig, das ist ein Yachthafen schon ziemlich am Ende der
Insel Als. Dort soll in der benachbarten Stadt Nordborg eine ganz tolle
Ausstellung sein: Danfoss Universe. Der weltbekannte
Thermostatenhersteller, der aber wohl auch noch ein paar andere Dinge
produziert, hat dort eine Naturwissenschaften- und Technik-Schau.
Wahrscheinlich werden mir bei der Unmenge Schüler, die dort rumlaufen,
wieder so manche Gedanken kommen, man wird eben sein früheres Leben
nicht dadurch einfach los, in dem man in ein Segelboot steigt. Und die
Sonne soll mitspielen, jedenfalls die Fahrt bis dahin.
Inzwischen hat es aufgehört, zu nieseln
und zu nässen, zu plätschern und zu schütten, und nach viel
warmen Nudeln mit Pesto-Sauce bessert sich meine Laune. Nudeln machen eben
doch glücklich!
Auf
der Karte "Abb.
1: Der
südliche Teil der Reiseroute" ist übrigens der Stand
meiner Reise eingezeichnet.
Doch am Sonntag ist nichts mit der
Fahrt nach Dyvig, mein Bauchgefühl sagt mir, ich solle besser "zu
Hause" bleiben. So schlafe ich erst mal aus, bezahle später den
Hafenmeister, checke meine mails und besuche endlich das Museum im Schloss.
"Museum Sønderjylland - Schloss Sonderburg - Geschichte und Kultur des
Grenz-landes" befasst sich in drei Stockwerken "mit der Geschichte und
Kulturgeschichte des Grenzlandes. Die historischen Ausstellungen umfassen
u.a. die schleswigschen Herzöge, die schleswigschen Kriege von 1848-51
und 1864, die Zeit unter deutscher Herrschaft, den Ersten Weltkrieg, die
Volksabstimmung und die Wiedervereinigung 1920 sowie die Geschichte des
Schlosses und der Stadt Sonderburg," so der Flyer aus dem Museum.
Große Teile der Ausstellung sind dreisprachig, dänisch, englisch,
deutsch. Leider sind ganz entscheidende Teile nicht übersetzt worden.
Es werden jedenfalls mehrere Inhalte deutlich: Schleswig (und weniger
Holstein und Lauenburg) als Spielball und Zankapfel regionaler Herzog- und
Fürstentümer, wobei hier auch hin und wieder größere
Mächte "mitspielten". Wer mit wem und wie lange Bündnisse schwor
und hielt, sie brach, sich neue Koalitionen bildeten, durch
Eheschließung und Erbfolgen das Land gewechselt wurde ist schon sehr
beeindruckend. Zum zweiten die wirtschaftliche Bedeutung des Landes
zwischen Nord- und Ostsee, v.a. den Handel betreffend. Drittens die
Größe des Gebietes selbst: nach 1864 hatte Dänemark ein
Drittel seines Staatsgebietes verloren. Und dabei müssen die
Beziehungen Dänemarks zu seinen Nachbarn Schweden und Norwegen mit
berücksichtigt werden, die Politik Schwedens, ja sogar Russlands. Eine
im ganzen komplexe Gemengelage, von der ich jetzt erstmal genug habe.
Jedenfalls kann man danach gut verstehen, welches Trauma die Niederlage von
1864 ausgelöst hat und wie es noch heute verarbeitet wird.
Draußen in der Bucht vor der Brücke
herrscht großes Gedränge, knapp zwanzig Yachten, zum Teil mit
Großsegel, kreuzen davor und warten auf die Öffnung. Kaum ist die
Brücke auf, die Südwärtsfahrenden durch, strömt der
ganze Pulk nach Norden. Tja, wenn's morgen klappt, bin ich dann auch dabei.
Wobei vielleicht an einem Montag nicht so viel los ist. Das Wetter bessert
sich, die Sonne scheint jetzt kräftiger, aber immer noch viele Wolken
bei knapp 5 Bft Windstärke. In Böen auch mehr, aber das weiß
ja jeder.
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Montag, den 27. Juni:
Dyvig-Yachthafen
Heute ist ein guter Tag zum
Reisen, sagt mir mein Bauchgefühl, als ich um sieben Uhr aufstehe. Die
üblichen Routinen laufen ohne Hetze ab. Zwar will ich um neun Uhr den
Hafen verlassen, aber an der Christian X.-Brücke muss ich sowieso
warten. Aber es kommt anders. Schneller als gedacht bin ich fertig, der
junge Mann rechts von mir, mit dem ich mich gestern lange unterhalten habe,
hilft beim Ablegen, ebenso der ältere Däne, links von mir. So
komme ich glatt und ohne Rempeleien aus der Box, verlasse den Hafen und bin
in der Bucht vor Sønderborg, in der schon ein guter Wind weht;
Windstärke 4-5, in Böen darfs auch ein Bft mehr sein, dazu etwas
Seegang. In wenigen Minuten komme ich zur Brücke und zupp, da geht sie
schon auf. Ich muss vielleicht drei, vier Minuten warten.
Mit mir vier andere Segler, die
meisten haben wenigstens ein Segel gehisst, einer unter Motor. Wie wir so
unter der Brücke durch sind, wird das Wasser ziemlich ruhig, der Wind
ist kaum zu spüren. Eine Flussfahrt, aber nicht lange. Ich denke, das
kann ja heiter werden, wieder zwei Stunden motoren. Aber nach wenigen
Minuten sind die ruhigen Flussmeter vorbei, der Wind nimmt zu, die Genua
wird wieder aufgerollt. Ungefähr eine Stunde dauert die Fahrt unter
Segel durch den Als Sund, dann kommt der weitere und größere Als
Fjord. Der Wind hat hier schon ziemlich seine volle Kraft erreicht, die
Hindernisse, die ihn bremsen, nehmen immer mehr ab.
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Über eine Stunde segle ich
dann nur mit dem Vorsegel teils vor dem Wind, teils am Wind. Bei zweiterem
nimmt die Geschwindigkeit richtig zu: sieben Knoten sind allemal drin, vor
dem Wind waren es meistens "nur" vier. Mir reicht das, die wenigen, die
auch noch das Großsegel oben haben, fahren doch unter ziemlicher
Schräglage. Muss ja nicht sein! Es geht vorbei an beschaulichen Ufern,
hier ein Stück Wald, dann wieder Felder, manchmal auch mit gelbem
Raps. Ein paar Gehöfte links, einige Stege zum Anlegen rechts.
Zwischen drin kommt einmal die Fähre von Sottrupskov, aber als ich auf
ihrer Höhe bin, ist sie schon am anderen Ufer. Einige Segler und
Motorboote kommen mir entgegen, wegen des großen Vorsegels muss ich
immer sehr genau schauen, was kommt. Zwischendrin bemerke ich, dass die
Fender noch zum Teil außerbords
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Abb. 12: Anfahrt auf Dyvig - in der
Stegsvig |
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hängen, angeleint
und angepickt hole ich sie rein. Es schaukelt jetzt schon ganz
schön.Vor dem Ende des Fjords geht es jetzt rechts
ab in die Stegsvig-Bucht, die dann in die Dyvig-Bucht übergeht, an
dessen Ende zwei Häfen liegen. Aber bevor ich soweit bin, kommt erst die
enge Stelle. Fünf Meter breit, drei Meter tief, aber gut
betonnt. |
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Links, auf der
Sandbank, die das Fahrwasser so schmal macht, sitzen die Wasservögel und
genießen die Sonne. Sie lassen sich von den vorbei gleitenden Schiffen
nicht stören. Da links und rechts vier grüne und rote Spieren in
engem Abstand angebracht sind, ist es gar nicht so schwer, |
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Abb. 13: Die schmale
Stelle |
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hier durchzukommen. Meine Befürchtungen zerstreuen sich im Winde, die
Erinnerungen an die Boddengewässer letztes Jahr sind doch noch sehr
nah! |
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Nach der Untiefe geht es
nochmals eine ganze Strecke, bis die zwei Häfen klarer sichtbar
werden: der linke Dyvig Bro mit nur zwei Stegen und der rechte Dyvig
Bådelaug, fünf Stege, mit allem was man braucht, auch einem
kleinen Laden, hier "Brugsen" genannt und einer Tankstelle. Am letzten Steg
finde ich so ziemlich am Stegende noch ein grünes Schild, ein
dänisches Boot war schneller und mit dem vorderen Platz besser
bedient. Diesmal klappt das Anlegen überhaupt nicht, ich erwische nur
eine Dalbe, dann ziehe ich mich mit dem Bootshaken nach vorne.
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Abb. 14: Im Hintergrund der
Hafen |
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Immerhin habe
ich gegen den Wind angelegt, das ist mir gelungen. Aber das macht es jetzt
auch so schwer, die Yacht nach vorne zu ziehen. Als mir das gelungen ist,
springe ich an Land und mache an den Pfosten fest. Danach will ich das
Schiff nach achtern ziehen, um auch an der zweiten Dalbe festmachen zu
können. Jetzt erweisen sich die Vorleinen als zu kurz. Mit einem
Lassowurf bekomme ich trotzdem die Leine über den Pfosten, jetzt kann
ich auch vorne richtig festmachen, mit angemessenem Abstand zwischen Steg
und Ankerfender (der Fender, der vor dem Anker angebracht ist).
Der Rest geht dann wieder sehr
routiniert: Stromkabel legen, zum Hafenmeister, auch hier wieder ein
Bezahlautomat, Karte reinstecken, auswählen, was man braucht und dann
wird die Bezahlkarte ausgespuckt nebst Quittung und Aufkleber. Mit der
Bezahlkarte aktiviert man den Strom. Als ich am Stromkasten dann drei
Aufladungen vornehme, also drei Einheiten bezahle, sehe ich, dass mein
Kabel gar nicht in diesem Kasten steckt. Was jetzt? Zum Glück ist das
Kabel lang und die Anschlüsse nah genug beieinander, um das
Malheur auszugleichen. Jetzt noch die Regen-Sonnenplane, und das war's dann
erst mal. Wieder ein Stück nach Norden gekommen, das Logbuch meldet
dreizehn Seemeilen in knapp drei Stunden.
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Heute, Mittwoch, den 29.
Juni, ist endlich der Tag der Danfoss-Universe gekommen. Mit dem
kostenlosen Buss geht es von Dyvig-Hafen über Nordborg zur
Ausstellung, die ca. vier Kilometer außerhalb der Stadt aufgebaut ist.
Nur eine Schulklasse - Grundschüler - wird vor dem Eingang von den
zwei Lehrern eingeschworen, wie sie sich verhalten soll. Das andere
Publikum besteht überwiegend aus Familien mit Kindern.
Nach dem Kauf der nicht
ganz billigen Eintrittskarte
fällt als erstes
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Abb. 15: Isländischer
Pavillon der Expo 2000 |
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der
isländische Pavillon der Expo 2000 ins Auge. Im von Wasser
überströmten Würfel werden die Naturkräfte Islands
anschaulich, zusammenhängend und auch im einzelnen dargestellt. Bei der
Schilderung der Vulkane und Lavaflüsse durch eine Mitarbeiterin sehe ich
die Kleinen gebannt an den Lippen der Erzählerin hängen. Viele
Darstellungen werden durch Videos unterstützt, in einem die Geysire
schildernden bläst dann auf einmal ein Springbrunnen sein Wasser 12
Meter hoch in ein Rondell, untermalt mit dramatischer Musik. Alles sehr
schön gemacht, innen eine total blaue Atmosphäre,
beeindruckend. |
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Draußen sehe ich dann
viele Exponate wie das auf dem Foto: Der Hersteller, der ja vor allem mit
Heiztechnik und Hydraulik zu tun hat, setzt das dazu hintergründige
Wissen in anschauliche Experimente um. Es geht um Druck und Gegendruck, um
die Kraft des Wassers, um Wärme und andere Formen von Energie. In
einem der auffälligen Bauwerke "Cumulus", kann ich eine Drohne
steuern, was gar nicht so einfach ist. Beim
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Abb. 16: Interaktives
Wasserspielzeug |
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Landeanflug verpasse
ich die Plattform, sie setzt am Rand auf und stürzt ab. In
einem 5-D-Kino wird der Flug durchs All zu einem bewegenden Erlebnis
gemacht, die Passage durch die Ringe des Saturn passen gut zu dem Buch, das
ich gerade lese.
Im Übrigen ist der ganze
Park ein wunderschöner Garten, überall sind Beete mit herrlichen
Blumen eingestreut, es ist alles sehr gepflegt und sauber. Auch die
Besucher halten sich daran, keiner wirft einfach seinen Müll weg.
Dazwischen gibt es immer wieder Stationen, in denen sich Klein und
Groß stärken kann.
Mads Clausen, der Danfoss 1933
gründete, war wohl ein echter Tüftler und Bastler, der sich vor
allem für die Zusammenhänge zwischen Druck und Wärme
interessierte. Seine in Lizenz gefertigten Expansionsventile für
Kälteanlagen waren noch nicht der Schlager, der die Firma groß
machte. Erst das thermostatische Heizkörperventil, eine Erfindung aus
den 50-iger Jahren, brachte im Zuge der Energiekrise den Durchbruch. Die
später gegründete "Mads und Bitten Clausen-Stiftung" (Bitten war
die Frau von Mads Clausen) errichtete an der
Sønderberg-Universität ein Institut, das mit modernster Technik arbeitet. Von den beiden
Gründern stammt auch letztlich der Erlebnispark, der Kinder und
Jugendliche für Naturwissenschaften und Technik begeistern
soll.
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Donnerstag, der 30. Juni:
Aabenraa
Der Tag: ein Regentag, die
Fahrt: eine Regenfahrt. Muss auch mal sein, noch ein Tag Dyvig wäre
dann doch zu langweilig sein. Die Wetterprogramme machen teils Hoffnung,
teils verstehe ich sie nicht. Windfinder meldet 1 mm Niederschlag pro
Stunde, dazu einen Tropfen. Um acht Uhr, später Null. Zygrib, das
andere Wetterprogramm, meint 0,15 mm und später 0,37 mm pro Stunde.
Alles ganz genaue Zahlen und doch alles Bullshit. Wenn ich da im Cockpit
stehe, das Ruder zwischen den Beinen, das Wasser und die Wolken im Als- und
später im Aabenraa-Fjord beobachte, denke ich nur: Wann hört es
auf? Und ich mache mir Mut: Es kann nur besser werden!!! Aber es
könnte auch noch mehr werden, außer dass ich immer wieder die
Brille an einem immer nässer werdenden Küchentuch (saugfest!)
reinige, damit ich wenigstens etwas sehe.
Naja, der Start war
einigermaßen unproblematisch, kurz vor zehn den Jockel angeworfen und
raus aus der Box. Klappte ganz gut, auch ohne Spring. Dann in der
Dyvig-Bucht bis zur riskanten engen Durchfahrt. Zum Glück fährt
einer vor mir her, ich muss nur sehen, wie er es macht. Und das ist bei vom
Regen beeinträchtigter Sicht auch nicht so einfach. Jedenfalls, die
Spieren kommen, ich drossele die Geschwindigkeit auf vier Knoten und
schiebe mich langsam durch. Danach, erleichtert, kann ich auf fünf
Knoten hochschalten, wenigstens einige Minuten lang.
Nach einer halben Stunde
Motorfahrt ist Segeln dran. Bei Windstärke vier reicht die Genua, den
Stress mit dem Groß tue ich mir nicht an. So kann ich ziemlich eine
Stunde segeln, mal schneller, mal langsamer, zwischen fünf und sieben
Knoten macht "de Widzi". Aus der Dyvig-Bucht raus, geht es erst
einen steileren Kurs, dann an der Schnittlinie zum Aabenraa-Fjord erst
270° und dann später bis auf 240° runter. Jetzt kommt der
Wind von vorne, hart-am-Wind mag das Schiff nicht so gerne, selten sind
mehr als vier Knoten drin. Vor halb zwölf Uhr, die Zeiten stimmen so
ungefähr, wegen des Regens konnte ich ja nicht viel schreiben, wieder
die Maschine an. Und um halb eins bin ich im Hafen von Aabenraa, auf
deutsch Apenrade, aber das war mal, auch Åbenrå geschrieben, aber
meistens mit zwei A's am Anfang und am Ende. Hier gibt es ein schönes
Museum, war Aabenraa doch mal die größte Schiffbaustadt
Dänemarks gewesen, sogar Fahrten nach China gingen von hier
aus.
Kaum habe ich festgemacht, das
mit den zwei Leinen klappt immer noch nicht so richtig, aber keiner schaut
zu, wie ich mich da an der Seitenleine nach vorne ziehe, den Wind gegen
mich, dann die Regenplane aufgezogen, da schüttet es vom Himmel, dass
es nur so kracht. Hat der Himmel doch ein bisschen Mitleid mit mir gehabt
und mich draußen vor dem großen Regen verschont. Verglichen mit
dem Platzregen war das Nass auf dem Wasser nur ein Vorgeschmack. Auf einer
Leine unter der Plane versuche ich Hose und Jacke zu trocknen, dann ist
erst mal ein Mittagsschläfchen drin, schließlich musste ich ja
"mitten in der Nacht" aufstehen. Zwölf Seemeilen in etwas mehr als
zweieinhalb Stunden, das reicht für heute. Ach ja, und wegen Murphy's
Gesetz: Als ich das Seeventil der Spüle zumachen will, kippt die Dose
mit dem Olivenöl um. Jetzt ist der Teppich voll damit.
Küchentuch, Küchentuch, ich liebe dich! Aber nach dem
Schläfchen ist erst mal Waschen angesagt, auf dem Steg, hier ist alles
ziemlich modern und neu, Wasser- und Stromanschlüsse alle paar Meter.
Jetzt tropft das Teil erst mal vom Bugkorb sein Wasser ab, vielleicht ist
es morgen trocken.
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Besuch im
Schifffahrtsmuseum
Am Freitag stehe ich früh
auf, hat mich doch das Bild von der durchgebogenen Vorstagstange nachts um
halb vier Uhr aus dem Schlaf geweckt und mir dann keine Ruhe mehr gelassen.
Was doch, wenn der ominöse Springring aus dem Bolzen gesprungen ist
und das Vorstag jetzt nur noch an der Vorsegelfall hängt? Wenn das Tau
reißt, bin ich am A....., um es deutlich zu sagen. Also früh
aufgestanden, hier ist das Hafenmeisterteam nur von 08.00 bis 09.00 Uhr und
dann nochmals am frühabend zu sprechen. Wilde Vorstellungen vom Abbau
des ganzen laufenden und stehenden Guts, der Wanten und Fallen geistern
durch meinen Kopf.
Als ich jedoch dann später
das Vorsegelfall losmache und jetzt eigentlich die Vorstagstange nach unten
gleiten müsste, tut sich nichts. Mit dem Fernglas sehe ich den
Sicherungsring in seinem Bolzen. Also blinder Alarm! Nach zwei Tassen
Kaffee und Frühstück versuche ich erst einmal, noch ein paar
Stunden zu schlafen. Dann kommt das Schifffahrtsmuseum, weswegen ich ja
u.a. nach Aabenraa gesegelt bin. Mit dem Stadtplan aus dem Hafenkontor
ausgerüstet marschiere ich ungefähr einen Kilometer, bis das
Museum kommt. Es ist beeindruckend, und viele Texte der Schautafeln sind
auch in Deutsch.
Im 13. Jahrhundert wurden
Aabenraa zum ersten mal urkundlich erwähnt, und am Ende des 18.
Jahrhunderts wurde der Hafen eingeweiht und erweitert. In der Mitte des 19.
Jahrhunderts wurde der Hafen dann nochmals um ein trocken gelegtes
Sumpfgebiet erweitert und modernisiert. Von 1752 bis 1883 gab es Schiffbau
in der Stadt, auf den Werften wurden große Segelschiffe gebaut, die
die ganze Welt bereisten. Keine Werft schaffte jedoch den technischen
Umstieg auf die Dampfschifffahrt, was den wirtschaftlichen Niedergang der
Werften und der Stadt mit sich brachte. Erst in der Mitte des 20.
Jahrhunderts wurde hier dann die moderne Schifffahrt eingerichtet.
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Neben
zahlreichen Schiffsmodellen gibt es viele Ölbilder, die sogenannten
"Kapitänsbilder". Sie porträtieren die Schiffe bekannter
Kapitäne, deren Lebensgeschichte mit dem Schiff verwoben ist. Zuhause
wurde dann das Bild aufgehängt. Es gibt auch zahlreiche Bilder von
Schiffs-katastrophen, Schiffe im Sturm, Schiffe um Kap Hoorn, untergehende
Schiffe, Schiffe im Sonnenlicht, im brausenden Meer, vor dem Hafen, beim
Bau usw. Ein ganz eigenes Genre, die Schiffsmalerei.
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Abb. 17:
Kapitänsbilder |
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Während im 17. Jahrhundert
sich die Frachtreisen zuerst auf die Ostsee bezogen, wurden ein Jahrhundert später auch vielfach Reisen in
Mittelmeer unternommen. Transportiert wurde alles, was sich
mit Segelschiffen verfrachten lies, vor allem Holz, Getreide, Leinen, Hanf,
Eisen. Die Fahrten ins Mittelmeer waren navigatorisch ziemlich
anspruchsvoll und wegen der Piraterie auch ziemlich
gefährlich.
Jørgen Bruhn, später
einer der einflussreichsten Reeder von Aabenraa, baute dann in der ersten
Hälfte des 19. Jahrhunderts schnelle Klipper nach amerikanischem
Vorbild. Er war als junger Mann nach Nordamerika gegangen, um dort
Schiffbau zu studieren. Die Amerikaner waren zu dieser Zeit in diesem
Gebiet die führende Nation.
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In der Zeit von 1837-46 waren 107
Schiffe, in Apenrade und später in Kalvø
gefertigt, im Mittel- und Südamerika-Handel unterwegs.
Spätere einflussreiche Reeder wie Michael Jebsen
erkannten die Zeichen der Zeit mit der aufkommenden Dampfschifffahrt. Er
konnte sich in Aabenraa aber nicht durchsetzen, seine Schiffe wurden
deswegen in Kiel oder Hamburg gebaut. Mit dem Festhalten an der
Segelschifftechnologie verlor Aabenraa den Anschluss und damit die
wirtschaftliche Bedeutung. Die Geschichte erinnert an die Entwicklung der
Marstaaler Reedereien.
In den
dreißig Jahren von den 1850 bis 1880 waren Apenrader Schiffe auch am
Chinahandel beteiligt. Die führenden Kapitäne dieser Schiffe
wurden so wohlhabend, dass sie sich in einem eigenen Viertel
standesgemäße Häuser anschaffen konnten. Noch heute
heißt dieses Viertel in der Stadt "Chinatown".
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Abb. 18: Souvenir aus dem
fernen Osten |
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In einer großen Schautafel wird der
Radius der Apenrader Segelschiffe und ihrer Reedereien dargestellt.
Ein besonderes Kapitel in einem eigenen Raum widmet die
Ausstellung den Frauen der Kapitäne und der Seeleute. Angefangen mit
der Redensart "Frauen bringen an Bord Unglück" und ihrer Rolle als
Gallionsfiguren bis zu verklärenden Darstellung der zu Hause am Herd
wartenden Heimchen werden Aspekte der Wirklichkeit dargestellt, die ich so
bisher selten gesehen habe, vielleicht im Museum in Marstal.
|
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Nicht wenige dieser Frauen haben sich nämlich nicht
mit dieser Rolle begnügt, sondern sind die
gefährlichen und strapaziösen Reisen mitgefahren, haben z.T. sogar
an Bord Kinder geboren. Dies wird auch im Roman von Carsten Jensen
"Wir Ertrunkenen" beschrieben. Natürlich gab es auch Frauen, die zu
Hause blieben, aber auch welche, die Tagebücher schrieben oder sonst
wie |
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Abb. 19: Um die ganze
Welt! |
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ihre Reisen verarbeiteten.Dabei waren
diese Reisen nicht für wenige Monate angelegt, sondern zogen sich
teilweise über mehrere Jahre hin.
Mit
einem Buch von Peter A. J. Bendixen "Schwarzer Kaffe und Rum - Die
Apenrader Kapitäne der Familie Bendixen" und einem Heft "Und sie
segelten doch" von Dr. E. C. Winter und O. Brixen Søndergaard, einer
Dokumentation zur Geschichte der letzten Frachtsegler auf der Ostsee,
verabschiede ich mich aus dem Museum, kaufe noch etwas ein und marschiere
zurück zur Marina. Wieder ein erlebnisreicher Tag!
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Sonntag, den 03. Juli:
Aarøsund
Auch diese Fahrt ist keine von
denen, die man so leicht abhakt. Es war alles drin: starker Wind, noch
stärkere Böen, Regen, Starkregen, Gewitter! Hätte ich in den
SEEWETTERBERICHT FUER NORD- UND OSTSEE HERAUSGEGEBEN VOM SEEWETTERDIENST
HAMBURG geschaut, ich wäre vielleicht nicht gefahren. Dort hieß
es: BELTE UND SUND : SUEDWEST BIS WEST 5, SCHAUER- UND GEWITTERBOEEN, SEE 1
METER. Habe ich aber nicht, hätte, hätte, Fahrradkette! Der
Windfinder zeigte mir noch gestern Abend Windstärke 3 Bft, später
4, in Böen 5. Von Gewitter stand da nichts. Wie dem auch sei, nachdem
ich früh aus der Box herauskomme, ist um neun Uhr die See nach der
Hafenausfahrt von Aabenraa erstmal relativ ruhig. Den Himmel beherrschen
viele Wolken, die Sonne kämpft um ihren Durchbruch. Dazwischen sind
sie aber auch schon zu sehen, die grauen, unten dunkelgrauen Regenwolken,
die Tiefflieger, schnell eilen sie vom Westwind angetrieben nach
Schweden.
Je weiter ich nach Osten segle,
bei diesem Kurs und Wind geradezu ein Muss, desto heftiger wird alles, aber
auch alles. Der Wind nimmt zu, die See nimmt zu, jede Böe haut noch
stärker rein als die vorhergehende, und dann immer wieder Regen, erst
kleine Schauer, dann mehr. Ja mehr, noch mehr, hätte ich dem Wind
entgegen schreien sollen. Aber zwischendurch tröstet mich die Sonne,
es ist gerade mal so zwischen 17 und 18 °C. Auf der Höhe von
Værnes Hoved, am nördlichen Ende des Als Fjords, kennen Wind und
Welle keine Grenze mehr, die Weite des Kleinen Belts lässt sie
ungehindert dahinbrausen. Der Kurs wird nun immer nördlicher, in einem
weiten Bogen umfahre ich die Insel Barsø, durch die dänischen
Schießgebiete, in denen die Kanonen im Juli zum Schweigen verurteilt
sind. Weil der Wind etwas dreht, muss ich das Vorsegel auf die andere Seite
bringen. Jetzt ist es kein Vor-dem-Wind-segeln mehr, sondern mit raumem
Wind, also von der Seite. Die Schlagseite nimmt zu, von unten kommen
beunruhigende Geräusche, hoffentlich fällt der Kühlschrank
nicht um. Ich beschließe, das Vorsegel zu reffen, damit etwas Druck
raus genommen wird. Also mit der rechten Hand an der Rückholleine
ziehen, mit der linken die Genuaschot loslassen, auffieren, zwischen den
Beinen das Ruder. Immer wieder hauen mich die Wellen, jetzt über ein
Meter hoch, aus dem Gleichgewicht. Ich gehe kurz in den Wind - wie sagte
mir damals mein Segellehrer: "Schnell abfallen, langsam anluven!" (oder war
das doch andersrum?) - und hole die Rückholleine mit der Kurbel
zurück. Jetzt kann ich wieder auf Kurs gehen, also abfallen, und
gleich wird die Fahrt etwas ruhiger.
Inzwischen sind die grauen,
drohenden Regenwolken dicht über mir, vor mir, hinter mir, ich bin
umzingelt. Und schon grummelt es aus den Wolken. Gewitter, denke ich, das
war aber nicht abgemacht. Der Windfinder hat davon nichts gesagt. Soviel zu
Wetterberichten. Aber es ist ja nicht der Wetterbericht, der Mensch ist es,
der entscheidet. Hätte, hätte, Fahrradkette, siehe oben! Am nahen
Horizont kann ich schon keine Küste mehr erkennen, vor ein paar
Minuten waren doch noch sogar einzelne Häuser zu sehen. Und dann kommt
es knüppeldick von oben. Wie gut, dass ich von Anfang an schweres
Wetterzeugs an hatte, mit Gummistiefeln. Während ich da im Regen
sitze, am Steuer, oder stehend Ausschau halte - ich wundere mich immer
wieder, warum so wenig andere Schiffe zu sehen sind - blitzt es vor mir,
zwar in doch ziemlich weiter Entfernung, aber deutlich zu sehen. Ich bin so
überrascht, dass ich nicht die Sekunden bis zum Donnern zähle.
Aber es dauert nicht lange, da kommt er, und ich denke: O Je, Herr lass es
vorüber gehen! Wenn jetzt der Blitz einschlägt! Ein gerne
verdrängtes Thema. Nach ein paar Minuten ist die Gewitterfront
abgezogen, der Regen hört auf und zum Trost scheint die Sonne. War
doch alles nicht so schlimm, will der Wettergott mir
sagen?!
Ungefähr eine Seemeile vor
Aarøsund und der gegenüberliegenden Insel
Aarø, beides nicht zu
verwechseln mit der Insel Ærø, geht der Kurs nördlich
weiter. Inzwischen macht sich die Enge der Durchfahrt zwischen Insel und
Festland und die abnehmende Wassertiefe bemerkbar: die Wellenhöhe
nimmt ab, das Wasser wird ruhiger. Der wahre Grund ist aber der von Norden
nach Süden laufende Strom, der ungefähr eine Geschwindigkeit von
zwei Knoten hat, manchmal auch mehr. Das Schiff macht jetzt keine vier
Knoten mehr, vorher waren es in der Regel sechs, in Böen einer mehr.
Also Strom von Norden nach Süden, Welle von Süden nach Norden.
Das ergibt manchmal beunruhigend hohe Brecher, aber im ganzen genommen
nimmt die Wellenhöhe ab. Mir wird das jetzt zu langsam, aber selbst
mit der Maschine, mit der ich bei der gewohnten Umdrehung locker fünf
Knoten mache, werde ich nicht schneller als vier oder weniger Knoten. Wie
dem auch sei, nach etwas mehr als vier Stunden habe ich den Hafen erreicht,
die nicht unproblematische Hafeneinfahrt - siehe Strom - passiert und suche
mir einen Platz aus. An einer ruhigen Box steht das Schild auf grün,
wenn auch die hingeworfenen Vorleinen eher vermuten lassen, der Besitzer
wäre gerade mal um die Ecke. Der Boxnachbar und ein anderer Däne
helfen mir, wieder habe ich Schwierigkeiten mit der zweiten Achterleine.
Aber sie sind sehr hilfsbereit, die Dänen, soweit ich das bisher
feststellen konnte. Es gibt sicher auch andere!
Jetzt nur noch die Leinen
klarmachen, den Strom legen, den Havenkontor mit dem Bezahlautomat
aufsuchen, die Regenplane, ein bisschen was essen und dann
schlafen!
Und, wie sich nach der Fahrt
herausstellt, war nicht perfekt aufgeräumt: die Kaffeekanne, noch halb
voll, stand in einem Korb, ist natürlich umgefallen und ausgelaufen.
Jetzt habe ich nicht nur einen großen Ölfleck, sondern auch einen
mit Kaffee. Nun hängt der Teppich über dem Großbaum, es
regnet, und alles wird ausgewaschen. So regelt sich das Problem von selbst!
(Hat es übrigens nicht, auch nach dem Regen der Nacht war der Fleck
noch da!)
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Heute, Montag den 4.
Juli, will ich einen Ausflug mit dem Fahrrad machen.
Ganz in der Nähe, so das Info-Blättchen des Hafens, soll es den
größten Grabhügel Südjütlands geben, aus der
frühen Bronzezeit. Also nehme ich mein Rad, fahre auf einem Weg neben
der Straße nach Haderslev, dann rechts ab nach Hajstrup, und dann
nochmals nach einem Hinweisschild nach Tamdrup Høj.
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Und nach ungefähr fünf
Kilometern, zuletzt an einsamen Höfen vorbei, die Landschaft ist
insgesamt etwas zersiedelt, erreiche ich den Hügel, die letzten Meter
auf einem Feldweg bergan schreitend, weil radfahren nicht mehr geht. Er
ist zwischen acht und neun Metern hoch und ungefähr vierzig Meter breit,
achtundvierzig Meter über dem Meeresspiegel. Zwischen Feldern intensiver
Landwirtschaft eingebettet |
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Abb. 20: Auf dem Grabhügel |
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bekommt man
zwar einen Zugang zum Hügel, wenn man direkt vor ihm steht, aus der
Ferne kann ich ihn jedoch nur auf die Linse bannen, indem ich einige Meter
weitergehe und zwischen den breiten Hecken, die die Felder abtrennen, eine
Lücke finde. Welch ein Blick in den Sund! Bis zu den Inseln
Årø, Bågø und Brandsø
und darüber |
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Abb. 21: Blick vom
Grabhügel in den Sund |
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hinaus über den ganzen Sund kann
ich blicken. Leider habe ich mal wieder kein Fernglas dabei, aber die
Mühe der zehn Kilometer Radfahrens hat sich gelohnt. Und was muss es
die Menschen aus der Bronzezeit gekostet haben, diese Grabstelle
aufzuschütten. Solche eine Ehre haben sie sicher nur einem großen
Fürst erwiesen.
Das
deutsche Militär hat dann während der Besatzungszeit im II.
Weltkrieg daraus einen Beobachtungsposten gemacht, genauso wie die
preussische Regierung, als dieser Teil von Dänemark von 1864 bis 1920
zu Schleswig gehörte. Während des I. Weltkriegs haben die
Deutschen sogar mit Netzen und Ketten den Sund gesperrt, um das Durchfahren
feindlicher Schiffe zu verhindern.
Zurück nach Aarøsund komme ich dann an den zwei kleinen
Leuchttürmen vorbei, die den Ortseingang markieren. Das Bild ist bei
den Törnfotos 2016. Dabei ist der Leuchtturm im Hafen doch gar nicht
so beeindruckend. Aber irgendeine Geschichte steckt dahinter.
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Dienstag, den 05. Juli:
Haderslev
Die zehn Seemeilen den
Haderslev-Fjord hinauf bis zur Stadt hätten eine schöne Fahrt
werden können, aber so war es wieder eine Regenfahrt. Obwohl ich
eigentlich früh genug losgefahren bin, der Regen sollte erst am
Nachmittag kommen. Naja, war nicht. Aus der Hafenausfahrt von
Aarøsund raus, geht es gleich
scharf nach links, Richtung Norden. Und dann kommen schon die ersten
Tonnen, die die Einfahrt in den Fjord zeigen und der eigentliche
Tonnenstrich. Das Wasser in der Fahrrinne ist bis zu fünf Meter tief,
manchmal auch weniger, und breit genug, dass auch zwei Boote aneinander
vorbei können. Zwischendrin überholt mich ein Däne, der mir
zu brüllt, ich solle mehr nach links, dabei war da genug Platz. Er
selber kannte sich wohl aus, an den Tonnenstrich hat er sich nicht so genau
gehalten.
Und dann geht es in den
Fjord hinauf, an kleinen
Wäldern entlang, das Wasser von Schilf grün eingekränzt.
Dazwischen immer wieder ein paar Wasservögel, einmal eine ganze Herde
Schwäne. Die Bebauung ist sehr dünn, da mal eine Scheune, dann
wieder ein Bauernhof. Manchmal kleine Stege am Ufer, an denen kleine Boote
vertäut sind. Und hin und wieder tauchen auch prächtige Villen
auf mit Blick auf den Fjord und eigenem Anleger.
Wie ich so eine halbe Stunde
fahre, fängt es an zu tröpfeln und dann wird es mehr. Es wird
immer mehr, die stille Hoffnung, dass es aufhöre, stirbt nach einiger
Zeit. Es kommt konstant von oben, ich habe von Anfang an Regenkleidung mit
Stiefeln angezogen, inzwischen lasse ich mich auf nichts anderes mehr
ein.
Nach knapp zwei Stunden taucht
die Stadt auf, zuerst die zersiedelten Ränder der Außenbezirke,
dann die höher gebauten Häuser aus dem Stadtkern, die am
Handelshafen stehen. Gegenüber sind zwei Steganlagen des Segelklubs,
die ich ansteuere. Schon bald finde ich ein grünes Schild und fahre
sehr sehr langsam in die Box rein. Es gelingt mir, beide Achterleinen zu
legen, aber nach vorne "verhungere" ich, d.h. ich stoppe auf, anstatt die
zwei Meter bis zum Steg noch zu schaffen. Ein junger Mann, der Flagge nach
Deutscher, steht schon da wie bestellt und nimmt mir meine Leinen ab.
Geschafft, angekommen, dann die übliche Routine, Stromkabel legen,
Regenplane aufspannen, zum Bezahlautomaten gehen. Hier wie auch in anderen
Häfen Dänemarks muss man innerhalb einer Stunde nach Anlegen
bezahlt haben. Lächerlich, wer will das kontrollieren? Durch die
Einführung der Bezahlautomaten ist den Häfen viel
Persönliches genommen worden, so ein Hafenmeister ist doch auch
meistens eine prägende Gestalt, über den man noch nach Jahren
Anekdoten erzählen kann, wie z.B. Ulli aus Thiesow.
Inzwischen gibt es hin und
wieder ein paar Regenpausen, ich beschließe erst mal, meine nassen
Klamotten in der Kajüte zu trocknen, wozu habe ich denn eine Heizung?
Und dann wird man sehen, was der Tag noch bringt.
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Freitag, den 08. Juli:
Skærbæk
Die Fahrt nach Skærbæk war
jetzt nicht gerade die
spannendste, aber eine doch im ganzen sehr geruhsame Reise. Immerhin
siebenundzwanzig Seemeilen, wovon alleine der Haderslev-Fjord zehn
beanspruchte. Wieder vorbei an Schilfwäldern, Baumgruppen, kleinen
Wäldchen und Feldern, eher eine Flussfahrt. Und auch Wind und Welle
machen heute keinen Ärger, es weht aus West mit 2 Bft im Fjord und
nachher 2-3 im Sund. Zwischendurch, nach der letzten Fjord-Tonne, dachte
ich, ist es Zeit, wenigstens das Vorsegel auszupacken. Aber mehr als
schlappe zwei Knoten sind nicht drin. Also wieder die Maschine angemacht,
vielleicht zwanzig Minuten. Da frischt es wieder auf, das Wasser
kräuselt sich, die Wellenbewegung nimmt zu. Die Dünung ist im
Sund nur ganz fein spürbar, und heute hat man auch vom Strom nicht
viel gemerkt. Aber mehr als eine halbe Stunde hält das Lüftchen
nicht, wenn mal eine leichte Böe kommt, macht de Widzi gerade
drei Knoten. Das ist mir dann doch auf die Dauer zu wenig, ich will ja
nicht heute abend ankommen. Also wieder den Jockel angeworfen, und
schnurstracks geradeaus, das heißt eigentlich eher im Bogen, wollen
doch diverse Flachs (Untiefen) und Inseln umfahren
werden.
Begleitet von vielen Fliegen und
einer Hummel, letztere nur auf Kurzbesuch, die anderen wollen sich breit
machen, kennen aber meine Fähigkeiten des Fliegen-Killens nicht, kommt
nach der Insel Brandsø die Halbinsel
Fønsskov und
die Insel Fenø, die hier mitten im Strom diesen zweiteilt. Ich fahre
links, weil mein Ziel ja im Nordwesten
liegt.
Und da taucht es auch schon auf, das gewaltige
Kraftwerk neben dem Dorf, mit seiner Kraftwerkshalle, den
Nebengebäuden und Schrägaufzügen. Auch ein Öltank ist
zu sehen. Wäre interessant, da jetzt genauer hin zu schauen, auf die
Klimaschutzpolitik. Aber ich gestehe, im Moment ist mir das ziemlich
schnurz egal. Was mir allmählich mehr zu schaffen macht, das ist die
immer wärmer werdende Schutzkleidung infolge der recht kräftig
strahlenden Sonne, hatte ich doch nach dem Wetterbericht mit Regen
gerechnet. Es ist das erste Mal in Dänemark, dass ich mit Hemd ohne
Pullover im Cockpit sitze. Aber es kommt immer anders als man denkt, oder
doch nicht. Jedenfalls, Regen war keiner, die Sonne scheint, aber der
Himmel wird immer voller mit Wolken, und diese immer grauer, noch ein
bisschen grauer, aber es regnete nicht. Auch die Wetterstation hatte Regen
angesagt. Kurz vor der Hafeneinfahrt ziehe ich wenigstens die Regenhose
aus, auch wenn es in den Gummistiefeln schön warm war. Und es wird
dunkler und dunkler, ich denke, das schaffe ich noch. Die Hafeneinfahrt
stimmt auch nicht so genau, wie in den entsprechenden Handbüchern
beschrieben, ich habe sie dennoch gefunden. Und ich bin nach ganz hinten
gefahren, dem Land zu, und Anlegen gegen den Wind. Auch diesmal klappte das
Anlegen der beiden Heckleinen, sie waren nur zu kurz. Und ein freundlicher
Däne hat mir geholfen, wie ich da so im Stress stand, die Leinen
hatten sich irgendwo verhakt, bis ich die klar hatte, aber er war geduldig
und hat die Vorleine gehalten. Seit dem Vorfall mit der Leine in der
Schraube habe ich eine ziemliche Angst, dass sowas nochmal passieren
könnte. Vielleicht bin ich jetzt übervorsichtig. Und irgendwie
musste ich die Heckleinen noch verlängern, das ist auch kein Zustand.
Aber es ging alles glatt, und kaum hatte ich die Regenplane gespannt, kamen
auch schon die ersten Tropfen und dann Vollguss von oben. Schwein gehabt,
kann ich nur sagen.
Mal sehen, was dieses Dorf mit Hafen mit sich bringt.
Immerhin wird er im Hafenguide 2010 nicht erwähnt und auch der
Hafenguide von Sejlerens 2016 beschreibt ihn nicht. Wieso, muss man
dafür bezahlen, um in diesen Führer zu kommen?
Erste Überraschung an Land: Es gibt keinen
Bezahlautomat, man legt das Geld passend nach Schiffslänge in einen
Briefumschlag und den in den Postkasten vor dem Büro. Zwischen 17 und
18 Uhr kommt der Hafenmeister persönlich vorbei. In anderen Häfen
Dänemark muss man dafür Strafgebühren bezahlen, wenn der
Hafenmeister persönlich kommen muss, um das Geld abzuholen. Jetzt
kommt die Frage nach den Bargeldreserven, eine Bank gibt es in diesem Ort
wohl nicht.
Der nächste Tag, endlich mal Ausschlafen, aber um
neun Uhr ist das auch vorbei, bringt nicht viel Aufregendes. Eine Radfahrt
durchs Dorf, hier ist es ziemlich hügelig, um beim Daglig Brugsen ein
bisschen einzukaufen, dann eine kleine Fototour durch den Hafen und ein
Stück weit zum Kraftwerk, ein paar kleine Reparaturen, das war es
schon. Kurz nach fünf Uhr kommt der Hafenmeister in seiner neongelben
Jacke persönlich, um die 120 Kronen Liegegeld für eine Nacht zu
kassieren und ich bekomme endlich den Zugangscode zum Internet. Die
Verbindung lässt zu wünschen übrig, aber immerhin, es gibt
sie.
Morgen geht es weiter nach Fredericia oder gleich nach
Vejle, das hängt vom Wetter ab.
Ja, das sollte dann aber nicht sein. Der
Sonntagmorgen schaut um sieben Uhr schon so grau und regnerisch aus,
dass ich beschließe, erst mal richtig auszuschlafen. Es macht einfach
keinen Spass, im Regen bei 17 °C zu fahren und ich bin ja nicht auf
einem Frachtensegler, der da einfach durch muss. Wenn mein Bauchgefühl
mir sagt, lass es heute lieber bleiben, dann ist da was dran. Also wird das
ein Tag für Aufräumen, Gitarre spielen, lesen, mein Buch
korrigieren, und dies und das und jenes. Abends habe ich dann viel
erledigt, ich weiß nur nicht was alles.
Der SEEWETTERBERICHT FUER NORD- UND
OSTSEE HERAUSGEGEBEN VOM SEEWETTERDIENST HAMBURG
10.07.2016, 06 UTC: BELTE UND SUND :
SUED BIS SUEDWEST 3 BIS 4, VORUEBERGEHEND STRICHWEISE 5,
SPAETER TEILS SCHWERE GEWITTERBOEEN, SEE 1 METER gibt mir recht: schwere
Gewitterböen brauche ich nicht. So bearbeite ich Fotos für die
Fotostrecke zeichne meinen zurückgelegten Kurs auf den Karten,
aktualisiere dies und jenes. Und zupp, schon wieder ist es zwei Uhr. Zeit
für eine Pause.
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Montag, den 11. Juli:
Vejle
Heute ist der Tag reif, um zu
segeln, wenigstens ein großes Stück von Skærbæk nach Vejle, am Ende des gleichnamigen Fjords
gelegen. Am Morgen scheint die Sonne, der Wind bläst nicht zu stark,
zumindest nicht für das Ablegen, und viele Wolken belegen den Himmel,
aber einige sind auch weiß und nicht nur dunkelgrau. Also ein Tag,
fast wie aus dem Bilderbuch, jedenfalls der Anfang.
Gleich nach dem
Ablegen - das Manöver klappt immer besser, mit Hilfe der Spring geht
alles glatt - komme ich in den Kolding-Fjord, und dann geht es im Bogen
erst backbords ca. 45 °, dann später wieder steuerbords 120
°. Dank der eingetragenen Wegepunkte brauche ich nur meiner Linie auf
dem Bildschirm folgen.
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Nach dem Knick
erscheint die Eisenbahnbrücke, laut Karte 33 Meter hoch. Oben donnern
immer wieder Züge drüber, auch als ich direkt unter der Brücke
bin. Außerdem wird repariert, irgendwelche Stoßhämmer machen
einen betäubenden Lärm. Nach der Brücken-Unterquerung sehe ich
den Schweinswal an der Backbordseite. Er taucht nur kurz auf zum Luftholen,
und schon ist er wieder weg. Vielleicht zwei- oder dreimal kommt er an
die |
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Abb. 22: Eisenbahnbrücke über den
Sund |
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Oberfläche
und zufälligerweise liegt die Kamera griffbereit im
Cockpit. Scheu sind diese kleinen Wale, die wohl so um einen Meter lang
werden. Normalerweise treten sie in Gruppen auf, vielleicht ist der vom Weg
abgekommen oder hat seine Gruppe verloren. |
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Auch die Rückenflosse sieht man nur Bruchteile von
Sekunden, dann taucht er entweder nochmals auf oder schwimmt unter Wasser
weiter - und das kann dann dauern, bis man ihn wieder sieht. Dieses
Glück war mir leider nicht beschieden.
Nach einer Biegung Richtung
backbords ca. 30° , an Middelfart vorbei, kommen links die
Industrie-anlagen von Fredericia und die vorgelagerten Stadtteile
Erritsø und Hammerup in Sichtweite. Große
Kräne, große Schiffe
und viele Silos
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Abb. 23: Schweinswal
zwischen den beiden Brücken |
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sowie Tankanlagen sind zu sehen. Den Hafen von Erritsø spare ich mir, ich will heute Strecke machen. Und dann kommt auch
schon die Autobahnbrücke, bevor es ca. 350 ° nach Norden
geht. Die Autobahnbrücke ist noch höher, 44
Meter. Sie verbindet Fynen mit Jütland. |
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Nachdem ich die
Industrie- und Hafenanlagen Fredericias hinter mir gelassen habe, fahre ich
ca. 45 ° nach Nordosten bis zum Leuchtturm Trelde
Næs, der die Spitze der gleichnamigen Landzunge markiert. Das nach Osten reichende Flach ist mit einer
gelb-schwarzen Tonne markiert, die man möglichst links lassen sollte.
Noch kann ich mit der Genua segeln, bisher hatte ich meistens achterlichen
Wind
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Abb. 24: Die
Autobahnbrücke |
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oder von der Seite.
Aber jetzt kommt er mehr und mehr von vorne, mein Kurs ist ca. 330 °
nach Nordwest, der Anstellwinkel wird immer steiler. "de Widzi" mag
diesen Kurs gar nicht, sie wird immer langsamer. Während vorhin
meistens fünf oder mehr Knoten drin waren, vor allem bei den Böen
von 5-6 Bft, macht sie jetzt auf langsam und bringt gerade mal zwischen
drei und vier Knoten. Das Großsegel rauszuholen war mir zu stressig,
beide Segel zu bedienen bei Wenden ist dann für's erste mir zu viel.
Was das Einhandsegeln betrifft, bin ich ja noch Anfänger! Auf der
Höhe von Markholt Hage wird der Kurs noch flacher, ich bin jetzt
ziemlich genau im Wind. Also Genua rein und Motor an. Den Rest der Strecke
vorbei an Brejning macht der Motor, gegen Wind und Welle. Beides kostet
mich ungefähr einen bis zwei Knoten. Der Wind frischt nämlich
immer mehr auf, und ich hoffte, je näher ich Vejle komme, desto mehr
würde beides nachlassen. Dem ist nicht so! Bis zur Autobahnbrücke
von Vejle, die man vom Hafen gut sieht - Foto kommt noch - bläst es
steif von vorne. Und da dürfen natürlich auch ein paar
Regentropfen nicht fehlen, um das Bild vom Segeltag mit allem drin zu
vervollständigen.
Im Hafen,
sprich Marina Vejle Lystbådehavn, wird es mit dem Wind auch
nicht weniger. Hier gibt es keine Dalben, sondern Ausleger zu den
Schwimmstegen, manche begehbar, andere bilden nur einen schmalen
Eisenträger, am Ende mit einem Ring zum achterlichen Festmachen. Die
erste grüne Box an der
vordersten Brücke - ein freund-licher Däne hilft mir beim Anlegen
- ist so schmal, dass ich zwischen Nachbarholzboot
und Ausleger eingequetscht werde. Nicht mal die Fender haben Platz! Also
wieder losmachen und an einer anderen Brücke was suchen. Diesmal einen
Platz für mich alleine. Anscheinend ist bei den Breiten der Boxen
etwas das Augenmaß verloren gegangen.
Danach Bezahlautomat, der Hafen
ist ausgesprochen teuer, er wurde aber auch ganz neu angelegt, keine der
Beschreibungen der Anlage selbst stimmt wirklich. Und das WLAN ist das
schnellste, das ich in Dänemark bisher erlebt habe.
In sechseinhalb Stunden habe
ich 29 Seemeilen geschafft, davon war über drei Stunden
Segelzeit.
Da mal
wieder einige Lebensmittel auszugehen drohen und ich immer noch kein
Wörterbuch habe, außerdem gerne in einem Telefonladen den Kontostand meiner
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SIM-Karte erfahren möchte, mache
ich mich heute, am Dienstag, mit dem Fahrrad ins Stadtzentrum auf.
Schon auf dem Weg aus dem Hafen fallen immer wieder diese wellenförmig
geschwungenen Häuser auf, von denen zwei fertig und bewohnt, drei
weitere noch eine Baustelle bilden. Wie überhaupt das ganze Hafengebiet
eine Großbaustelle ist. Laut Sejlerens hat hier die Firma Kirk,
eine Kapital-anlagegesellschaft mit Sitz in der Schweiz,
viel Geld in |
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Abb. 25: Wellenhäuser im Hafen von
Vejle |
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die Hand genommen, andere Baustellen sind
auf den Törnfotos 2016 zu sehen. Ein bisschen erinnert mich das an
Investitionen wie in Warnemünde. Vejle ist nun am Ende eines Fjords
nicht gerade die Stadt, die vor Attraktionen aus den Nähten platzt.
Immerhin, in der Fußgängerzone mit den üblichen
Geschäften sieht man auch Innenhöfe wie diesen da, mit Cafe's und
Einkaufsmöglichkeiten. |
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Abb. 26: Innenhof in Vejle |
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Und was ich bisher noch nie gesehen
habe, was ich aber nicht fotografieren konnte: Ein großer
Kindersandspielplatz mit Brunnen am Ende der Fußgängerzone. Die
vielen Kleinen und ihre Eltern sind voll beschäftigt. Zudem scheint
mal zur Abwechslung die Sonne, obwohl der übliche Regenguss nicht
fehlen darf. Er kommt dann am späten Nachmittag.
Andere angepriesene
Lustbarkeiten und Schauobjekte wie das Økolariet, ein "neuartiges Wissens- und Erlebniszentrum
zum Mitmachen" oder das Vejle Kunstmuseum habe ich mir heute nicht
angeschaut.
Ach ja, vielleicht ist noch
erwähnenswert, dass das viele Geld, das hier von Kirk Kapital
investiert wird, ursprünglich mal aus dem Topf des
Legoland-Schöpfers herkommt. Godtfred Kirk Christiansen hat mit den
Patent- und Lizenzgebühren so viel Geld verdient - in guten Zeiten
sollen das jährlich 75 Millionen Franken gewesen sein - dass
später das Imperium in Kirkbi und Kirk Kapital aufgeteilt wurde. Die
weiteren Einzelheiten kann man dem link zum Schweizer Wirtschaftsmagazin
Bilanz http://www.bilanz.ch/people/kjeld-kirk-kristiansen-schweizer-schatztruhe
entnehmen. Der Enkel des Firmengründers, Kjeld Kirk Kristiansen, soll
mit einem Vermögen von 3,3 Mrd. Dollar laut Wirtschaftsmagazin Forbes
zu den Superreichen der Welt gehören. Und: Legoland ist ja auch nicht
weit von hier weg.
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Mittwoch, den 13. Juli:
Juelsminde
Die 23 Seemeilen nach
Juelsminde dauern vor allem deswegen so lange - fünfdreiviertel
Stunden - weil der Wind meistens nur in Stärke 3 Bft bläst und
ich nur das Vorsegel benutze. Aber zuerst mal muss ich aus dem langen
Schlauch des Vejle-Fords - hier die betonnte Fahrrinne - herauskommen. Das
Ablegen in Vejle vom Stegausleger war kein Thema. Danach kann ich lange
segeln, wenn auch meistens nur mit drei Knoten. Wenn mal eine Böe
kommt, etwas schneller. Als ich aus dem Fjord raus bin im Fahrwasser des
Kleinen Belts, schläft der Wind ganz ein. Also zwischendurch wieder
motoren. Dann wieder segeln, ein ganzes Stück, fast eine dreiviertel
Stunde bei 3 und mehr Bft. Bei der Untiefentonne Bjørns Knude Rev geht es dann direkt nach Norden, bis die
Untiefentonne vor Juelsminde in Sicht kommt. Soweit sie querab liegt, geht
der Weg wieder nach Westen.
Eigentlich war es ein Tag aus
dem Bilderbuch, morgens um sieben Uhr keine einzige Wolke am Himmel. Das
gab es in diesem "Sommer" noch kein einziges Mal. Doch schon nach zwanzig
Minuten auf der Ausfahrtstrecke von Vejle wird mir so kalt, dass ich
schnell meine Schlechtwetterkleidung inklusive Gummistiefel anziehe. Die
Sonne scheint, die ersten Wolken kommen, der Wind ist aber kalt.
Gefühlte 15 °C hinter der Sprayhood.
Wie schon die letzten Seemeilen
zuvor, fängt der Tiefenmesser an zu spinnen. Die Anzeige blinkt wie
wild, fällt dann total aus und ist Sekunden später wieder da. Was
soll ich davon halten? Spinnt die Elektronik oder ist am Geber war dran?
Ich kann doch nicht tauchen und das Boot extra deswegen aus dem Wasser zu
holen bringt's auch nicht. Zwischendurch zeigt er ja mal was an. Brenzlig
wird es nur, wenn ich wirklich in flachen Gewässern bin und er dann
ausfällt. Dann Gute Nacht!
Während die Wolken sich
vermehren, die Sonne aber tapfer um ihr Dasein kämpft, der Wind zu-
und wieder abnimmt, segle ich so vor mich hin, höre die Musik von
Dream Theater, schaue die Landschaft an, die sich abwechselnden Ufer, mal
bebaut, mal landwirtschaftlich genutzt und denke, schade, dass meine liebe
Frau nicht da ist, der hätte das auch gefallen, so gemütlich mit
drei Knoten dahin zu gleiten, das Wasser leise plätschern zu
hören, den Wellen nachzuschauen, wenn sie von achtern kommen und die
Weite der See, des Kleinen Belts zu genießen. Links Land, rechts Land,
vor mir nur Wasser, entfernt dann am Horizont die eine oder andere Insel,
die jetzt auch seltener werden.
Zwanzig Minuten vor zwei Uhr
bin ich vor der Hafeneinfahrt nach Juelsminde, es sieht leer aus, auch in
dem neuen Becken, aber aus der Nähe ist alles doch ganz anders. Im
Fischereihafen ist alles belegt, also weiche ich aus in den neuen Osthafen.
Auch hier sind viele Boxen voll, vor allem aber sehr schmal. Beim dritten
Anlauf finde ich am Stegende ein grünes Schild, hier kann ich rein.
Jetzt noch schnell alles aufklarieren, dann den Bezahlautomaten besuchen,
Strom legen und kaufen und Bericht schreiben. Dann ist erst mal genug
für heute!
Der Nachmittag bietet dann das,
was ich bestimmt nirgends an der Ostsee gesucht habe: ein Hafenfest. Direkt
am Hafen, hinter dem Kontor, in Strandnähe, ist ein abgesperrtes
Gelände eingerichtet worden mit nur einem Zugang. Dort stehen sie, die
üblichen, lauten und geldverbratenden Schaugeschäfte. Allerdings,
das muss man den Leuten, die diesen Zirkus organisiert haben, bescheinigen:
Alles doch in bescheidenem Ausmaß. Das einzige wirklich vorzeigbare
Gerät ist so eine Art Krake, an deren hin und her schwingenden Arm ein
rotierendes Gestell mit vier Sitzgruppen angebracht ist, jede Sitzgruppe
wieder mit vier Sitzen. Selten ist das ganze Gerät ausgebucht, die
meiste Zeit sitzen nur vier bis acht vor allem Jugendliche, hier wieder vor
allem Mädchen drin. Die Halbwüchsigen schreien denn auch mit
voller Lust ihre Angst hinaus, wenn sie da nach oben geschleudert und dabei
auch noch gedreht werden. Mir kommt schon vom Zuschauen das Essen hoch!
Dann gibt es noch einen Auto-Scooter, eine Bimmelbahn für die ganz
Kleinen und so einen Rotor, der die 12-köpfige Sitzgruppe senkrecht im
Kreis rumschleudert. Auch nichts für empfindliche Mägen! Ach ja,
ein Gruselkabinett habe ich auch gesehen.
Angenehm fällt auf, dass
auf den angrenzenden zwei Fußballfeldern immerhin Mannschaftsspiele
ausgetragen werden. Und überall die Menschen, die mit ihren Handys
alles fotographieren, wie wenn sie kein Gedächtnis mehr hätten.
Oder ist das zum anschließenden Kommunizieren wichtig? Und es gibt
keine Schnappsleichen, jedenfalls habe ich keine gesehen. Auch sind auf dem
Fußgängerboulevard keine Fressbuden aufgebaut, der Däne
sitzt lieber gemütlich mit Familie an einem der zahlreich
aufgestellten Tisch- und Bankgruppen und isst dort sein selbst
Mitgebrachtes. Zur Not hat er auch einen Grill dabei. Wie es überhaupt
überall Grillplätze gibt. Der Boden des Kirmesplatzes, das war ja
mal eine Wiese, ist mit Holzschnitzeln bedeckt, so dass man bei Regen nicht
in den Pützen watet. Und Regen gibts ja ständig, nur heute nicht.
Eine wirklich umweltfreundliche Maßnahme!
Gerade mal zwei Lokale haben
auf der Fußgängerzone geöffnet, und die sind nicht mal voll
belegt. Und so flanieren die vielen Besucher - auf 200 Einwohner kommen in
Juelsminde 2000 Gäste in den Sommermonaten - hin und her, schlotzen
ihr Eis, telefonieren, schießen Selfies und so dieses und jenes. Nach
einer halben Stunde habe ich genug von dem Rummel, ich beschließe, so
schnell wie möglich wieder zu fahren.
Die Nacht wird mir dann mit der
Musik einer Band versüßt, deren musikalisches Repertoire mich
nicht gerade aus dem Bett reißt, so dass ich dahin müsste. Die
Jungs geben sich große Mühe, auf den Plakaten entsprechend wild
auszusehen, wahrscheinlich sind sie im Privatleben brave Familienväter
und Steuerzahler. Und ziemlich pünktlich um 24 Uhr ist Schluss
mit der Party, die Musik wird leiser und klingt aus, auch die dort
Arbeitenden brauchen mal Ruhe.
Ich arbeite an meinen
Reiseroutenkarten und es gelingt mir nicht, trotz stundenlangem Hin und
Her, sie ins Internet zu laden. Immer bricht die Verbindung zusammen. Das
WLAN-Netz ist doch sehr bescheiden, kein Vergleich mit Vejle. Selbst mails
abzurufen macht schon Probleme, die Wartezeiten sind extrem lang. Ja, ich
bin verwöhnt, komme ich doch aus einem Hafen mit schnellen Megabits,
und hier ist Schleichen und Warten angesagt. Auch am nächsten Tag
versuche ich es stundenlang, die zwei Karten downzuloaden, wie man heute
sagt, aber es soll nicht sein. So wird die ganze Geschichte auch erst
demnächst im Netz stehen. Vielleicht ist der Hafen von Hov, den ich
morgen oder ja nach Wetter übermorgen ansteuere, besser
ausgerüstet.
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Samstag, der 18. Juli:
Hov
Es hat mir nun gereicht mit
Juelsminde. Nachts keine Ruhe wegen des Hafenfestes, Musik bis zwei Uhr
morgens, das extrem langsame WLAN-Netz, also muss heute gestartet werden
nach Hov, wieder einige Seemeilen nordwärts. Um genau zu sein, 19
Seemeilen in dreieinhalb Stunden. Aber es wird keine Zuckerschlecken, das
machen mir die grauen Wolken schon klar, als um kurz vor neun der Motor
gestartet wird. Ablegen mit der Spring, auch diesmal klappt alles
wunderbar. Aber schon draußen, an der Untiefentonne zur Hafeneinfahrt,
geht es zur Sache. Windstärke 4-5, in Böen auch schon mal 6, da
kriegt das Boot richtig Schub. Und so wird auch schon zehn Minuten
später die Genua aufgerollt, sie alleine zieht die Yacht mit meistens
sechs Knoten nach vorne.
Und dann kommt nach einiger
Zeit wie nicht anders zu erwarten - aber ich hatte mich darauf eingestellt
- der erste Regen, zuerst nieselfein, dann immer kräftiger. Allerdings
nicht so hart, dass man gar nichts mehr sehen konnte. Wiewohl der Horizont
im Regendunst verschwindet und ich auf einmal mutterseelenallein auf der
Ostsee bin. Wenige Segler sind unterwegs, die meisten haben nur das
Groß oben oder motoren. Und das bleibt dann auch so die nächsten
zwei Stunden, Wind aus West bis Südwest, Stärke vier-fünf,
in Böen sechs, Wellenhöhe eineinhalb Meter, Regen,
dunstig-diesige Sicht.
Die nächsten zweieinhalb
Stunden macht das Wetter so weiter, ich segle meistens mit achterlichem
Wind, die reinste Schiffschaukelfahrt. Wenn ich nicht genau auf Kurs bin,
dann haut es das Vorsegel auf die andere Seite, das tut ihm gar nicht gut.
Die meiste Zeit geht es nach Nordost, über verschiedene Untiefen
hinweg. Zum Glück macht das Echolot keine Spirenzien und funktioniert
anstandslos. Einmal meldet es knapp zwei Meter, da habe ich schon ein
bisschen Muffensausen bekommen. War aber gleich anschließend wieder
tiefer. Auflaufen bei diesem Wetter, muss nicht sein!
Beim Wechsel auf den anderen Bug, jetzt muss ich ziemlich
nach Norden in die Einfahrt von Hov, bleibt die Genuaschot am Enterhaken
hängen. Aus die Maus, nach vorne zu klettern bei eineinhalb Meter
Wellenhöhe muss nicht sein. Also rein mit dem guten Stück, und
den Jockel angeworfen. In der schmalen Schneise zum Hafen hätte ich
das sowieso getan. Bei den Einfahrtstonnen taucht dann plötzlich eine
schwarz-gelbe auf, allerdings ohne Richtungsangabe der Untiefe. Der
Törnführer hilft mir weiter, in der GPS-Karte ist nämlich
die Einfahrtschneise auch nicht so genau ausgezeichnet. Auch die
Hafendarstellung mit den Stegen lässt zu wünschen übrig,
warum wurde das nicht aktualisiert?
Um halb eins kann ich den Motor
ausmachen, leider ist zum Anlegen gegen den Wind keine Box frei, muss ich
also mit dem Wind anlegen. Klappt auch ganz gut, ich fahre nicht gegen den
Steg. Jetzt noch schnell die üblichen Routinen, Strom legen,
Bezahlautomat, Regenplane, Bericht schreiben. Zur Belohnung scheint die
Sonne, der Himmel hellt auf, es ist mal wieder was Blaues zu sehen. Alles
in allem bin ich froh, es hinter mir zu haben, wenn es regnet bei 14
°C, die Nässe allmählich in die Kleidung reinkriecht, alle
paar Minuten die Brille zugetropft ist, das Boot wie ein Korken auf dem
Wasser tanzt, jede kleinste Unachtsamkeit das Vorsegel rumschlagen
lässt, das alles macht keinen großen Spaß. Ja, warum mache
ich das? Vielleicht in der Hoffnung, dass noch der SOMMER kommt, mit
Temperaturen über 25 °C, warmen Winden, sanften Wellen usw. Und
wenn dem nicht so ist, was dann?
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Montag, der 18. Juli:
Aarhus
Der heutige Segeltag war das,
was man als easy-going-segeln verzeichnen würde: Schnurgerader Kurs
nach Norden, Wind aus Westen mit Stärke drei bis vier, in Böen
ein Bft mehr, Seegang 1-2, Wellenhöhe unter einem halben Meter.
Morgens um sieben Uhr war die "Welt noch in Ordnung": Sonnenschein, blauer
Himmel, wenige Wolken. Aber es macht sich zu, der Himmel wird grau und
grauer und ich warte auf Ulrich, meinen Segelkameraden, der sich gestern
telefonisch für die heutige Fahrt nach Aarhus angekündigt hat.
Und endlich, nachdem längst alles fertig ist und bereit zu Abfahrt,
klingelt das Handy, er kommt eine halbe Stunde später, mit seiner
Lebensgefährtin, die dann mit dem Auto nach Aarhus fährt, und das
Notwendige für einen schönen Grillnachmittag besorgt.
Als dann die Leinen losgeworfen
werden, und es klappt immer besser mit dem Ablegen, dauert es keine drei
Stunden mit unseren beiden Segeln, bis wir in Aarhusens Südhafen
Marselisborg angekommen sind. Wie gesagt, immer nach Norden, wenige
Untiefen, hier und da ein paar Segler unterwegs, auch mal eine Fähre,
die zum Containerhafen unterwegs ist, und das Wetter zwar nicht von der
schönsten Seite, aber auch nicht grauselig kalt. Kurz vor dem Hafen
dann die ersten Tropfen, aber das war's dann auch schon. O.K., es
hätte die Sonne scheinen können, 18 °C sind auch nicht
gerade zum Verwöhnen da, aber was soll's. Ich muss es nehmen, wie es
kommt.
Das Grillen danach war
jedenfalls sehr schön, dass ich nicht selber kochen musste, dass ich
mal wieder Fleisch zwischen die Zähne bekam, mit Kartoffel- und ein
bisschen grünem Salat, zum Trinken gibt es sowieso nur Wasser. Ulrich
hat bedauert, dass kein Seglerbier an Bord ist, aber hier ist
überhaupt nichts Alkoholisches an Bord. Und die Gespräche, weil
ich hier in Dänemark ja nicht gerade im Zentrum des
Kommunikationsorkans sitze. Mit den dänischen Menschen komme ich
schwer in Kontakt, die Älteren sprechen auch ein bisschen Deutsch,
tysk heißt das hier, die Jüngeren, da geht nur Englisch, und mein
Englisch das lässt doch sehr zu wünschen übrig. Habe
übrigens neulich ein Wörterbuch gekauft, in einem Antiquariat in
Vejle, aber richtig einsetzen konnte ich es noch nicht. Vielleicht eher was
für den Fall aller Fälle!
Als die beiden gefahren sind,
sie müssen noch nach Fünen auf einen Campingplatz, hat mir das
richtig leid getan, so kurz der Besuch und schon wieder weg. Aber bis zu
ihrem Wohnwagen sind es auch mehr als zwei Stunden. Und mir blieb dann der
Abwasch, aber das war nichts im Vergleich zu dem Vergnügen das ich
hatte, endlich mal wieder sprechen zu können.
Das WLAN ist hier leider sehr
schwach, obwohl ich genau gegenüber dem Signalmasten liege. Und
deswegen kann es vielleicht dauern, bis der Bericht wieder im Netz steht.
Morgen steht dann die Stadt an, mit dem Fahrrad zwei Kilometer, und die
nächsten Tage soll es richtig warm werden, 23 und mehr grad Celsius.
Ich bin gespannt, ob ich mal eine Nacht ohne Heizung schlafen
werde.
Aus dem Stadtbesuch wird heute,
am Dienstag, leider nichts. Erst mal ist nach einem Segeltag, und
auch wenn er nur kurz war, Ausschlafen angesagt. Herrlich, dieses
Gefühl, morgens nicht früh aus der warmen Koje zu müssen,
wieder nur grauer Himmel vor dem Cockpit. Und ebenfalls herrlich, nicht zum
Bezahlautomat zu müssen. In den meisten Häfen ist es ja wie im
Hotel: Auschecken bis 12 Uhr (im Hotel meistens früher). Und dann ein
gemütliches Frühstück, sich Zeit lassen, trödeln
können, nicht immer die notwendige Disziplin aufbringen zu
müssen. Und nach dem Frühstück sind erstmal ein paar
Reparaturen angesagt: Die beiden vorderen Wünschen müssen
dringend gereinigt und gefettet werden. Also alles Werkzeug bereit machen,
Reinigungsbenzin, Lappen, Handschuhe und was man sonst noch braucht. Dann
die Sicherungsringe vorsichtig aufhebeln, die Winschen hochheben und das
Getriebe darunter säubern. Danach wird eingefettet und der
Winschenkopf kommt wieder drauf, dann Sicherungsring einsetzen und fertig.
Jetzt laufen sie wieder wie "geschmiert".
Danach beschließe ich, die
Dusche mal wieder zu benutzen. Und dann passiert, was nicht passieren
sollte: das erste Mal reicht das Guthaben auf der Karte, aber als ich dann
mich zum zweiten Mal eingeseift habe, ist die Karte leer. Die restlichen 3
Kronen reichen nicht mehr für weitere drei Minuten. Eingeseift stehe
ich da und überlege, was zu tun. Nackt zum Boot, Geld holen,
Bezahlkarte auffüllen und weiterduschen? Ich denke, das ist das, was
ich nicht tun sollte. Also wasche ich an einem normalen Waschbecken den
ganzen Schaum und die Seife ab, nachher muss eben der Boden trocken gefegt
werden werden, mit so einem üblichen Abzieher. Hat auch alles
geklappt, gut war, dass ich ganz allein im Waschraum war. Peinlich,
peinlich, wenn das morgens passiert wäre. Aber um den frühen
Nachmittag sind die Duschen meistens leer.
Jetzt sitze ich fast in der
Sonne, die nächsten Tage soll es ja richtig warm werden, 24 - 25
°C. Ist das der Sommer, der nun kommt? Leider wird dann der Wind auch
einschlafen, beides kann ich hier wohl nicht haben. Hauptsache, es wird mal
ein bisschen wärmer.
Und tatsächlich, der
Wetterbericht hält Wort: Ab morgens strahlender Sonnenschein, schnell
ist das Thermometer auf 26 °C geklettert. Die wenigen weißen
Wolken am blauen Bilderbuchhimmel wie festgetackert, es geht kein Wind.
Nach einigen Reinigungsarbeiten - es war mal wieder Wasser im Schiff, in
der Bilge, ich weiß nicht wo es herkommt - fahre ich mit dem Rad in
die Stadt. Die eineinhalb Kilometer sind auf den breiten Radwegen schnell
geschafft und schon bin ich in der Fußgängerzone, wo sich
Geschäft an Geschäft aneinanderreiht. Auch kein Unterschied zu
Deutschland, aber irgendwie doch anders. Zum einen sind hier sehr viel
junge Leute unterwegs, Aarhus ist ja auch eine Studentenstadt. Und bei dem
heutigen Sonnenschein ist Shopping einfach angesagt. Und so flanieren sie
denn, die Massen, vor allem viele junge Mädchen mit den
Einkaufstüten der bekannten Modefirmen. Und zum anderen, weil es
wirklich sehr viele Cafe's und Restaurants gibt, mit ihren Tischen
draußen am Rande des Menschenstroms, aber auch viele Bänke und
schattige oder sonnige Sitzgelegenheiten.
Und wie ich so durch die
Fußgängerzone mein Rad schiebe, fahren ist wohl verboten, finde
ich die Vor Frue Kirke, leider verschlossen. Dafür ist an einem Ende
der sehr weitläufigen Einkaufszone, die sich über mehrere
Parallelstraßen erstreckt, der St. Clemens Dom offen. Als ich
eintrete, übt jemand gerade auf der gewaltigen Orgel. Die Kirche mit
ihrem 93 Meter langen Schiff ist die längste Kirche Dänemarks,
mit ihrem Bau wurde zwischen 1200 und 1250 angefangen, ursprünglich
als romanische Basilika. Nach einem Brand wurde die Kirche um 1400 zu einer
gotischen Kathedrale umgebaut (nach Jan Werner, Törnführer
Dänemark, 8. Auflage, Bielefeld 2013).
Weiter geht es, mit geschobenem
Rad. Dazwischen finde ich mal einen Discounter, bei dem ich meine
Lebensmittelvorräte ergänzen kann. Ein junger Mann in einem
Telia-Handyshop kann mir mein Telefonproblem auch nicht erklären,
anscheinend ist es der Firma egal, ob der Kunde sein Guthabenkonto
kontrollieren kann oder nicht. Ist der gekaufte Betrag aufgebraucht, muss
er eben an einer Tankstelle oder etwas ähnlichem eine neue
kaufen.
Des Schiebens müde
geworden, fahre ich auf eine Straße, in der nur Radfahrer verkehren
und komme in den Bereich des Aarhus Kunstmuseums ARoS, vor der die Skulptur
eines fliegenden Wals aus Metall ausgestellt ist. Vor dem daneben gebauten
Musikhuset ist ein kleines Becken, vielleicht 10 mal 20 Meter und nur
wenige Zentimeter tief in den Boden eingelassen. Um diesen "Teich" sitzt
die Jugend, die Füße im Wasser, und macht was: Alle schauen sie
auf ihre Smartphones, wohl wahrscheinlich in das momentan hype Spiel
Pokemon Go vertieft. Es ist schon irgendwie absurd: die Menschen schauen
nicht in die Umgebung, zu ihren anderen Mitmenschen, Gespräche finden
nicht statt, im Gruppenmodus wird einem Computerspiel hinterhergejagt. Der
Schlussfolgerungen enthalte ich mich hier, die Moralkeule bleibt im
Rucksack.
Nach einigen Stunden Aarhus
reicht es mir, jetzt aufs Boot, Fotos aufbereiten und Bericht schreiben.
Morgen geht es, so Gott will, nach Ebeltoft, an den Süden der
Halbinsel Djursland. Dann nach Grenaa oder Grenå. Und
mal sehen, wie das Wetter mitspielt.
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Donnerstag, den 21. Juli:
Ebeltoft
Der heutige Fahrenstag war
jetzt nicht der Hammer, aber auch nicht schlecht. Heute morgen beim ersten
Blick aus der Kajüte: Alles bedeckt, wenig Wind, aber kein Regen. Und
auch nicht kalt, so um die 23 ° C herum, nach Gefühl. Teilweise
scheint auch die Sonne. Kurz vor neun geht es auf die Reise, nach Ebeltoft
an der Südseite der Halbinsel Djursland. Der Kurs: nach Südost.
Und wie der Teufel es will: Wind von gegenan, also aus Südost. Den
ganzen Tag. Deswegen wird erstmal motort, bis zum Leuchtfeuer Sletterhage
im Süden der kleineren Halbinsel Helgenæs.
Ab diesem Punkt ein kurzes Stück nach Osten, genau 90°, um dann
an der westlichen Untiefentonne Skadegrund nach Nord-Nordost zu steuern.
Aber da war der Wind schon wesentlich schwächer, ich habe es versucht,
aber mit unter zwei Knoten komme ich abends an. Das halte ich nicht aus,
also die Genua wieder eingezogen und den Motor angeworfen. Inzwischen ist
es so warm geworden, dass ich mich langsam aus meiner Regenkleidung
herausschäle. Ohne Pullover an Deck, das hat es schon lange nicht mehr
gegeben. 26 °C zeigt das Thermometer unter der Sprayhood an, also
schon richtig warm
Nach etwas mehr als
fünfeinhalb Stunden bin ich in Ebeltoft, einer Kleinstadt, von der
noch zu berichten sein wird. Die ganze Strecke laut GPS: 23 Seemeilen.
Eigentlich schon ein ganzes Stück, aber nach Grenaa wäre es mir
heute zu weit gewesen. Ja, wie sich das Wetter von einem Tag auf den
anderen ändern kann, gestern noch knalliger Sonnenschein vom blauen
Bilderbuchhimmel, heute schon wieder viel Grau, aber kein Regen. Das ist
mir das wichtigste, von unten Wasser und dann noch von oben, das ist
irgendwie deprimierend.
Nach dem Klarschiffmachen erst
mal das Übliche: Strom, Plane, Hafengeld, aufräumen. Der Hafen
ist nicht teuer, für dänische Verhältnisse, 130 DKK für
eine Nacht und das Internet ist prima. Inzwischen schaue ich schon beim
Reinfahren, wo der Hafenkontor liegt, weil da auch meistens die
WiFi-Sendeanlagen sind. Und das Anlegen, alleine, ohne Hilfe, hat super
geklappt, beide Achterleinen angelegt, kein Zusammenstoß mit einem
Nachbarschiff.
Ach ja, unterwegs hatte ich so
meine Angstmomente: die lange Vorleine machte sich auf den Weg Richtung
Wasser, zwar ordentlich aufgeschossen und am Bugkorb festgemacht, aber
irgendwann nicht mehr richtig zu sehen und zu kontrollieren. Unterwegs, bei
mehr als einem halben Meter Seegang, das waren wohl die Reste der
vergangenen Tage, wollte ich nicht nach vorne. Also immer wieder schauen,
schauen, schauen. Aber sie bleibt bis zum Schluss an ihrem Platz, als ich
in den Hafen einfahre, kann ich sie gefahrlos klarmachen. Summa summarum:
nichts aufregendes, alles gut gegangen, wieder ein Stück
weitergekommen.
Heute, Freitag, ist ein
Super-Wetter. Sonne, blauer Himmel, etwas Wind. Zwischendurch, um die
Mittagszeit, ist es richtig heiß. Gerade richtig, um in die "Stadt" zu
fahren, einiges anzuschauen, vielleicht ein bisschen einkaufen, wer
weiß was kommt. Dank des Rades bin ich ja sehr mobil, alles zu laufen
hätte mich abgeschreckt.
Also erst mal zum alten
Fischerhafen, dessen Wasserblau mit dem Himmelsblau wetteifert: wer ist die
schönste Farbe? Viel los ist hier nicht, eine kleine Gaststätte,
die Leute sitzen draußen, speisen und trinken Weißwein. Rechts
vom Hafen, wie auch von der Marina, Ferienhäuser, in dem hier
üblichen Rostrot angestrichen, im Fischereihafen sind sie schwarz. Der
Ort hat sich dank des Tourismus' ordentlich gemacht, das kann man sofort
erkennen.
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Und dann der "Magnet", der Star der Szene: die Fregatte
JYLLAND, Dänemarks letztes stolzes Kriegsschiff, das aber angeblich
nie zum Einsatz gekommen sein soll. Jetzt zum Museum umgebaut, Eintritt 125
DKK, das war mir dann doch zu teuer. Von außen sieht es ja auch
schön aus, ich kann mir vorstellen, wie die Matrosen die Wanten
hochgeklettert sind, um die Rahsegel loszumachen. Sicher ein Schiff, das
noch einige Erkundungen wert ist.
Dann geht es den "Berg" hoch in die Innenstadt. Radfahren
geht schon aus straßentechnischen Gründen nicht: es gibt fast nur
Kopfsteinpflaster, außer auf den außerhalb des Stadtkern
liegenden Radwegen.
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Abb. 27: Fregatte JYLLAND |
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Da liegen sie dann, die wenigen
malerischen Gässchen, vollgestopft mit alten Häusern links und
rechts, in denen moderne Geschäfte mit traditionellem Handwerk um die
Kunden buhlen. Dazwischen dann mal eine Döner- oder HotDog-Bude,
ein
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Eislädchen, aber auch der Eingang in uralte
Behausungen, geduckt, verwinkelt und verdunkelt, oft im Schatten alter
Bäume. Da wird dann altes Handwerk ausgestellt, Flachs- und
Wolleherstellung, oder wie aus dem Horn der Tiere Schmuck gedrechselt wird.
Immerhin, muss man auch sagen, nicht ganz so aufdringlich kommerziell, auch
schön hergemacht. Nach Ebeltoft kommen eben im Sommer Tausende, die
Stadt ist ein kleines Museum, nicht so groß wie Marstal oder Ærøskøbing, und die Menschen hier leben davon.
Auch die Stockrosen dürfen nicht fehlen, |
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Abb. 28: Typisches altes
Haus in Ebeltoft |
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das dänische Kleinstadtbild aus
der "alten Zeit" ist eben schon ein ganz bestimmtes, eben putzig.
Eigentlich fehlen nur noch entsprechend verkleidete Menschen hier, aber
solche Bilder gibt es an bestimmten Tagen bestimmt auch.
Ich fahre zurück zum
Hafen, auf dem Weg dahin sehe ich zwei Tankstellen, was mich veranlasst,
wieder mal Treibstoff zu bunkern. Zwar gibt es hier auch Diesel, aber
erstens nur morgens von 8 bis 10 Uhr und zweitens wird dem Hafendiesel
nachgesagt, dass er nicht so sauber ist wie der an Tankstellen, weil er oft
lange in den Tanks gelagert und nur wenig nachgefragt wird. Also meine drei
Reservetanks in zwei Fahrten in den Radkorb, zur Tankstelle, bezahlen und
das war's dann. Jetzt sind alle Vorräte wieder aufgefüllt, die
nächsten Tage soll es ja recht windstill werden, dann ist wieder
motoren angesagt.
Im Hafen angekommen, sitzen die
dänischen Menschen an den überall angebrachten Tischen und
Bänken und essen. Mahlzeiten in der Öffentlichkeit, über
sich den blauen Himmel, ein laues Lüftchen spürbar, das macht den
Menschen hier offensichtlich Spaß. Man kann sie nur darum beneiden, um
diese Gelassenheit.
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Sonntag, den 24. Juli:
Grenaa
Heute ist nichts mit Wind:
Schon morgens um acht Uhr Windstärke null bis eins, ein leichtes
Säuseln aus Südosten. Dann wird das eben ein Motortag, oder die
Hoffnung lebt auf, dass draußen auf dem Kattegat mehr los ist. Zuerst
geht der Kurs nach der Ausfahrt von Ebeltoft ziemlich stracks nach
Süden, 180 °, bis dann nach Osten Richtung Insel Hjelm abgebogen
wird. Ein kurzes Stück, bis zur Untiefentonne Klokkegrund, an der
Tonne dann nach Backbord, Kurs ca. 10 ° nach Norden, immer an der
Küste entlang.
In der Ebeltoft Vig, zu deutsch
Bucht, im Ostdeutschen heißt das dann Wiek, ist das Wasser leicht
gerunzelt, wie Öl in der Pfanne kurz vor dem Sieden. Der Autopilot
macht heute die Arbeit, ich will das Wasser studieren, die Ufer, den Blick
auf die Küsten, zum offenen Meer, dem Kattegat hin. Immerhin bin ich
ja jetzt aus dem Schatten der schützenden Inseln und Halbinseln
heraus, immerhin erwartet mich jetzt das rauhe Kattegat, von dem ein Segler
in Gelting Mole, die Stirn in Falten werfend, den Mund etwas verzogen,
sagte: "Kattegat, na' dann erstmal viel Spaß." Als ich ihm dann
erzählte, bis nach Skagen zu wollen, sprach er von Grenaa, dem Hafen,
in dem ich jetzt liege: "Grenaa, wenn da die Welle vor der Hafeneinfahrt
liegt... Da kommt man nicht durch." Was er meinte, ist die Barre, die sich
bei Windstärke sechs und mehr und Ostwind vor der Hafeneinfahrt
bildet. Ich habe aber heute Windstärke 1, Böen - weit gefehlt, es
säuselt leicht, das Kattegat ist friedlich.
Und dann kenne ich ja das
Kattegat aus den Segelschiffromanen meiner Kindheit, durchs Skagerak und
Kattegat mussten die Drei- und Viermaster, wenn sie von der Nordsee in die
Ostsee wollten, zum Handel mit den baltischen Ländern oder den
Skandinaviern. Oder eben andersrum. Und das Skagerrak, das hat so etwas wie
ein kleines Kap Hoorn an sich, die See ist rau, hier treffen die
Strömungen und der Wind aus Ost- und Nordsee zusammen, das knallt, der
Seemann muss gucken, dass er nicht untergeht. Und nicht zuletzt die
Schlachten der deutschen Kriegsflotten im Skagerrak, ach waren das noch
Zeiten, wo man als Bub die aufregenden Bücher verschlang, Essen und
Hausaufgaben vergessend, sich an Bord der Schiffe träumte und mit den
Kameraden Schlachten schlug. Aber heute ist alles anders, das Meer ist
fríedlich, es will nichts von mir, ich nur, bis nach Grenaa zu
kommen.
Mir gegenüber, ich sitze
auf der Steuerbordseite, lasse steuern, das Land, mal mit einem kleinen
Steilufer, dann wieder Strände, langsam ansteigend, dazuwischen
Wälder oder kleine Baumgruppen, Felder mit gelb-goldigem Getreide,
alles ist friedlich hier. Ich sitze im Hemd auf dem Süllbord, der
hohen Kante, angeleint, auch wenn die Reling doppelt abgesichert ist, und
schaue und schaue in die Natur. Viele Boote sind heute unterwegs, einige
versuchen es mit den Segeln, andere lassen es gleich bleiben. Die Musik
kommt aus meinem kleinen Apparat und versucht, den Motor zu
übertönen, es bleibt aber beim Versuch.
Um halb elf frischt es etwas
auf, ich rolle die Genua aus, überlege hin und her, ob ich das
Groß aufmachen soll, nichts ist vorbereitet und es lockt mich doch.
Also nach vorne gehen, den Reißverschluss öffnen, die
Großfall anschlagen, alle Leinen klarmachen, dann ab in den Wind, der
Pinnenpilot hat jetzt mal Pause, rasch das Großsegel hoch, wie das
flutscht an der neu geschmierten Winsch! Jetzt ist es oben, noch ein
bisschen stramm gezogen, dann abfallen und siehe da, es wird so etwas um
die drei Knoten, mehr ist heute nicht drin. Die Strömung schiebt auch
noch etwas mit.
Das genieße ich so eine
Stunde, dann wird es mir doch zu langweilig. Leicht gesagt, der Weg ist das
Ziel, das Ziel ist eben auch immer das Ziel, vielleicht das zweite,
manchmal auch sicher das vorrangige. Um vier Uhr in Grenaa anzukommen, dann
ist sicher alles voll.
Also wird später, nach
einer Stunde Segeln, alles wieder eingepackt, und weiter geht es mit
dieselsparenden 2000 Umdrehungen/Min. Und schon in Sichtweite von Grenaa,
da ändert das friedliche Kattegat auf einmal sein Gesicht: Der Strom
kippt um, er kostet mich jetzt mindestens einen Knoten Geschwindigkeit, und
selbst bei Windstärke eins bilden sich Wellen, einen halben Meter
hoch, mit Schaumköpfen, wie wenn es Windstärke drei oder vier
wäre. Alles geschuldet den Untiefen, hier dem Havknude Flak, einer
Untiefe von immer noch mindestens vier Metern Wasserstand. Danach, nach dem
Flak, beruhigt sich die See wieder, jetzt muss ich nur noch die beiden
Flachgebiete Polderrev und Naveren überwinden, das letztere mit einer
Tiefe von 1,3 Metern, ideal zum Auflaufen. Nur so als Scherz: "Deutscher
Segler läuft auf gut ausgezeichnete Untiefe auf, die einzig wirklich
gefährliche vor Grenaa! Was hat ihn angezogen?" Das sind die
Albtraumreste des letzten Jahres, die ostdeutschen Boddengewässer
lassen grüssen.
Um kurz nach zwei Uhr ist alles
überstanden, ich lege an, zwei Heckleinen, zack, zack, eine nach der
anderen. nur die Vorleinen, die waren noch nicht lose. Eine nette Deutsche
ist so geduldig zu warten und hilft mir, aber auch kein wirklicher Stress
in diesem Moment. Für die 28 Seemeilen habe ich knapp sechs Stunden
gebraucht, ohne Segeln wäre es etwas schneller gewesen. Ein
heißer, wirklich heißer Sonnentag. Jetzt schnell den Strom legen,
vor einem Schweden belege ich die letzte Steckdose, aber er hat in seiner
12-Meter-Yacht auch bestimmt ein langes Kabel, bezahlen, dann die
Sonnenplane und erstmal was essen. Und dann schreiben.
Der Versuch, die Dateien ins
Internet zu stellen oder eine mail zu beantworten, misslingt mehrfach.
Grenaa hat nur ein ganz schwaches Netz, langsam, immer wieder
zusammenbrechend und abstürzend. Da bin ich doch von Dänemark was
anderes gewohnt, aber nicht jeder Hafen hat eben den Standard von Vejle.
Vielleicht geht es nachts besser, wer weiß!
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Am nächsten Tag,
Montag, ist der Besuch des Kattegat-Centers angesagt. Eine
große Meeres-Ausstellung mit zahlreichen Aquarien, vor allem tropische
Fische darin schwimmend. Die Attraktion: Haifütterung um 14 Uhr, ich
komme gerade noch rechtzeitig. Da steht dann einer der Fütterer im
Overall im Wasser, den beiden Haien vor sich kleine Häppchen
anbietend. Er hält sie mit einer Greifzange direkt vor deren Mail, und
der Hai packt zu, wie
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Abb. 29: Haifütterung
im Kattegat-Center |
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vom elektrischen Schlag getroffen. Es geht
ein Schütteln durch ihn durch, das Wasser wird von der
Schwanzflosse aufgepeitscht, man möchte jetzt nicht die Hand zwischen
den vielen, sägezahnartigen Messern haben, die so zahlreich in seinem
Maul untergebracht sind. Immer wieder streichelt der Wärter die beiden
Fische, um sie zu beruhigen, die wohl - auch wenn schon jahrelang erlebt -
die Situation nicht als normal empfinden. Schließlich frisst der
Hai, |
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Abb. 30: Da schnappt er
zu! |
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in dem er aus seinem Opfer
Stücke lebendigen Fleisches heraus reißt, nicht mal so nebenbei!
Es ist ein Akt des Kampfes, des Überlebens, der Stärkere setzt
sich durch. Da steckt Gewalt und Kraftentfaltung dahinter, mir flösst
es Respekt ein und ich denke, zum Glück bin ich nicht in der Karibik
oder an der Küste Floridas, wo die Haie herkommen. Beide Fütterer
sprechen in Dänisch, nachher auch einige Worte in Englisch. Ich
verstehe kein Wort, aber in einem anschließenden Video wird einiges in
deutscher Sprache erklärt.
So sind leider auch zahlreiche
Texte auf Schautafeln nur in Englisch/Dänisch, aber irgendwie kann ich
mir auch so verdeutlichen, was sie sagen wollen. Viele
Ausstellungsstücke sind Computeranimationen, z.B. wie stark man pumpen
muss, um einen Wind bestimmter Stärke hervorzurufen. So sind denn auch
die zahlreichen wuseligen Kinder gut beschäftigt. Und überall,
auf jeder Etage und in vielen Ecken, locken die Burgers und die Pizzas, so
ein Museum muss Umsatz machen, wer kommt schon außer in den Ferien
nach Grenaa.
Auf jeden Fall ein lohnender
Besuch, wenn auch nicht ganz billig. 160 DKK kostet es für einen
Erwachsenen, das sind mehr als 21 Euro. In einem Shop kurz vor dem Ausgang
kann man noch zahlreiche Geschenke und Nippes erstehen, auch das so
üblich in Museen dieser Art. Insgesamt ist das Kattegat-Center nicht
so groß wie das Ozeaneum in Stralsund, aber mit der Haifütterung
bietet es einen Pluspunkt, den nicht jedes Museum dieser Art vorzuzeigen
hat. Interessant auch die Objekte aus dem Kattegat selbst, hier vor allem
eine Bodenreliefkarte, die mir verdeutlicht, warum und wie es sich mit den
Strömungen verhält. Schließlich ist das Kattegat keine
zwischen Dänemark und Schweden eingelassene Badewanne, sondern von
zahlreichen Erhebungen und Vertiefungen, richtig gehenden Schluchten und
Tälern, Bergen und Hügeln gekennzeichnet. Und das macht deutlich,
warum die Strömungen auf der schwedischen Seite oder zwischen
Fünen bzw. Als und dem Festland so stark sein können.
Den anschließenden Weg in
die Innenstadt erledige ich mit dem Rad, hier hat Grenaa nicht viel zu
bieten als andere Kleinstädte in der Region auch. Ein historisches
Zentrum sucht man vergebens, aber deswegen bin ich ja auch nicht
hierhergekommen.
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Dienstag, den 26. Juli: Bønnerup
Wieder ein Stück weiter
nach Norden. Die Fahrt nach Bønnerup war mal
wieder eine hübsche Mischung aus Segeln und motoren, wobei dann doch
das zweite überwog. Um halb neun springt schon der Motor an, bei
leichtem Westwind im Hafen von Grenaa war es mit der Spring ein leichtes,
aus der Box zu kommen. Eine Viertelstunde später und mit genügend
Abstand zur Hafeneinfahrt folgt die Genua. Das Großsegel ist mir heute
zu mühsam, es wird so wie so nur ein kurzes Stück schnurstracks
nach Norden gehen, wo ich segeln kann. Immerhin, das Meer überlegt
noch, ob es heute friedlich oder etwas gewaltig sein will und meistens
entscheidet es sich für ersteres.
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Vorbei geht es dann an der
Steilküste, die sich in drei Abschnitte aufteilt: Nach dem Leuchtturm
von Fornæs an der Landspitze von
Kragenæs kommt zuerst
Sangstrup Klint, das längste Stück, dann Karlby Klint, etwas
kürzer und zuletzt Gjerrild Klint, Wenn die Sonne drauf scheint,
strahlen die Klippen hell zurück, was bei dem gegenwärtigen
Wetter nur manchmal der Fall ist. Es sind doch viele Wolken am Himmel, aber
es ist kein Regen angesagt. In der Gjerrild Bucht läuft dann der Kurs
auf der Höhe des Dorfes nach
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Abb. 31: Steilküste von Sangstrup
Klint |
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Abb. 32: Steilküste von
Gjerrild Klint |
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Nordwesten, um beim
Gjerrild Flak (Flach) so ziemlich ganz nach Westen
abzudrehen.
Und da stehen sie auch schon,
die sieben Windräder, die an der Hafeneinfahrt von Bønnerup aufgestellt sind. Eine bessere Landmarke kann man
sich kaum denken. Jetzt muss nur noch ein Punkt nördlich der
Hafeneinfahrt angesteuert werden, so dass diese im Süden liegt.
Empfiehlt jedenfalls der Törnführer, und er muss es ja
wissen.
Im etwas verwirrenden Hafen, mich orientierend
an der Hafenplänen, finde ich im Yachthafen ganz vorne am zweiten Steg
einen ruhigen Platz. Um mich herum kein bewohntes Schiff, gegenüber
einige Dänen. Und Schweden, die jetzt schon - auf dem Weg nach Norden
- zahlreicher werden. Wann immer dann später, so am Frühabend,
der Hafen voll ist, sieht man das Geglucke: Dänen sitzen bei
Dänen, die Schweden liegen ebenfalls gerne bei ihren Landsleuten und
die Deutschen sind auch nicht anders.
Jetzt kurz bezahlen, aufräumen, essen und
schreiben. Und eins muss man gleich zu Beginn feststellen: der Hafen, so
unscheinbar er auch aussieht, bietet seinen Gästen das bisher
schnellste Internet. Allerdings auch nicht umsonst: Bei der Anmeldung muss
man seinen Namen angeben (da kann man natürlich auch schwindeln),
seine email-Adresse (es gibt auch fiktive Adressen), das Programm
liest die MAC-Adresse der Netzwerkkarte (so was wie der Personalausweis:
Jede Netzwerkkarte hat ihre eigene Adresse, sie ist einmalig!, Jetzt ist
mit Schwindeln Schluss) und spätestens bei der Angabe einer
Transaktions-Nummer, die auf der Quittung des Bezahlvorgangs mit der
ec-Karte steht, kann genau kontrolliert werden, was jeder einzelne Benutzer
so macht. Deutsche Datenschützer würden sich die Haare raufen, in
Dänemark hat bisher wohl keiner gemeckert, es hat doch jeder "nichts
zu verbergen." Oder doch???
Wie auch immer, wenn ich an Grenaa denke, an
die vielen Verbindungsabbrüche, an die Stunden, die es gedauert hat,
Bilder und Bericht ins Netz zu stellen, dann soll mir das Recht sein. 54
MBit/S, das hat selbst Vejle nicht geboten. Und meinen Bericht, den
können die Dänen ruhig lesen. Steht doch auch meistens nur
Positives drin, was ja auch der Erfahrung entspricht. Wir haben auch schon
andere Erfahrungen mit Dänen gemacht, aber bisher war alles
bestens.
Ach ja, fast hätte ich es vergessen: die
17 Seemeilen waren in etwas mehr als vier Stunden geschafft, und Anlegen
war auch kein Thema mehr. Es klappt immer besser, mit den beiden
Heckleinen, den sechs oder sieben Fendern, nur die Bugleinen, da habe ich
noch nicht so den Trick raus, wie das schneller gehen könnte.
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Donnerstag, den 28. Juli:
Hals
Lang war die Fahrt nach Hals,
an der Mündung des Limfjords gelegen: Über sieben Stunden
für die 36 Seemeilen, davon leider wieder ein Großteil mit Motor.
Aber erstmals der Reihe nach: Die Abfahrt von Bønnerup war unspektakulär, das Ablegen war trotz
Seitenwind kein Thema. Danach ging es erst mal ein Stück nach Osten,
von den Flachs vor der Küste weg, dann nach Nordwesten. Dieser Kurs
ist nicht zu segeln, weht doch der Wind so ziemlich gegen an. Erst als der
Kurs ziemlich genau nach Norden geht, um das gefährliche Flach Tangen
zu umschiffen, ist das Vorsegel und das Groß gefragt. Also die ersten
eineinhalb Stunden mit Motor, dann mit den Segeln zwei Stunden, und jetzt
kommt die Flaute: Der Wind flacht ab, mehr als Stärke zwei ist nicht
drin, also wieder motoren, immer nach Norden. Die Selbststeuerung muss ran,
den größten Teil der Zeit hat sie gearbeitet. Auf See nichts
Spektakuläres, links das Land, recht weit weg, rechts die See, anfangs
unruhig, geradezu ruppig, dann sich beruhigend, zuletzt wie ein Ölfilm
in der Bratpfanne. Anfangs der Wind recht kalt, später wird es richtig
gehend heiß.
Kurz vor drei bin ich an der
Einfahrt nach Hals und erlebe dann im Hafen, was ich trotz frühester
Aufstehzeit befürchtet habe: Nach drei Uhr ist der Hafen voll.
Vielleicht ein bis zwei Boxen frei, die dann aber rot. Und jetzt sitze ich
hier im Päckchen als Zweiter, vor mir eine Grenada 311 von Dänen,
etwas größer als de Widzi, hinter mir eine Dufour 44, ein
richtiger Plastikbomber mit Dänen, dann noch ein richtiges Dickschiff,
mit Schweden. Dänen und Schweden verstehen sich richtig gut,
sprachlich ist da wohl nicht der große Unterschied. Aber die Leute
sind - bis jetzt - alle nett, sprechen Englisch zu einem Deutschen,
der selbst das manchmal nicht so richtig versteht, was teils wohl auch den
über sieben Stunden Fahrt in Sonne und manchmal richtig heiß an
Deck geschuldet ist. Aber ich denke, länger als bis morgen früh
wird das sowieso nicht auszuhalten sein, weil keiner das lange will. Segeln
besteht doch zu einem Teil auch daraus, dass man im Hafen seine Ruhe hat,
und wenn ich an mein oft mehrfaches Aufstehen die Nacht denke, dann
weiß ich jetzt schon, wer keine Ruhe haben wird.
Morgens geht's weiter, entweder
an einen anderen Liegeplatz, der hier ist auch sehr unruhig, oder nach nach
Ålborg, auch wenn das nochmals sechszehn
Seemeilen sind. Und von hier oder eben auch Ålborg will ich mit dem Buss
nach Skagen, und dort bis zur Spitze, wo sich Kattegat und Skagerak
treffen. Mal sehen, ob das so klappt.
So, der Bericht wird richtig
kurz, aber es ist ja auch nicht viel passiert. Wer weiß, wie viele
hier noch anlegen werden, das wird bestimmt eine unruhige Nacht. Recht
gesprächig sind sie auch, die Skandinavier. Wenn die sich mal am Steg
fest geredet haben, hören sie nicht so bald wieder auf.
Ach ja, das WiFi scheint auch
ganz gut zu sein.
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Freitag, den 29. Juli: Bønnerup
So schnell bin ich noch nie von
einem Hafenort "geflohen": Hals war mir einfach zu laut, zu voll und zu
ungemütlich. Eingekreist zwischen Dänen und Schweden, die sich
untereinander und mit seines-/ihresgleichen bestens verstanden, bis
spät abends am Kai auf den bereit gestellten Bänken saßen,
auf dem Tisch das daneben Gegrillte, mit Wein aus dem Karton. Und mit denen
sich keine Kontakte ergaben, sei es, weil ich mich nicht traute, sei es,
weil die Dänen und Schweden unter sich sein wollten. Sie hätten
auch nur Englisch mit mir radebrechen können, aber was? Woher ich
komme, was in Deutschland so abgeht? Kein Interesse! Die einzigen
Gespräche waren bei der Leinen- und Kabelübergabe von Reling zu
Reling am Kai. Vielleicht war ich denen auch zu popelig, mit meiner kleinen
Yacht und die mit ihren 44 Fuß großen Kisten, das sind alles
Schiffe über 13 Meter, mit allem Schnick-Schnack, was so ein
schwimmendes Wohnmobil heute bietet. Und natürlich waren sie
wesentlich jünger als meine alte Ente, die auch schon
siebenunddreißig Jahre auf dem Kiel hat.
Zwar hatten die Besitzer der
zwei Schiffe, die nach mir am Steg festgemacht waren, versprochen, morgens
früh loszumachen und abzufahren, aber aus dem wurde nichts.
Gemütlichkeit war angesagt, um ungefähr kurz nach neun sind sie
dann erst abgefahren. Madame musste noch Brötchen besorgen!
Und dann wohin: Heute war
Südwind dran, Windstärke 1-2 Bft, also motoren. Aber wohin? Noch
einen Hafen weiter nördlich hatte ich keine Lust mehr, ich muss ja
auch alles wieder zurückfahren. Außerdem sind die Häfen alle
ziemlich klein, zum Teil sehr flach, ich hätte also mindestens
nochmals zwanzig Seemeilen fahren müssen. Windrichtungsmäßig
gesehen wäre das zwar in Ordnung gewesen, aber mit der Windstärke
hätte es auch nicht so richtig gepasst.
Dann die sechszehn Seemeilen
bis Ålborg: von den Städten habe ich
mittlerweile auch genug. Mit dem Bus dahin: mindestens eine Stunde, und wie
komme ich dann nach Skagen und wieder zurück? Zumal es von Skagen aus
bis zur Landspitze, wo "Klein-Kap-Hoorn" liegt, auch nochmals zwei
Kilometer sind. War mir zu mühsam, ich hatte keinen Drive mehr.
Vielleicht wäre alles anders gelaufen, wenn das Wetter mitgemacht
hätte, der Hafen nicht so voll mit Seegras gewesen wäre, ich
einen Platz in der Box gehabt und hätte ausschlafen können. Aber
irgendwie sollte es wohl nicht sein, und so bleibt Skagen weiterhin im
Bereich meiner Träume, aber nicht der dringlichsten.
So blieb nur der Weg
zurück, nach Bønnerup, wo ich jetzt sitze, nach
sieben Stunden Überfahrt, laut GPS "nur" vierunddreißig Seemeilen
statt auf dem Hinweg sechsunddreißig. Zwischendurch etwas Regen, der
hatte ja die letzten Tage ganz gefehlt, der Himmel grau in grau, das Meer
grau in grau, zwischendrin mal ein paar hellere Flecken, dann wieder
dunklere, oben wie unten. Und ich mir mein Mantra vorsingend, es ist
bestimmt noch ein Platz frei.
Als ich um vier
Uhr an der Hafeneinfahrt bin, sehe ich: Alles voll! Ich fahre bis zum
vorletzten Steg, da ist eine freie Box, aber rot. Eine Dänin oder
Schwedin steigt von ihrem Boot, um mir zu signalisieren, dass ich da
reinkönne. Jedenfalls habe ich sie so verstanden. Ich fahre erst
zurück, dann denke ich, komm, was soll's, fahr da rein, sie geht
wieder auf dem Steg zu der Box, ich also wieder vorwärts und mit ihrer
Hilfe schaffe ich es rein. Die Vorleinen waren natürlich nicht klar
gemacht, sie meinte dann nur etwas süffisant, wenn ich Allein-Segler
bin, müsste ich doch das beherrschen. Tja, sagen wir mal so: Ich bin
beginnender Einhandsegler, und muss noch eine Menge lernen. Aber vielleicht
dachte sie auch, ich mache das schon seit Jahren, so alt und strubbelig,
wie ich aussah.
Jetzt sitze ich
unter Deck, der große Regen kam, gerade als ich vom Bezahlautomaten
zurück bin und die Regenplane anbringen wollte, nass geworden bin ich
schon, aber wenigstens ist jetzt alles unter Dach und Fach. Hoffentlich
kommt der Liegeplatzbesitzer nicht, ansonsten muss ich eben umziehen. Und
draußen schüttet es vom Himmel, es regnet so stark wie schon seit
langem nicht mehr, wie wenn der Himmel sagen wollte: Siehste, hast du doch
Glück gehabt, dass wir dich damit nicht auf der See überrascht
haben. Wie wahr!
Die Nacht
verläuft ziemlich unruhig, bin ich doch
in Sorge, dass der rechtmäßige Liegeplatzbesitzer noch kommt, um
seine Box in Beschlag zu nehmen. Nachts um ein Uhr höre ich auf einmal
Motorengeräusche, das muss er sein, jetzt muss ich in der Dunkelheit
und bei Regen raus und den Platz freigeben. Und dann wohin? Inzwischen
werden wohl alle Liegeplätze belegt sein. Aber es ist nur blinder
Alarm: Das Schiff - ein etwas gespenstischer Eindruck, der Skipper im Regen
am Steuer - dreht wieder ab, und bis morgens um sieben habe ich meine Ruhe,
als der Hafenmeister an meinen Relingskorb klopft. Ich schieße aus der
Koje raus, schnell den Mantel übergeworfen, aber alles in Ordnung. Er
hat wohl meinen Aufkleber an der inzwischen zweieinhalb Meter langen
Leine nicht gesehen, an der inzwischen alle
gesammelten Hafenquittungen aufgeklebt sind.
Am Vormittag
klärt sich alles auf um den Platz: Die rechtmäßigen Besitzer
haben ein paar Boxen weiter seewärts angelegt, an einem freien,
grünen Platz. Wir tauschen die Boxen, jetzt ist die Welt wieder in
Ordnung. Nach dem Einkaufen komme ich endlich zu meinem
Mittagsschläfchen, das habe ich mir nach dieser Nacht auch verdient.
Morgen werde ich wohl noch hier bleiben, erst mal das Weter checken, dann
gehts nach Grenaa, Ebeltoft, und dann nach Samsø. Der direkte Weg ist
mir zu lang, sieben Stunden fahren sind doch ganz schön
anstrengend.
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Montag, den 01. August:
Grenaa
Nach Grenaa ist es nur ein
"kurzes" Stück, sechszehn Seemeilen, und das in vier Stunden. Kurz
nach halb neun heißt es "Leinen los", auch diesmal wieder mit einer
Spring auf der Backbordseite, weil Westwind das Schiff sonst ans
Nachbarboot gedrückt hätte. So ging alles glatt, und nach einer
Viertelstunde ist bereits die Genua ausgerollt. Die Wetterangaben, DWD,
Windfinder und Zygrib von heute morgen: Fehlalarm. Der Windmesser zeigt auf
See ein Bft, wie heute morgen auch der Windfinder in seiner lokalen Angabe.
Also erstmal eine Stunde motoren, bis ich weiter draußen bin,
mindestens zwei Seemeilen vom Land weg. Wegen der Stellnetze, die bis drei
Seemeilen ins Meer reichen können.
Viertel vor zehn dann der 2.
Versuch mit der Genua, diesmal reicht es für ungefähr fünf
Knoten. Eigentlich sollten ja heute mindestens vier Bft vorherrschen, der
DWD hatte sogar eine Starkwind- und Sturmwarnung für das Kattegat
ausgegeben. Aber das galt wohl mehr für draußen, nicht in
Küstennähe. Fast eineinhalb Stunden kann ich segeln, der
Pinnenpilot macht die Arbeit, ich greife hin und wieder korrigierend ein
und konzentriere mich auf den Anblick der Weite der See und der Küste,
die ich ja nun schon kenne. Die verschiedenen, auf der Hinfahrt
beschriebenen Steilhänge ziehen an mir vorüber, jetzt im
Sonnenschein hell beleuchtet. Es gibt zwar Wolken, zunehmend werden sie
auch grauer und fliegen dann tiefer, aber darüber liegt eine Schicht
von weißen Cirrus-Schleiern.
Viertel nach elf ist Schluss
mit Lustig: der Wind flaut ab, jetzt nur noch 2 Bft, ich rolle das Segel
ein und muss nun zunehmend gegen Wind und Welle fahren. Zum Glück ist
während der ganzen Fahrt die See doch recht zahm, an einigen Stellen,
an denen sich die Wassertiefe ändert, gibt es mal höhere Wellen,
ansonsten bleibt die Wellenhöhe meist unter einem halben Meter. Hin
und wieder sehe und spüre ich die Dünung, aber auch das hält
sich in Grenzen.
Im Hafen von Grenaa: Viele
freie Boxen, ich kann mir aussuchen, wohin ich will. Und da frischt es
wieder auf, ich laufe in die Box, aber der Wind treibt mich quer, so dass
ich erst beim zweiten Anlauf mit Hilfe festmachen kann. Und mit der
Achterleine hat es diesmal nicht geklappt, die zweite muss ich nachher
anlegen, indem ich mich wieder zurückziehe. Der Seitenwind ist recht
stark, beruhigend, dass der junge Mann, der mir hilft, erzählt, ihnen
wäre das vorher auch passiert. Dabei bekommt dann der Flaggenstock
einen Knacks weg, also kann ich schon mal den nächsten
besorgen.
Vier Stunden für die
sechszehn Seemeilen, also eine ruhige, gemütliche Vormittagsfahrt.
Wahrscheinlich morgen geht es schon weiter nach Ebeltoft, weil der direkte
Weg nach Samsø zu lange ist. Und dann kommen
Tage mit Starkwind und aus Süden, da heißt es entweder im Hafen
bleiben oder dagegen an kacheln. Nicht so mein Ding, aber ich habe ja noch
einige Wochen Zeit, bis ich wieder in Heiligenhafen sein muss. Und, das
soll hier auch noch erwähnt werden, dazwischen immer wieder einige
Regenschauer, und kaum ist die Plane aufgezogen, geht es auch schon wieder
los mit dem Nass von oben. Eins habe ich hier bezüglich des Wetters
gelernt: Ich kann mich auf nichts verlassen! Blauer Himmel bedeutet nicht,
dass es nicht gleich regnen könnte, auch wenn nur einige graue Wolken
im Anflug sind. Und richtig warm wird es erst gegen Nachmittag, wenn im
Hafen die Brise ausbleibt. Ansonsten so gefühlte 14-15 °C, auch
nicht gerade lecker. Da war mal wieder Ganzkörper-Regenkleidung
angesagt.
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Dienstag, den 02. August:
Ebeltoft
Die Überfahrt nach
Ebeltoft ist eigentlich gar nicht so übel gelaufen: Sonne, Westwind
mit drei bis vier Bft, später auf Südwest drehend, kein Regen,
keine heftige See. Schon beim Aufstehen hat sich der Tag als gutes Datum
für eine Überfahrt vorgestellt, blauer Himmel beim Aufstehen, ein
bisschen Wärme, kein heftiger Wind im Hafen.
Nach der Ausfahrt aus Grenaa
werden eine Viertelstunde später beide Segel gesetzt, und das kann
auch eineinhalb Stunden so bleiben. Aber wie angekündigt dreht der
Wind nach Südwest, genau die Richtung, die meinen Kurs abbildet. Ich
bleibe so hoch am Wind wie es geht, aber de Widzi wird dabei
langsamer. Also muss der Motor ran, und die Selbststeuerung.
Ab der Insel Hjelm geht der
Kurs 270° nach Westen, dann nach ca. 2 Seemeilen erst
nordöstlich, dann nördlich. Jetzt könnte ich zwar nochmals
segeln, aber der Wind lässt in der Bucht von Ebeltoft doch merklich
nach. Dann lieber mit fünf Knoten und Motor als jetzt noch drei
Stunden vor sich hin schleichen.
Im Hafen, beim Einfahren in die
Box, bleibe ich mit dem Rettungsring an einem Pfosten hängen. Bin zu
nah dran, als ich einbiegen will. Also zweiter Anlauf, das klappt, aber
nachher bleibt das verbogene Gestell am Pfosten der Box hängen. Das
Festmachen war heute nicht so besonders, aber irgendwann bin ich doch drin,
kann alles klarmachen, zum Bezahlautomaten gehen, und aufräumen. Die
Halterung des Rettungsrings lässt sich einfach wieder gerade biegen,
den Flaggenstock hatte ich klugerweise schon vorher entfernt. Zwei Segler
haben mir geholfen, Anlegen mit Seitenwind ist eben nicht so einfach, zumal
wenn man auch noch die falsche Vorleine bereit gelegt hat. Aber was soll's,
jedenfalls der Trick mit der Mitnahme der Vorleine nach hinten klappt ganz
gut. Ich werde das auch mit der zweiten langen Leine machen, bisher ist
vorne eine lange und eine kurze angeschlagen. Der Schock mit der Leine in
der Schraube sitzt noch gut.
Jetzt ist erst mal mindestens
ein Tag Pause angesagt, die Frage ist ja, was mit dem Wetter und den
angekündigten Starkwindtagen wird.
Heute ist Montag, der 8.
August. Seit einer Woche sitze ich nun in Ebeltoft, gefangen vom Wind,
in meiner sicheren kleinen Nussschale von Boot. Draußen heult der Wind
in den Masten und Wanten, im Hafen gibt es Wellen, die die Boote hin und
her schaukeln, und draußen in der Bucht vor Ebeltoft schlagen die
Wogen weiße Schaumkronen. Es herrscht Windstärke fünf, in
Böen sechs bis sieben. Keiner möchte raus, und keiner kommt von
draußen rein. Vielleicht sind ein paar ganz Wagemutige draußen,
auf dem Kattegat, wo zweieinhalb Meter hohe Wellen dem Segler sagen, was
Sache ist. Mit einem richtig dicken Schiff sicherlich ein kleineres
Problem, aber mit meiner de Widzi? Das muss ich mir ja nicht
antun.
Und auch die nächsten Tage
wird es nicht richtig "lekker", zur Zeit ist der Wind entweder aus
der falschen Richtung und dann meistens noch zu stark, um weiterzukommen.
Auch wenn es nur 22 Seemeilen bis Mårup auf der Insel
Samsø sind. So bleibt hier nur eins: Die Zeit gut zu
verbringen, etwas aus einer Mischung von notwendiger Arbeit und
Sich-es-gut-gehen-lassen zu wählen, die wenigen Sonnenstrahlen, die
hin und wieder scheinen, zu genießen und froh zu sein, dass ich nicht
unterwegs sein muss, wie wenn ich z.B. ein Charterschiff hätte. Hier
in Ebeltoft habe ich alles, was ich brauche an Versorgung, ich kann mal
schnell mit dem Rad in die Stadt fahren, um noch einige Lebensmittel zu
kaufen, und das Internet ist hier auch sehr gut. Grund genug, hier zu
bleiben, auch wenn dann der Druck für die restlichen Tage der Tour
etwas größer wird. Dann gibt es keine oder nur noch kleinere
Pausen, dann muss gefahren werden, weil ich im ersten Drittel des
Septembers wieder in Heiligenhafen sein will.
Also, das Beste daraus machen,
was immer das im einzelnen auch sein mag. Im Moment scheint ja gerade
die Sonne, auch wenn der Himmel sich grau werdend zuzieht, die
Wetterstation meldet Regen an, der Luftdruck ist im freien Fall. Aber
allein schon die Meldungen aus drei Quellen immer wieder mit einander zu
vergleichen, kostet schon viel Zeit. Und was bleibt dann? Die Hoffnung,
dass es doch anders werde, endlich der Starkwind abnehme, die
Sturmwarnungen eingestellt würden, statt Regengüsse Sonnenschein
das Herz erwärme, der Sommer irgendwie doch wieder zurück
käme. Aber so ist es nicht, und während ich dies schreibe, lassen
die Böen das Schiff erzittern, greift der Wind die wenigen
Flächen, die Mast, Baum und Vorsegel im bieten, mit aller Wucht an,
wie wenn er sagen wollte: "Trau' dich ja nicht, bleib schön da, wo du
jetzt bist." Und ich füge mich dem, wohl wissend, wie klein ich bin
gegen die Gewalt und Kraft der Natur. Und so gilt es, weiter zu warten,
warten, warten. Aber auch die Gewissheit steht: Das Wetter wird sich
ändern, mir eine Chance geben, die ich nutzen muss. Nur wann? Geduld
ist angesagt, und das kann ich ja ganz gut. Und so wird es auch für
meine Leser wieder etwas dauern, bis im Reisenbericht 2016 was Neues
steht.
Und, ach ja, auch wenn es nicht
"modern" oder "cool" ist, in ein "Gästebuch" zu schreiben, aber einige
Rückmeldungen würden mich doch sehr erfreuen. So wie am
Anfang in Heiligenhafen, als ich einen Leser meines Berichts traf, der mir
erzählte, dass er meine Website lese. Das stärkt die Motivation,
das macht Freude, das gibt Perspektive. Also ihr lesenden Leute, auch wenn
es wenige sind, schreibt was!
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Donnerstag, den 11. August:
Mårup
Endlich,
endlich, ist sie gelungen: die Abfahrt aus Ebeltoft und damit die
Erreichung des nächsten Zieles, Mårup auf Samsø. Ich hatte
schon gedacht, von diesem Ort komme ich nicht mehr weg! Aber heute morgen
ist der Wind von Stärke und Richtung doch so, dass der Absprung gewagt
werden kann.
Vier Bft herrschen im Hafen, in
den Böen ein Bft mehr. Und das hat Folgen: Das Ablegemanöver
verlief nicht nach Plan, ich hätte auf eine Pause warten sollen, so
hat Ungeduld mein Handeln bestimmt. Zwar komme ich einigermaßen
glimpflich aus der Box heraus, der Anker schrammt eine Dalbe, aber das
Schiff dreht sich nicht so, wie ich will. Das ist eben der Punkt: was will
der Wind, was will ich? Nicht immer kompatibel!
Als ich dann in der
Ebeltoft-Bucht bin, Kurs West, denke ich, ich müsste schon die Genua
aufziehen. Dabei kam der Wind aus West, also volle Pulle von vorne. Bis ich
gemerkt habe, welchem Irrtum ich aufgesessen war, dreht das Schiff mal nach
links, mal nach rechts. Es macht, was es will. Anscheinend sind ihm die
zehn Tage in Ebeltoft auch nicht so gut bekommen. Ich muss ja erst zur
grünen Tonne, dem nördlichsten Punkt in der Bucht, bevor ich auf
Kurs Süd gehen kann. Aber das bekomme ich dann auch noch hin. Also
erst mal motoren, bis ich an der besagten Tonne bin, dann Kurs 190°
Süd.
Ab da läuft alles glatt,
nur: Das Kattegat sagt, wo es lang geht! Mit zuerst ziemlich steilen
Wellen, dann später meistens ein Meter hoch, seitwärts ankommend,
unter dem Schiff durch, wird das Ganze eine klassische Schiffschaukelfahrt.
Hoch, runter, hoch, runter, selten, dass mal kleinere Wellen
kommen. Der Pinnenpilot muss kräftig arbeiten, zwischendurch schalte
ich ihn dann mal aus, um etwas zu tun zu haben. Ich sitze an Deck, ganz
eingehüllt in meine Regenkleidung, sogar Handschuhe habe ich an. Bei
der Kälte bekomme ich schnell Krämpfe in den Fingern. Ziemlich
viele Segler sind unterwegs, Schiffe überholen oder queren mich, man
weiß ja nie, wohin deren Kurs führt. Bei vier Windstärken
und in Böen fünf bekommt die kleine de Widzi richtig
Fahrt, meistens um die fünf bis sechs Knoten. Das Großsegel hatte
ich gleich eingepackt gelassen, bei der Windstärke reicht mir das
Vorsegel.
Nachdem ich die Halbinsel
Helgenæs steuerbords quer ab liegen habe,
kommen Wind und Welle ungebremst aus der Aarhus-Bucht ins südliche
Kattegat. Jetzt sind die Wellen länger und noch mal ein Stückchen
höher. Erst gegen Mittag lässt der Wind nach, da ich nun ziemlich
180 ° fahren muss und der Wind mehr aus Südwesten kommt, mache
ich den Motor an und hole die Genua ein.
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Bald
wird das Bild von Samsø klarer, die Insel, die
bisher nur verschwommen vor mir lag, zeigt nun die Konturen ihrer Nord-,
später Westküste. Steilhänge wechseln sich ab mit sanften
Hügeln, ganz im Norden ist auch ein Strand erkennbar. Selbst die
Abhänge, die Klippen, sind meistens bewachsen, hin und wieder sieht
man ein einsames Haus oder Gehöft. Noch ist es ein ganzes Stück
bis zum Hafen von Mårup, der selbst
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Abb. 33: Steilküste von Samsø |
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nur aus der Hafenanlage mit vier
Stegen und ein paar Häusern besteht. Das Dorf Mårup By liegt einen Kilometer landeinwärts.
Um vierzehn Uhr mache ich den
Motor aus, bei seitwärtigem Wind verläuft auch das
Anlegemanöver nicht nach Wunsch. An den beiden Heckdalben festgemacht
läuft das Schiff trotzdem auf die Stegmauer zu. Das hat der Bugstange
nun einen kleinen rundlichen Bogen verpasst. Ein Däne, die mit einem
Zweiten mit dem Verholen und Festmachen ihres Schiffes
beschäftigt ist, kümmert sich kein bisschen darum, was links und
rechts von ihm passiert. Ihm wäre es ein leichtes gewesen, mal einen
Meter neben an zu gehen und den Bugkorb vom Steg abzuhalten. Aber ich
hätte auch mal schreien sollen. Vielleicht auch zu viel verlangt. Im
Hafen sind mehr Deutsche als Dänen, die meisten benutzen ihn so wie
ich nur als Zwischenstation auf dem Weg nach Norden oder
Süden.
Morgen soll's dann weitergehen
nach Kolby Kås, das liegt auch auf
Samsø, aber neuneinhalb Seemeilen
südlicher. Bei Windstärke drei und Südwestwind, also Wind
und Welle auf Gegenkurs. Wird bestimmt heiter werden. Dann führt der
Kurs nach Kerteminde, einer großen Marina an der Nordostküste von
Fünen. Ab da bin ich dann im geschützten (?) Gewässer
zwischen Fünen und Sjælland, dem
Großen Belt.
Am Nachmittag dann viel Gerenne
wegen des Stroms. Plötzlich ist er weg! Ich rufe den Hafenmeister an,
hab ja eine dänische Prepaid-Karte. Er redet was von einem weißen
Pin in den Stromkästen. Die sind alle drin. Als er dann um sechs Uhr
kommt, liegt es an den Sicherungen im Hauptstromkasten. Da kommt keiner
ran. Was ist, wenn heute nacht wieder der Strom ausfällt? Dann wird
das eine kalte Nacht werden, so wie die letzte mit 12 °. Und was
ist mit dem Heißwasser für den Kaffee? Als solche Gedanken
bewegen mich, als Segler ist man irgendwie immer von Unsicherheiten
begleitet. Wenigstens das Internet scheint zu klappen, bis
jetzt!
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Freitag, den 12. August: Kolby
Kås
Mehr als zwei
Stunden hat sie gedauert, die Fahrt nach Kolby Kås, oder Kolby
Kaas geschrieben. Irgendwann werden sich die Dänen daran
gewöhnen, ihre Sonderzeichen durch die Normalbuchstaben des Alphabets
zu ersetzen. Aber das ist hier nicht das Thema.
Das Meer war gnädig, heute
morgen: Mit Windstärke drei problemlos aus dem schon an sich ziemlich
leeren Hafen Mårup, und auf dem Wasser ist auch entsprechend wenig los.
Kein Wetter zum Segeln, jedenfalls für die, die nach Süden wollen
oder müssen. So geht es gegen Wind und Welle, statt der normalen 5,5
Knoten muss ich einen dem Strom gönnen, der gegen mich
arbeitet.
Nach zweieinhalb Stunden bin
ich da, was für ein Hafen. Ich bin der einzige Gastlieger, die wenigen
festgemachten Boote sind von
den Einheimischen. Nur das Anlegen gelingt nicht problemlos: die der
Schiffslänge angepassten Boxen sind alle zu eng, in den
größeren Boxen bekomme ich nur eine Heckleine festgemacht, und
kurz vor dem Steg "verhungere" ich, wie man das nennt: die Heckleine ist zu
kurz, ich komme nicht an den Steg. Also verlängern, zweiter Anlauf,
das klappt. Aber jetzt ist das Boot schon abgetrieben, aus der
Backbord-Leine wird auf einmal eine auf Steuerbordseite. Also an einem
näher dem Steg stehenden Dalben festgemacht, dann war dieses Problem
gelöst.
Mal sehen, was noch für
Überraschungen kommen. Ich bin jedenfalls ganz allein im Hafen,
vielleicht kommen später noch einige Gastlieger. Obwohl: Heute war
kein Tag zum Wegeln, wer nach Norden will, übernachtet dann doch
eher in Ballen auf der I Ostseite der Inse,. Oder bleibt gleich zuhause.
Vielleicht ist am Wochenende dann mehr los. Allmählich gewinne ich den
Eindruck, die Saison neigt sich dem Ende zu, das Wetter war und ist
insgesamt kein Seglerwetter, Ausnahmen eingeschlossen. Also auch kein
Segelsommer.
Ansonsten ist der Hafen
anlagetechnisch etwas veraltet, das Ambiente beschränkt sich auf einen
gut sichtbaren Fabriksilo. Und von den Fähren, die hier anlanden, habe
ich noch nichts mitbekommen. Bei Starkwind aus Süd- oder Nordwest -
darüber streiten sich die Autoren der Anmerkung - soll Kolby Kaas je
recht ungemütlich werden. Ach ja, bevor ich es vergesse: ein bisschen
Regen muss auch sein, kaum dass ich die Plane aufgeschlagen habe. Jetzt
sitze ich im Trockenen, schreibe bei besinnlicher Musik von Metallica und
freue mich darüber, voraussichtlich morgen ausschlafen zu können.
Dafür hat es ja gestern nicht geregnet!
Später kommt noch ein
schweizerischer Zweimaster, ein deutsches und ein dänisches Schiff.
Der Däne macht mich darauf aufmerksam, dass die Stromanschlüsse
in der Lichtsäule stecken, direkt in der Mitte des Steges, sechs
Steckdosen. Vor lauter Betriebsblindheit oder aus sonst einem Grund ist mir
das gar nicht aufgefallen. Aber das Anlegemanöver der anderen
Deutschen braucht auch zwei bis drei Anläufe, bis es klappt. Alleine
zu fahren braucht schon viel Erfahrung und Umwicht, die mir bislang, immer
nur zu zweit gesegelt, noch abgehen. Noch!
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Kolby
Kås ist definitiv der Hafen, in dem nichts, aber auch
gar nichts los ist. Keine Bude, kein Kiosk, selbst der Hafenmeister ist
nicht da. Heute mittag, am Samstag, mache ich mich auf, um mit dem
Rad einzukaufen. Aber im Ort, d.h. in der Ansammlung weniger Häuser,
keine Möglichkeit,
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Abb. 34: Kolby
Kås Hafen
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um wenigstens ein paar Bananen zu erstehen. Dann radle ich in den Ort, zwei Kilometer weiter
landeinwärts. Dazwischen liegt in der Pampas ein Campingplatz, von dem
ich annehme, dass er einen kleinen Laden hat. Nichts, nada, die Rezeption
ist geschlossen, bis auf zwei Kinder keine Menschenseele zu sehen. Also
weiter in den Ort. Auch hier dasselbe: Keine Lebenden zu sehen, von einem
Geschäft weit und breit nichts.
So bleiben nur wieder mal die
Vorräte, die anzulegen ich ja von meiner lieben Frau gelernt habe, und
für neues Obst und Gemüse muss ich warten, bis ich denn nach
Kerteminde komme. So weit es das Wetter zulässt, was noch ein bisschen
in den Sternen steht. Ansonsten ist es hier durchwachsen, mal scheint die
Sonne, mal gewinnen die Wolken in den unterschiedlichsten Grautönen
das Rennen. Zum Glück ist es nicht allzu kalt, das Thermometer unter
der bisweilen beschienenen Sprayhood gibt 21,5 °C an. Und hin und
wieder kommen auch einige Regengüsse, aber das scheint ja in diesem
"Sommer" die Regel zu sein. Also warten, bis morgen die Lage anders
aussieht.
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Sonntag, den 14. August:
Kerteminde
Bevor ich von
dieser Fahrt erzähle, erstmal noch einige Worte zu
Kolby Kås: In
einem Hafen, in dem der Segler 140 Dänische Kronen für eine Nacht
bezahlen darf, in dem es noch nicht einmal einen Bezahlautomaten gibt, so
dass man mit seiner Barschaft - wehe, Segler hat kein Kleingeld - auf
den persönlich erscheinenden Hafenmeister warten muss, in einem
solchen Hafen gibt es kein warmes Wasser in den Waschräumen. Kein
Wunder, dass Kolby Kås nur als Notlösung
angelaufen wird. Ein Minimum an Komfort darf man für diesen Preis doch
erwarten, alles andere an Versorgung, was immer man auch darunter versteht,
ist ja auch nicht da!
Und dann der
Schwell: Heute Nacht bei Windstärke 7: Es tanzen die Schiffe an ihren
Leinen. Die Wellen, die ungebremst in den Fährhafen reinlaufen,
breiten sich anschließend in den Yachthafen aus. Da tanzt dann der
Bär, will sagen, die Boote. Das Wasser wird von einer regelrechten
Dünung bewegt, dazu kommen die Wellen, die der Wind auslöst. So
war das heute Nacht das Gegenteil von Ruhe, nämlich Un-Ruhe. Die
Luv-Heckleine wurde länger und länger, so dass heute morgen der
Backbords liegende Dalben nicht mehr seitlich hinten lag, sondern direkt
vor dem Heck.
Aber das
Ablegen bei Seitenwind mit Stärke vier Bft hat wenigstens geklappt.
Besser als in Ebeltoft. Und kaum aus der Hafeneinfahrt raus, erwartet mich
das rauhe Kattegat, jedenfalls das südliche und rauh für meinen
Geschmack. Andere mögen das ja als harmlos beurteilen, aber zwei Meter
hohe Wellen sind nicht gerade ein Genuss für dieses leichte Boot.
Seitwärts die von vorne kommenden Wogen schneidend, fahre ich erst mal
ein Stück raus, um Land zu gewinnen. Da kommt es her, das Sprichwort:
"Schau zu, dass du Land bekommst."
Und dann geht
es Kurs 170 ° in Richtung des Windparks, eine gute Peilmarke, aber auf
dem GPS sehe ich das meiste sowieso. Es geht auf und ab, der westliche Wind
mit Stärke fünf, manchmal sechs, reicht mir, um mit der Genua
alleine zu segeln. Jetzt auch noch das Großsegel setzen war zuviel
Stress. Zumal die Schräglage schon mit dem Vorsegel gereicht
hat.
Nach dem
Paludans Flak, westlich des Windparks, verläuft der Kurs schnurgerade
150° nach Südosten. Praktisch ins offene, südliche Kattegat,
noch vor dem Seegebiet Belte und Sund. Die Wellen halten die zwei Meter von
vornhin, manchmal arbeitet der Pinnenpilot, manchmal ich, wenn es zu heftig
wird und sein Schlingerkurs mir auf die Nerven geht.
Nach
ungefähr 13 Seemeilen oder zweieinhalb Stunden später erreiche
ich Fyns Hoved, oder Horseklint, die Nordspitze von Fünen. Damit bin
ich im Großen Belt und was Wunder: die Wellenhöhe nimmt ab, jetzt
sind ungefähr ein halber Meter oder weniger sogar die Regel. Parallel
zur Küste des Naturschutzgebietes Hindsholm zieht sich die Route
entlang, es ist entspanntes Segeln, so wie "man" sich das vorstellt. Die
Wellen nicht so hoch, sie kommen meistens von der Seite, dann immer mehr
achterlich, das Schiff wird geschoben, die grobe Schaukelei hat
aufgehört, ich kann schauen und staunen und darauf zählen, wann
endlich die ersten Regentropfen fallen. Zuerst hauchdünn, sog.
"Präzipitat", dann etwas dicker, aber alles heute in Grenzen, so dass
ich sagen kann: Heute war ein guter Tag zum Segeln, kein
Regen!
Vorbei an der
Insel Romsø, vor deren Untiefen eine schwarzgelbe Tonne warnt,
und dann in die Kerteminde-Bucht: jetzt muss am Wind gesegelt werden, de
Widzi macht ihre vier bis fünf Knoten hart am Wind. Die Wellen,
die jetzt von vorne seitlich kommen, sind so flach, dass sie kein
wirkliches Hindernis mehr darstellen.
Nach etwas mehr als
fünfeinhalb Stunden bin ich im Hafen, das Anlegen war mal wieder
mehr oder weniger katastrophal, aber man kann eben nicht alles haben.
Dafür habe ich heute die längste bisherige Segelzeit gehabt, das
Motoren hat sich unter einer halben Stunde bewegt. Und dafür, dass ich
nur ein Segel hatte, war ich ganz schön schnell. Also ein guter
Tag!
Nach dem Anlegen die
üblichen Prozeduren: Plane, (gleich danach melden sich einige
Regentropfen), Strom, Hafenkontor, aufräumen, schreiben. Für
heute war's das dann.
Ach ja, bevor ich es vergesse:
Hier soll ja die 3. Nacht frei sein, wenn man für 2 Nächte
bezahlt. Steht so jedenfalls beim Hafenkontor und auch in "sejlerens".
Aber: nur wenn man beim Hafenmeister persönlich bezahlt. Andererseits
wird man aufgefordert, spätestens eine Stunde nach dem Festmachen zu
bezahlen. Mal sehen, was ich machen lässt.
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Der Montag fängt
erstmal mit langem Ausschlafen an: Nichts ist schöner, als sich darauf
freuen zu können, nach einem Segeltag nicht "früh" aufstehen zu
müssen. Schließlich habe ich das mehr als siebenunddreißig
Jahre gehabt. Und nach dem gemütlichen Frühstück wird
erstmal Treibstoff geholt, an der Tankstelle bei Super-Brugsen. Ich stelle
mal wieder fest: Das Wichtigste in Dänemark ist eine Kreditkarte! Mit
der wird auch getankt. Hier ist schon viel mehr aus dem täglichen
Leben automatisiert.
Danach Einkaufen bei
Super-Brugsen, und immer wieder muss ich staunen über die
Wartekärtchen, die man ziehen muss, bis man dran ist. Hier gibt es die
sogenannte "Distanz-Linie" auch in einfachen Geschäften. Mit dem Rad
alles kein Problem, in dieser Hinsicht ist Kerteminde ein
Super-Hafen.
Am frühen Abend ein
kleiner Radausflug, und wen treffe ich da: Die dänischen Segler, ein
Ehepaar, aus Kolby Kås. Sie haben es sich mit einem
Karton Wein und Steak mit Salat am Grillplatz bequem gemacht und laden mich
zu einem Glas Wein ein. Aus einem Glas werden zwei, dann drei, mir dreht
sich der Kopf, ich bin das nicht gewöhnt. Hier an Bord gibts und gab
es immer nur Wasser, härteres war nicht drin. Wir unterhalten uns
angeregt über tausend Themen, vom Segeln, über Kolby
Kås, das dänische Ausbildungssystem, den Mangel
an Fachkräften, die Arbeitslosigkeit, die hier viel niedriger ist,
über die Marine, die Heimwehr (was es in Deutschland nicht gibt) und
und und. Flugs sind etliche Stunden vergangen, den Weg zurück muss ich
mein Rad schieben, fahren war nicht mehr drin. Es tat mal wieder gut, mit
jemandem zu reden. Solche Kontakte kommen ja meistens nur spärlich
zustande, und die Dänen sprechen gut Deutsch, so dass ich nicht in
Englisch radebrechen muss. Und dann die Vorfreude, heute wieder ausschlafen
zu können.
Nach diesem Tag
denke ich, das größte Problem beim Einhandsegeln ist das Fehlen
eines Gesprächspartners oder -partnerin, mit der man reflektierend all
die Dinge besprechen kann, die so einem durch den Kopf gehen, auch wenn das
Meiste nur Alltagskram oder momentan wichtig ist, von segeltechnischen
Problemen bis hin zu Entscheidungen, was wann unternommen wird. Alles mit
sich selbst auszumachen ist doch eine ziemliche
Belastung.
Am Dienstag,
natürlich mit langem Ausschlafen, ist eine kleine Fototour nach
Kerteminde angesagt. Ein Eis zwischen durch ist auch mal drin. Die Kirche
und die Fachwerkhäuser, alles klein, überschaubar, sauber, nicht
so putzig wie z.B. Ærøskøbing, aber trotzdem nett, auch die
Geschäftsstraßen nicht so rappelvoll und überlaufen wie
schon gehabt. Eine nette Stadt mit einem netten Hafen, und bisher der
einzige, der drei Übernachtungen für zweimal Bezahlen anbietet.
Das gab es bisher nur in wenigen Städten und meistens musste man dann
fünf oder sechs Nächte dableiben. Für Chartersegler ein
Unding!
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Mittwoch, den 17. August:
Lundeborg
Heute morgen,
in Kerteminde, strahlend blauer Himmel. Der Tag aus dem
Sommer-Segel-Katalog. Wenig Wind, so dass das Ablegen auch ohne Spring
bestens klappt. Und draußen in der Bucht: ein wenig See, Wellengang
unter einem halben Meter, ein herrliches Licht über den ganzen
Horizont, so strahlend blau, dass es fast weh tut. Eine entspannte Fahrt
sollte das werden. Das ist sie denn auch, denn mit Wind ist trotz
anderslautender Wettervoraussage nichts drin. Gerade mal zwei bis drei
Knoten macht die Yacht, mit beiden Segeln. Und das bedeutet, spät
nachmittags da zu sein. Und Lundeborg ist nicht der Hafen mit der
großen Anzahl von Liegeplätzen. Das neue Becken, das seit einigen
Jahren besteht, hat die Zahl um einhundert erhöht, aber das ist nichts
im Vergleich zu Kerteminde. Also den Jockel an, die Selbststeuerung
eingestellt und ich kann mich ganz entspannt dem Sonnenbad hingeben.
Natürlich eingecremt!
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Mit Kurs auf die Brücke zwischen Fyn und
Sjælland denke ich, dass die Vesterenden-Durchfahrt (West-Ende) die
Richtige sein muss. Das gewaltige Bauwerk spannt sich zwischen den
Städten Nyborg auf Fünen und Korsør auf der anderen Seite.
Dazwischen liegt die natürliche Insel Sprøgø, nach der die
Brücke einen richtigen Bogen in die Höhe macht. Gedacht für
die Schiffe der
|
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Abb. 35: Brückenbogen
über die Insel Sprøgø |
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Berufsschifffahrt, deren Aufbauten ja schon mal
mehr als dreißig Meter hoch sind. Oder die Ladungen der
Containerschiffe! |
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Für die wesentlich
niedrigeren Segelschiffe reicht auch die Durchfahrt unter einem der
westlichen Brückenbögen. Nur: wo man fahren soll, ist auf der
Karte eingezeichnet, denn die Bögen sind nicht alle gleich hoch. Das
hatte ich wohl trotz Kartenstudium "vergessen". Als ich dann kurz vor dem
siebten Bogen, von Land aus
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Abb. 36: Verster-Renden, das
West-Ende |
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gerechnet, ankomme, so zwei bis drei
Meter, sehe ich, dass mein Mast länger ist als die
Durchfahrtshöhe. Ich kann gerade noch das Ruder herumreißen, zum
Glück bin ich nicht mit Vollgas gefahren. Und dann geht es erst mal
einige Hundert Meter parallel zur Brücke, bis mir ein rot-grünes
Tonnenpaar anzeigt, wo ich fahren muss. Der siebte Bogen ist mit elf Metern
Durchfahrtshöhe ausgezeichnet, mit zwölf Meter Masthöhe
hätte es diesen glatt abgerissen, eventuell auch noch die Wanten und
was weiß ich nicht Alles. Wieder mal Glück gehabt, mehr
Glück als Verstand.
Nach diesem Schrecken und nach
der turbulenten Durchfahrt - vor und unter den Brücken gibt es
meistens diesen Düsen-Effekt - wird es dann ruhiger auf dem
Fahrwasser. Gegen vierzehn Uhr erreiche ich dann Lundeberg, bekomme noch
den letzten Platz am Rondell, einer kreisförmigen Steganlage, mache
alles klar und suche den Hafenmeister. Aber der kommt abends
persönlich vorbei, so dass ich erst mal ganz entspannt schreiben kann.
Und das Internet scheint hier ganz gut zu funktionieren, was auch in
Dänemark nicht selbstverständlich ist.
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Freitag, der 19. August:
Rudkøbing
Heute ist der
Wind mal wieder anders als voraugesagt: Statt bis mittags Nordwind
beherrscht von Anfang an der Südwind die Richtung. Zum Glück mit
abnehmender Windstärke, so dass eigentlich bei fast Windstille schon
um kurz nach neun Uhr die Leinen losgeworfen werden. Alles ganz easy, keine
Probleme.
Dann führt
der Kurs zuerst 180° nach Süden und später, nach dem
Leuchtturm Elsehoved zehn Grad mehr. Es ist eine beschauliche Motorfahrt,
die Wolken sind bewundernswert in ihren vielen verschiedenen Formen und
Weiß- bis Grauwerten, backbords erstreckt sich die Insel Langeland,
steuerbord der Rest von Fynen, der dann in die Insel Thurø
übergeht. Die See ist flach wie ein Brett, ein ganz bisschen
Dünung, mal zwischendurch ein leichtes Gekräusel, wenn eine
Böe daher kommt. Eine wenige Hartnäckige haben beide Segel
aufgezogen, sie schleichen auf dem Wasser und kommen kaum
vorwärts.
Südlich von
Thurø Rev komme ich an der Stelle vorbei, an
der ich am 28. Juni 2014 ins Wasser gefallen bin, einem gebrochenen oder
jedenfalls verschwundenen Splintring zu verdanken, ausgestattet mit einer
Rettungsweste, deren Gaspatronen nicht richtig eingerastet war, wodurch ich
dann ungefähr eine Viertelstunde um mein Leben kämpfen durfte,
bis meine liebe Frau mich gerettet hat. Erinnerungen werden wach,
unangenehme Erinnerungen, der Blick geht schon automatisch zum grünen
Schild der Patrone: Alles in Ordnung! Aber auch das geht vorbei, ich muss
mich konzentrieren, denn bald wird es eng und schmal.
Die Einfahrt nach
Rudkøbing verläuft in einer engen Rinne
von vielleicht 50 Metern, aber sehr gut betonnt. Das Fahrwasser ist an den
meisten Stellen ungefähr fünf Meter tief, manchmal auch weniger.
Erst in der Einfahrt zum nördlich gelegenen
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Yachthafen
geht der Tiefenmesser runter, der ist übrigens auch hin und wieder mal
ausgefallen. Und dann ist da natürlich noch die Brücke zwischen
Fünen und Langeland, aber diesmal ist die Einfahrt klar und die
Höhe mit sechsundzwanzig Metern groß genug, um durchzukommen. Was
auf der Fahrt nach Lundeborg nicht alles hätte passieren können,
hätte, hätte, Fahrradkette denke ich. |
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Abb. 37: Langeland-Brücke |
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Nach drei Stunden mache ich im Hafen
fest, ein Däne nimmt mir die Leinen ab, ansonsten klappt es mit der
Belegung der beiden Heckdalben ausgezeichnet. Drei Stunden
Sonnenscheinfahrt, es wird richtig heiß, das Thermometer zeigt
inzwischen 25 °C an. Das hat es bisher nicht gegeben, kommt der Sommer
jetzt, am Ende meiner Tour?
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Dienstag, den 23. August:
Bagenkop
Heute ist ein guter Tag für
die Überfahrt nach Bagenkop, die vorletzte Etappe. Der Wind kommt aus
West, Stärke zwischen drei und vier, der Himmel ist grau, aber die
Sonne kämpft sich allmählich durch. Und es regnet
nicht!
Vor meiner üblichen Aufstehzeit für solch
eine kurze Strecke - gerademal 18 Seemeilen - wirft es mich aus der Koje.
Die üblichen Routinen sind schnell erledigt, Viertel nach neun wird
die Maschine angeworfen, und dann gilt es lange erst mal verschiedene
Tonnenstriche abzufahren.
Zuerst kommt die Rinne der Einfahrt
nach Rudkøbing selbst,
Richtung Insel Ærø, die östlich der
Insel Strynø endet. Vorbei an der besagten
Insel führt der Kurs Richtung der größeren Insel
Ærø auf Marstal zu. Schön,
wieder mal bekannten Namen und Orten zu begegnen, auch wenn jetzt nicht die
Zeit für einen Besuch da ist. Erinnerungen werden wach, soll ich nicht
einen Kurzbesuch wagen? Östlich von Ærø liegt die
kleine unbewohnte Insel Langholm mit dem Høffen-Grund, der
weiträumig umfahren werden muss. So beginnt der zweite Tonnenstrich
vor Ærø in der mit Spieren ausgezeichneten Rinne, also immer
schön in der Mitte fahren, rechts ist grün und links ist rot.
Vorbei an einer Untiefentonne muss ich dann Richtung Süd zum Marstaler
Hafen hin. Vor der Hafeneinfahrt kommt dann der dritte Abschnitt, wieder
südöstlich, vorbei am Heste-Grund in das Sondre
Løb.
Als ich dann endlich in
der Marstal-Bucht bin, kann ich die Genua ausrollen. Das Groß hatte
ich leider nicht vorbereitet und ich will kein Risiko eingehen. Der
Seenotrettungshubschrauber, der auf der Hinfahrt nach Marstal die See vor
der Insel Halmø absuchte, ist mir Mahnung genug. Mindestens eine
Stunde schwebt er da über dem Wasser, die Oberfläche zu Gischt
und Nebel aufpeitschend, aber ich konnte nicht sehen, ob jemand gerettet
wurde. So dümple ich mit zwischen drei und vier Knoten dahin, bis es
mir mit der unruhigen Schaukelei reicht, der Wind kommt inzwischen von
achtern, die Wellen auch, das Schiff rollt ordentlich hin und her. Nix mehr
mit Selbststeuerung, der Käpt'n muss
übernehmen.
Viertel nach eins bin ich in Bagenkop, ein vertrauter
Hafen, gleich in der Nähe des WLAN-Senders festgemacht. Ein
älterer Deutscher hilft mir geduldig, als ich nach den Heckpfosten
"verhungere". Aber irgendwie komme ich nach vorne, der Rest ist Routine.
Jetzt ist erstmal Warten auf den richtigen Wind angesagt, die nächsten
Tage soll es immer von Süden blasen, für die Fahrt nach
Heiligenhafen ist das nicht die richtige Richtung.
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Heute, am Mittwoch den 24.
August, ist wieder so herrliches Wette wie gestern ab mittags. Die
Sonne, die Sonne, sie scheint und mit dem Meer zusammen gibt das ein
wunderbares Licht. Spät aufgestanden, genieße ich den Tag mit
einigen kleinen Reparaturen, Einkaufen beim Brugsen, der nur ein paar Meter
vom Hafen weg ist und einer kleinen Rat- und Fototour. Die Bilder gibt's
auf der Fotostrecke zu sehen.
Bagenkop ist - obwohl ich/wir
jetzt erst zweimal da waren/sind, ein wunderschöner Hafen. Und heute
kann ich bis nach Ærø sehen, jedenfalls
glaube ich, dass es so ist. Einige Tage werde ich noch hier bleiben, erst
am Samstag kommt der Wind aus nördlicher Richtung, dann kommt die
letzte Fahrt, sieht man mal von der wirklich letzten Fahrt von
Heiligenhafen nach Ortmühle ab, wo das Boot bei Boat & Living
gekrant wird. Aber bis dahin sind es noch einige Tage.
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Samstag, den 27. August:
Heiligenhafen
Der Tag der Abfahrt muss heute
sein, auch wenn kein nennenswerter Wind die Segel füllen sollte:
Windstärke drei morgens um acht Uhr, dann abnehmend auf eins. Also
wieder mal mit Motor. Aber der einzige Tag in der Woche, in der Nord- bis
Nordostwind herrschte, die nächsten Tage ist wieder vor allem
Südwind - für meinen Kurs nach Südosten nicht das Richtige -
und teilweise Windstärke sechs angesagt. Erst nächsten Freitag
kommt er wieder aus der richtigen Richtung. Also, wozu noch in Bagenkop
bleiben, auch wenn es einer der schönsten Häfen von Langeland
ist.
Vor der Zeit aufgestanden
gestaltet sich auch die Abfahrt früh und ohne Probleme. Nach
genügendem Abstand zum Land werden die Segel gehisst, aber es ist
frustrierend: Selbst mit beiden Tüchern bleibt es bei der bescheidenen
Geschwindigkeit von nicht einmal zwei Knoten. Dann bin ich abends um sechs
da und bekomme keinen Platz mehr. Und wie sich herausstellt: In
Heiligenhafen sind die grünen Plätze rar, ich muss mindestens
vier Stege abfahren, um eine freie Box zu ergattern. Auch wenn ich in der
Einfahrt zig Seglern begegne, die raus fahren: Die haben alle ihre festen
Liegeplätze.
Und so bin ich um zwei Uhr da,
kann festmachen, eben die üblichen Routinen bis auf den Hafenmeister,
bei dem man noch persönlich bezahlen muss, kein Automat wie in
Dänemark. Heiligenhafen ist auch noch vergleichsweise preiswert, nur
das WLAN muss man selbst bezahlen.
Sechs Stunden für 31
Seemeilen. Aber unterwegs ist es schön, mal wieder die unendliche
Weite der See, das Blau des Wassers in den verschiedensten Tönen, die
Wellen, wie sie mal von achtern, dann wieder mehr von der Seite kommen, und
die Oberfläche immer unterschiedlich gestaltet, kleine und
größere Berge, mal gekräuselt, mal wieder mehr glatt
gezogen. Viele Segler sind unterwegs, die meisten fahren nur mit geringer
Geschwindigkeit, außer denen, die am Wind segeln. Wahrscheinlich auch
in den meisten Fällen eine kurze Samstagstour, mal raus auf die
See. Die meiste Zeit arbeitet der Pinnenpilot, ich habe Muse, zu
schauen, zu staunen, mich über die Natur zu freuen, dem Meer mit
Respekt zu begegnen, die Sonne zu genießen, die ich so lange vermisst
habe.
Jetzt kann ich Bilanz ziehen,
mein Schlusswort formulieren, aber das dauert noch. Auch diese sechs
Stunden auf der See wollen verdaut, müssen verarbeitet werden und ich
muss noch für das Abendbrot einkaufen. Der banale Alltag, er hat mich
wieder eingeholt, oder anders gesagt: Hat er mich überhaupt
losgelassen? Segeln hat eben viele Seiten. Gerade kommt so ein
mächtiges Motorschiff an, ich denke, ein Panzer kommt an meine Seite.
Na, dann habe ich wenigstens Windschatten, wenn es aus Osten
kachelt.
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Liegeplatzkosten und
Nebenpreise
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Hafen |
Liegeplatzkosten |
incl.
Strom+Wasser |
Strom
extra |
Wasser
Extra |
WLAN |
5. od. 6.
Nacht frei |
Heiligenhafen |
11,50.-€ |
nein |
2.-€ |
nein |
für 7 Tage z.B. 15.-€ |
??? |
Wendtorf |
12,00.-€ |
ja |
nein |
nein |
Gäste-WLAN |
??? |
Damp |
18,00.-€ |
ja |
nein |
nein |
Gäste-WLAN |
7. Nacht frei |
Maasholm |
13,00.-€ |
ja |
nein |
nein |
Gäste-WLAN |
??? |
Hafen |
Liegeplatzkosten |
incl.
Strom+Wasser |
Strom
extra |
Wasser
Extra |
WLAN |
5. od. 6.
Nacht frei |
Heiligenhafen |
11,50.-€ |
nein |
2.-€ |
nein |
für 7 Tage z.B. 15.-€ |
??? |
Wendtorf |
12,00.-€ |
ja |
nein |
nein |
Gäste-WLAN |
??? |
Damp |
18,00.-€ |
ja |
nein |
nein |
Gäste-WLAN |
7. Nacht frei |
Maasholm |
13,00.-€ |
ja |
nein |
nein |
Gäste-WLAN |
??? |
Gelting Mole |
15,00.-€ |
ja |
nein |
nein |
Gäste-WLAN |
??? |
Sønderborg |
ca.21,21.-€
* |
ja |
nein |
nein |
Gäste-WLAN |
5. Nacht |
Dyvig-Yachthafen |
ca.16,80.-€
* |
nein |
ja |
nein |
Gäste-WLAN |
??? |
Aabenraa |
ca.18,18.-€
* |
nein |
ja |
nein |
Gäste-WLAN |
??? |
Aarøsund |
ca.19,76.-€
* |
ja |
nein |
nein |
Gäste-WLAN |
??? |
Haderslev |
ca.14,79.-€
* |
ja |
nein |
nein |
Gäste-WLAN |
??? |
Skærbæk |
ca.14,82.-€ * |
ja |
nein |
nein |
Gäste-WLAN |
??? |
Vejle |
ca. 20,20.-€ * |
ja |
nein |
nein |
Gäste-WLAN |
??? |
Juelsminde |
ca. 20,20.-€ * |
nein |
ja |
nein |
Gäste-WLAN |
??? |
Hov |
ca. 20,20.-€ * |
nein |
ja |
nein |
Gäste-WLAN |
??? |
Marselisborg |
ca. 18,86.-€ * |
nein |
ja |
nein |
Gäste-WLAN |
4. Nacht frei bei 3 N. |
Ebeltoft |
ca.17,49.-€ |
nein |
ja |
nein |
Gäste-WLAN |
??? |
Grenaa |
ca. 22,19.-€ |
nein |
ja |
nein |
Gäste-WLAN |
4. Nacht frei bei 3 N. |
Bønnerup |
ca. 18,86.-€ |
ja |
nein |
ja |
Gäste-WLAN |
4. Nacht frei
bei 3 N |
Hals |
ca. 17,48.-€ |
ja |
nein |
nein |
Gäste-WLAN |
??? |
Mårup |
ca. 20,17.-€ |
ja |
nein |
nein |
Gäste-WLAN |
6. Nacht frei bei 5 N. |
Kolby Kås |
ca. 18,83.-€ |
ja (?) |
nein |
nein (?) |
Gäste-WLAN |
bestimmt nicht! |
Kerteminde |
ca.
18,83.-€ |
nein |
ja |
nein (?) |
Gäste-WLAN |
3. Nacht frei bei 2 N. |
Lundeberg |
ca. 16,14.-€ |
ja |
nein |
nein |
Gäste-WLAN |
??? |
Rudkøbing |
ca. 21,52.-€ |
ja |
nein |
nein |
Gäste-WLAN |
4. Nacht frei bei 3 N. |
Bagenkop |
ca.
21,52.-€ |
ja |
nein |
nein |
Gäste-WLAN |
??? |
* je nach Wechselkurs, dazu kommen
noch Wechselkursgebühren dazu, wenn man mit Karte bezahlt.
Was noch zu sagen
wäre - Das Schlusswort
Es ist Sonntag, der 4. September.
Arbeitsreiche Tage liegen hinter mir: Putzen, putzen, umräumen,
ausräumen, das Winterlager vorbereiten, das Schiff trocken machen (in
den Backbord-Schapps unten war mal wieder Wasser, woher kommt das?) und so
weiter und so fort. Heute habe ich den ganzen Tag das Deck geschrubbt, um
den Algenbewuchs wegzubekommen. Ist mir auch weitgehend gelungen, die
Chemie macht's eben möglich.
Das
Schlusswort, die Bilanz nach allem. Zuerst mal einige
Zahlen:
● Zurückgelegt habe ich 586
Seemeilen, das sind 1.085 Kilometer auf dem Wasser.
● An 28 Tagen bin ich gefahren, an
Hafentagen waren es 77, also 105 Tage war ich unterwegs, seit dem 11. Juni
2016. Die Zeit davor nicht mitgerechnet, dann kommen noch ca. 2 Wochen
dazu. In der Zeit habe ich in 24 Häfen Schutz gesucht, Heiligenhafen
mit eingerechnet. Dabei muss ich sagen: Hafen ist nicht gleich Hafen. Es
gibt sehr persönliche Häfen, dann wieder gewisserweise seelenlose
Marinas, in denen sich eben viele Schiffe angesammelt haben. Auch die
dänischen Städte, Kleinstädte, Orte, Dörfer waren doch
recht unterschiedlich. Es gibt Häfen, in denen das Leben pulsiert,
aber auch "tote" Orte. Was gemeint ist, kann man dem Bericht entnehmen. Was
ganz praktisch war: Überall der gleiche Bezahlautomat, und WLAN
funktionierte bis auf Juelsminde gut bis sehr gut.
● In den ganzen Wochen war ich 166
Stunden auf dem Wasser, davon bin ich ca. ein Drittel gesegelt, den Rest
mit dem Motor gefahren. Meistens war in diesen Fällen der Wind gegen
mich oder zu schwach.
● Mein Ziel, den Ort Hals, habe ich
erreicht, da hat mich irgendwie der Mut verlassen. Ab einem bestimmten
Punkt wurde der Gedanke, dass ich ja wieder alles zurückfahren muss,
immer drängender. Ich konnte ihn nicht zurückweisen.
● Der Plan, von Hals aus nach Skagen mit
dem Bus zu fahren, war nicht realisierbar. Auch aus dem oben genannten
Grund. Der Wunsch, zurück zu fahren wurde immer mächtiger. Der
Gedanke, allein da ganz weit oben zu sein, ebenfalls.
● Ein gewisses Gefühl von
Verlorenheit stellte sich ein, je weiter ich nach Norden kam. Auch wenn ich
mir nie richtig einsam vorkam, dachte ich dann doch in solchen Momenten an
meine liebe Frau, an meine Kinder und Enkelkinder, an meine Geschwister,
Freunde und Bekannten, die Leser dieser website, auch wenn das nicht all zu
viele waren. Ansonsten habe ich ja auch viel Zeit mit Gitarre spielen und
lesen verbracht, bis ich auf dieses einmalige Geschenk von Barbara gekommen
bin: “Werde verrückt”, das Buch, das mir eigentlich gar
nicht so lag, und das ich anfangs mehr deswegen gelesen habe, weil die
anderen mehr als 20 Bücher ausgelesen waren.
● Ich habe alle paar Tage mit meiner
lieben Frau, aber auch mit meinen Kindern und Geschwistern sowie Freunden
telefoniert. Mit einer dänischen Prepaid-Karte erheblich preiswerter
als deutsche Roaming-Gebühren zu bezahlen. Die Telefonate haben mir
sehr gut getan.
● An Unfällen ist auf dieser Reise
nichts wesentliches passiert, außer dass ich mir am Anfang mit den
scharfen Messern alle paar Tage irgendwo in die Finger geschnitten hatte.
Ich bin nicht über Bord gegangen und habe so weit mir bewusst war
jedes Risiko vermieden. Deswegen bin auch oft nur mit dem Vorsegel gesegelt
oder mit dem Motor gefahren, es war mir dann egal, was andere über
mich denken, soweit sie überhaupt über mich denken, was sicher
nur meine Vorstellung ist. Die wirklich einzig gefährliche Situation
war vor dieser Brücke zwischen Fünen und Sjelland, als ich fast
den Mast abgesägt hatte, weil ich die Karte nicht bewusst gelesen
hatte.
● Das Meer, das Kattegat, war
überwiegend gnädig zu mir. Es zeigte sich oft von seiner
harmlosen Seite. Trotzdem: ein Revier, das noch ein Schlag härter ist
als die Ostsee z.B. in der Lübecker Bucht. Was anfangs sehr belastend
war, der ständige Regen und die Kälte. Richtig schön wurde
es eigentlich erst im August. Die Fahrten zwischen den Inseln und
übers Meer, dieser Ausblick, diese Weite, haben mich für vieles
entschädigt. Wenn das schlechte Wetter vorbei ist, denke ich so wie so
nicht mehr dran.
● Was mir anfangs die meisten Sorgen
bereitete, die segeltechnischen Fragen, An- und Ablegen, wurde mit der
Übung zum kleinsten Problem. Letztendlich kann man sagen: Irgendwie
kommt man immer in die Box und irgendwie auch immer raus. Oft haben mir die
Dänen geholfen, aber auch genauso oft habe ich es alleine geschafft,
ohne größere Beschädigungen, auch bei seitlichem Wind
Stärke vier Bft, was nicht einfach ist.
● Vielleicht das größte
Problem - das Alleinsein - wird wirklich zum Problem, wenn man sich in die
eigenen - vor allem negativen - Gedanken hineinsteigert, sich die Gefahren
übergroß ausmalt, ständig nur sich mit sich selbst
beschäftigt. Das eigene Gehirn kann einen ganz schön in den
Abgrund fahren. Ich habe mich immer beschäftigt, wenn es zu viel
wurde, mich zu Pausen gezwungen, Abwechslung in den Alltag an Bord
gebracht, mal lesen, mal arbeiten, dann wieder kochen, was wieder Abwaschen
zur Folge hat, habe ausführlich am Intro von "Nothing Else Matters"
und Led Zeppelins "Babe, I'm Gonna Leave You" gearbeitet, viel Musik
gehört und zuletzt mich mit Veit Lindaus Buch "Werde verrückt"
auseinandergesetzt. Und mit einem Gedanken aus diesem Buch will ich
das Fazit beenden:
"Deine Gedanken werden deine
Wirklichkeit". Und das ist bei dieser Reise und durch diese Reise wahr
geworden.
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